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Gastautorin: Marlene Schreiber, Härting Rechtsanwälte, Berlin
Wie das Landgericht München I mit einstweiliger Verfügung vom 11. Juni 2013 statuiert hat, besteht die Pflicht zur eindeutigen Beschriftung einer zur Bestellung im Online-Shop bereitgestellten Schaltfläche nach dem sog. „Button-Gesetz“ auch dann, wenn der zu schliessende Vertrag zunächst kostenfrei ist und erst nach Ablauf eines (Probe-)Zeitraums ohne weiteres Zutun des Verbrauchers kostenpflichtig verlängert wird.
Was war passiert?
Vorliegend stritten ein bayerischer Verbraucherschutzverband und das in Luxemburg ansässige Unternehmen Amazon EU S.a.r.l. (im Folgenden: Amazon) über die Verwendung eines Buttons mit der Aufschrift „Jetzt kostenlos bestellen“. Durch Anklicken der Schaltfläche schloss der deutsche Verbraucher mit Amazon einen Vertrag über eine Amazon-Prime-Mitgliedschaft. Gemäss der Website, auf welcher der Button geschaltet war, handelte es sich dabei um eine für den Probezeitraum von einem Monat kostenlose Mitgliedschaft. Sofern der Verbraucher die Mitgliedschaft nicht innerhalb dieses Zeitraums in seinem Mitgliedskonto „stornierte“, verlängerte sich die Vertragslaufzeit auf ein kostenpflichtiges Jahr. Im Ergebnis sah das Gericht in diesem Vorgehen einen wettbewerbsrelevanten Verstoss gegen § 312b Abs. 3 BGB und untersagte Amazon, den Button in dieser Form zum Abschluss eines Vertrages zu verwenden, sofern sich dieser Vertrag nach Ablauf eines kostenfreien Probezeitraums ohne weiteres Zutun des Verbrauchers kostenpflichtig verlängert.
Zuständigkeit eines deutschen Gerichts und Anwendbarkeit deutschen Rechts
Das LG München I war als deutsches Gericht für die Beurteilung des Falles zuständig. Dies hat Gericht in seiner Verfügung (Az. 33 O 12678/13) ebenso ohne weitere Erläuterung als selbstverständlich vorausgesetzt, wie den Umstand, dass trotz des Sitzes der Antragsgegnerin in Luxemburg deutsches Recht anzuwenden ist. Zwar unterliegen grundsätzlich auch online geschlossene Dienstleistungs-, Miet oder Kaufverträge dem Recht des Staates, in dem der Verkäufer seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Gemäss Art. 6 Abs. 1 lit. b der Rom-I-Verordnung findet bei Verbraucherverträgen jedoch das Recht desjenigen Staates Anwendung, in dem der Verbraucher seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, sofern der Unternehmer seine gewerbliche Tätigkeit (auch) auf diesen Staat ausgerichtet hat. Während die Beantwortung der Frage nach der Ausrichtung im Einzelfall durchaus schwierig sein kann, kann davon ausgegangen werden, dass das Angebot der Prime-Mitgliedschaft eindeutig auf deutsche Verbraucher ausgerichtet war.
Verstoss gegen das „Button-Gesetz“
Auch hinsichtlich des Unterlassungsanspruchs selbst ist das LG München I davon ausgegangen, dass Amazon in wettbewerbswidriger Weise gegen das in § 312g Abs. 3 D-BGB geregelte sog. „Button-Gesetz“ verstossen hat. Bei diesem handelt es sich um eine sog. Marktverhaltensregel im Sinne des deutschen UWG. Eine Verletzung der Vorschrift stellt deshalb eine unlautere Handlung im Sinne des deutschen Wettbewerbsrechts dar.
Das „Button-Gesetz“ dient der Umsetzung der europäischen E-Commerce-Richtlinie: Schliesst ein Unternehmer im elektronischen Geschäftsverkehr mit Verbrauchern Verträge, die eine entgeltliche Leistung des Unternehmers zum Gegenstand haben und schliesst er diese unter Nutzung eines Buttons, so hat er diesen gut lesbar mit nichts anderem als den Wörtern „zahlungspflichtig bestellen“ oder mit einer entsprechenden eindeutigen Formulierung zu beschriften.
Der Gegenstand des Mitgliedsvertrages, den Amazon unter Nutzung des Buttons abschloss, ist als entgeltliche Leistung anzusehen. Dagegen spricht, wie das LG München I feststellt, auch nicht der zunächst kostenlose Probemonat. Vielmehr sei für die Anwendbarkeit des „Button-Gesetzes“ entscheidend, dass „durch die Betätigung dieses Buttons das kostenpflichtige Vertragsverhältnis zustande“ komme und dieses nur dadurch zu verhindern sei, dass der Kunde den Vertrag aktiv storniere.
Eine Mitgliedschaft, die nach einem Monat (kostenpflichtig) zur Inanspruchnahme eines Premiumversandes und zum Ausleihen von eBooks berechtigt, stellt ungeachtet der Einräumung des kostenfreien Probemonats zweifelsohne eine entgeltliche Leistung dar. Anders wäre dies nur dann zu beurteilen, wenn der Verbraucher nach Ablauf des Monats erneut eine auf den Abschluss eines nunmehr kostenpflichtigen Vertrages gerichtete Willenserklärung abgeben müsste. Aus dem Umstand, dass der Verbraucher die Mitgliedschaft während des Probemonats nicht „storniert“, kann eine solche Erklärung jedoch nicht hergeleitet werden, denn Schweigen stellt nach deutschem Recht regelmässig keine rechtlich relevante Willenserklärung eines Verbrauchers dar.
Technische Unmöglichkeit als Rechtfertigungsgrund?
Das LG München I weist in seiner Verfügung zudem darauf hin, Amazon könne sich keinesfalls darauf berufen, es sei aus technischen Gründen nicht in der Lage, eine gesetzeskonforme Änderung umzusetzen. Abgesehen davon, dass es für das Gericht nicht ersichtlich sei, warum dies der Fall sein sollte, könne eine den Verbraucher benachteiligende wettbewerbswidrige Verhaltensweise nicht mit einer vermeintlichen technischen Unmöglichkeit gerechtfertigt werden.
Konsequenzen für die Praxis
Auch Unternehmen, die Ihren Sitz nicht in Deutschland haben, müssen sich bei Cross-Border-Geschäften der Möglichkeit bewusst sein, bei Wettbewerbsverstössen vor deutschen Gerichten nach deutschem Recht verklagt zu werden. Insbesondere, wer seinen Online-Shop bewusst auf deutsche Verbraucher ausrichtet, muss deutsche Verbraucherschutzvorschriften beachten. Die Zuständigkeit des Gerichts bestimmt sich in diesen Fällen grundsätzlich nach dem Ort, an dem der Wettbewerbsverstoss eingetreten ist oder einzutreten droht.
Massgeblich für die Anwendbarkeit deutschen Rechts ist in der Regel die Ausrichtung des Online-Shops auf deutsche Abnehmer. Ob eine solche gegeben ist, muss im Einzelfall geprüft werden.
Nach Auffassung des EuGH bestehen immer dann offenkundige Anhaltspunkte für die Ausrichtung eines Onlineshops auf Kunden eines anderen Mitgliedstaates, wenn die ausdrückliche Angabe gemacht wird, dass Produkte in einem oder mehreren namentlich genannten Mitgliedstaat angeboten werden oder Ausgaben für Internetreferenzierungsdienste (z.B. Google AdWords) getätigt werden, um in anderen Mitgliedstaaten wohnhaften Verbrauchern den Zugang zur Website zu erleichtern vgl. BR-News vom 15.12.2010).
Daneben kann es ausweislich der EuGH-Rechtsprechung jedoch auch weitere weniger offensichtliche Anhaltspunkte geben, die in Form von Indizien zur Bewertung des Einzelfalls herangezogen werden können. Dazu gehören namentlich der internationale Charakter der Tätigkeit (z.B. bestimmte touristische Tätigkeiten), die Angabe von Anfahrtsbeschreibungen aus anderen Mitgliedstaaten, die Angabe von Telefonnummern mit internationaler Vorwahl, die Nutzung von anderen Top-Level-Domain als im Niederlassungsstaat üblich (z.B. auch .com oder .ch), die Verwendung einer fremden Sprache mit der Möglichkeit der Buchung und Buchungsbestätigung in dieser Sprache, die Verwendung einer fremden Währung oder die Erwähnung internationaler Kundschaft, z.B. durch Wiedergabe von Kundenbewertungen.
Unternehmer, die mit deutschen Verbrauchern über das Internet entgeltliche Verträge schliessen möchten, sollten besondere Sorgfalt auf die Beschriftung des Buttons verwenden, mit dem der Verbraucher seine Bestellung ausdrücklich bestätigt (für weitere Informationen zum Button-Gesetz siehe BR-News vom 13.07.2012 und 07.03.2012).
Entsteht durch die Erklärung des Verbrauchers eine Zahlungspflicht, ist der Button mit den Worten „zahlungspflichtig bestellen“ oder einer vergleichbaren Bezeichung (z.B. „kaufen“ oder „kostenpflichtig bestellen“) zu beschriften. Von einer Zahlungspflicht des Verbrauchers ist auch dann auszugehen, wenn der Vertrag zwar für einen bestimmten Zeitraum zunächst kostenfrei ist, dann aber – sofern der Verbraucher dem nicht aktiv widerspricht – automatisch in eine kostenpflichtige Leistung übergeht.
In keinem Fall kann sich ein Unternehmer darauf berufen, ein wettbewerbskonformes Verhalten wäre aus technischen Gründen nicht möglich. Wer seine Leistungen nicht in zulässiger Weise anbieten kann, muss auf das Angebot ganz verzichten.
Ansprechpartner: Lukas Bühlmann