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Was offline illegal ist, soll auch online verboten sein – so die Leitidee des neuen Gesetzes über digitale Dienste (Digital Service Act; DSA), welches das EU-Parlament mit grosser Mehrheit am 5. Juli 2022 verabschiedete und dem der Europäische Rat am 4. Oktober 2022 zugestimmt hat. In Anlehnung an die Werte der EU soll der DSA einen beispiellosen Standard für die Achtung von Rechten im Internet setzen (vgl. MLL-News vom 08.07.2021). Das sogenannte «erste Grundgesetz für das Internet» soll einheitliche Spielregeln für Vermittlungsdienste schaffen. Dies umfasst die zügige Entfernung von illegalen Inhalten, bei gleichzeitigem Schutz der Grundrechte der Nutzer*innen – insbesondere der Meinungsäusserungsfreiheit. Durch die Forderungen nach mehr Transparenz und Rechenschaftspflicht, mehr Rückverfolgbarkeit und Kontrollen von Händlern auf Online-Marktplätzen, dem Verbot irreführender Praktiken und bestimmter Arten gezielter Werbung werden Plattformanbieter stärker in die Pflicht genommen, um für Nutzer*innen ein sichereres Internet zu schaffen. Eine strengere Beaufsichtigung werden insbesondere diejenigen Plattformen erfahren, die mehr als 10% der EU-Bevölkerung erreichen.
Sichereres Internet für Nutzer*innen
Um für Konsument*innen ein sichereres Internet zu schaffen, sollen diese künftig besser darüber informiert werden, weshalb ihnen Inhalte angezeigt werden. In Bezug auf den Empfehlungsalgorithmus muss den Nutzer*innen eine Option offenstehen, die nicht auf Profilerstellung («profiling») beruht.
Hinzu kommt das Verbot gezielter Werbung auf Grundlage sensibler Daten wie bspw. der sexuellen Orientierung, Religion oder Ethnie, wie auch ein Verbot personalisierter Werbung an Minderjährige. Ebenso verboten werden die sogenannten Dark Patterns und irreführenden Praktiken, die den Zweck haben, Entscheidungen von Nutzer*innen zu manipulieren. Darunter fallen namentlich das stärkere Hervorheben bestimmter Wahlmöglichkeiten oder das Bedrängen des Empfängers mittels störender Pop-Ups, seine Wahl zu ändern. Ausserdem wird Nutzer*innen ein Anspruch auf Entschädigung eingeräumt, wenn sie aufgrund von Verstössen gegen den DSA Schäden oder Verluste erleiden.
Mehr Verantwortung für Online-Plattformen und Suchmaschinen
In den Anwendungsbereich des DSA fallen unabhängig von ihrer Ansässigkeit alle Unternehmen, die in der EU/ EWR digitale Dienste anbieten (Vermittlungsdienste, Hosting-Dienste, Online-Plattformen). Die Anforderungen stehen in einem angemessenen Verhältnis zu der Grösse, Wirkung und den Gefahren, die von den jeweiligen Plattformen für die Gesellschaft ausgehen. Während Kleinst- und Kleinunternehmen von bestimmten Verpflichtungen ausgenommen sind, gelten für grosse Online-Plattformen und Suchmaschinen mit mehr als 45 Millionen Nutzer*innen im Monat besonders strenge Regeln. Letztere werden von der Europäischen Kommission beaufsichtigt und im Falle von wiederholten schweren Verstössen mit Sanktionen von bis zu 6% des weltweiten Umsatzes oder sogar einem Verbot der Tätigkeit im EU-Binnenmarkt belegt.
Um Sanktionen zu entgehen, müssen Unternehmen – entsprechend ihrer Grösse – die im DSA vorgesehenen Verpflichtungen zum Schutz ihrer Nutzer*innen erfüllen:
- Implementierung von Massnahmen zur Bekämpfung illegaler Waren, Dienstleistungen oder Inhalte im Internet. Dies kann zum Beispiel mittels einem Mechanismus, der Nutzer*innen das Kennzeichnen solcher Inhalte ermöglicht erfolgen. Die zur Kennzeichnung berechtigten Personen wären dabei auf ein Gruppe vertrauenswürdiger Hinweisgebern*innen («Trusted Flaggers») beschränkt, um missbräuchliches kennzeichnen zu vermeiden.
- Umsetzung von neuen Regeln für die Rückverfolgbarkeit gewerblicher Nutzer*innen auf Online-Marktplätzen, die eine Verfolgung von Verkäufer*innen illegaler Waren erleichtern und dafür sorgen sollen, dass Produkte und Dienstleistungen sicher sind, bspw. mithilfe von Stichproben, die ermitteln, ob illegale Inhalte erneut auftauchen.
- Die Möglichkeit schaffen, dass Entscheidungen der Plattformen hinsichtlich der Moderation von Inhalten anzufechten und Rechtsmittel einzulegen, entweder durch einen aussergerichtlichen Streitbeilegungsmechanismus oder über ein Gericht.
- Umsetzung von Verpflichtungen für sehr grosse Plattformen und Suchmaschinen zum Ergreifen von risikobasierten Massnahmen, um den Missbrauch ihrer Systeme zu verhindern und ihr Risikomanagementsystem unabhängigen Prüfungen zu unterziehen.
- Aufbau einer Beaufsichtigungsstruktur entsprechend der Komplexität der Plattform oder der Suchmaschine.
- Implementierung eines Krisenmechanismus zur raschen und effizienten Reaktion auf Manipulationen im Internet in Zeiten von Pandemie, Krieg oder Terror.
- Gewährung des Zugangs zu Daten und Algorithmen für Behörden und zugelassene Forscher*innen, um systematische Risiken ausfindig zu machen und die Plattformen zu verpflichten, diese zu beseitigen
Ausblick
Der DSA wurde am 27. Oktober 2022 im Amtsblatt der EU veröffentlicht. Der DSA findet unmittelbare Anwendung in der EU/ EWR. Die meisten Unternehmen, welche in den Anwendungsbereich des DAS fallen, werden diesen ab dem 17. Februar 2024 einhalten müssen.
Der DSA kann aufgrund seiner extraterritorialen Wirkung auch auf Schweizer Anbieter Anwendung finden, wenn es sich bei diesen um Anbieter von Vermittlungsdiensten für Nutzer mit Niederlassung oder Wohnsitz in der EU/ EWR handelt.
Bis zum Inkrafttreten des DSA müssen die Mitgliedstaaten der EU und die Kommission die erforderlichen Kapazitäten aufbauen, wie auch Personalressourcen schaffen. Ein autonomer Nachvollzug des DSA durch die Schweiz ist vor dem Hintergrund der Stellungnahme des Bundesrates vom 25. August 2021 wohl nicht zu erwarten. Um sicherzustellen, dass der Schweiz aus dem DSA keine Nachteile erwachsen, wird die Bundesverwaltung gegebenenfalls noch Massnahmen ergreifen.
Aufgrund der obenerwähnten extraterritorialen Wirkung müssen sich Schweizer Unternehmen, die ihre Dienste in der EU anbieten, dennoch auf das Inkrafttreten vorbereiten. Ein solches «Anbieten» liegt gemäss DSA vor, wenn der Vermittlungsdienst eine bedeutende Anzahl von EWR-Nutzer*innen aufweist oder der Dienst auf EWR-Nutzer*innen ausgerichtet ist. Indizien für eine solche Ausrichtung können namentlich die Währung, die Lieferung in EWR-Staaten oder das Angebot der App im nationalen App-Store eines EWR-Staates sein.
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