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EU-Kartellrecht: Microsoft muss Busse von 561 Mio. Euro wegen Nichtanbieten der Browserwahl bezahlen


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Die Europäische Kommission hat dem US-amerikanischen Softwarekonzern Microsoft eine Geldbusse in der Höhe von rund 561 Millionen Euro auferlegt, weil das Unternehmen seinen Verpflichtungszusagen im Rahmen eines Kartellrechtsverfahrens nicht nachgekommen ist. Microsoft hatte sich im Jahr 2009 verpflichtet, den Nutzern während fünf Jahren einen Auswahlbildschirm zur Verfügung zu stellen, der diesen ermöglichen sollte, frei auszuwählen, welchen Webbrowser sie zusätzlich zum oder anstelle des Internet Explorers von Microsoft verwenden möchte. Da dieser Auswahlbildschirm von Mai 2011 bis Juli 2012 nicht angeboten wurde, hat die Kommission den Softwaregiganten nun gebüsst. Für Microsoft ist es bereits die vierte Busse, die ihr seit 2004 von der EU-Wettbewerbsbehörde auferlegt worden ist. Die erneute Busse stellt trotzdem ein Novum im EU-Kartellrecht dar: Es handelt sich um die erste Busse überhaupt, welche die Kommission ausspricht, weil ein Unternehmen seinen Verpflichtungszusagen nicht nachgekommen ist.

Hintergrund: Verpflichtungszusagen im Europäischen Kartellrecht

Das europäische Wettbewerbsrecht sieht in der „Kartellverordnung“ (Nr. 1/2003) die Möglichkeit für Unternehmen vor, sogenannte Verpflichtungszusagen abzugeben. Solche Zusagen kommen immer dann in Betracht, wenn die Kommission beabsichtigt, eine Entscheidung zur Unterbindung einer Wettbewerbswiderhandlung zu erlassen. In solchen Fällen können die beteiligten Unternehmen der Kommission anbieten, Verpflichtungen einzugehen, die geeignet sind, die von der Kommission angemeldeten Bedenken auszuräumen. Die Kommission kann diese Verpflichtungszusagen sodann für rechtsverbindlich erklären und die wettbewerbsrechtliche Untersuchung einstellen.

In einem solchen Beschluss wird jedoch weder festgestellt, dass ein Verstoss gegen die EU-Wettbewerbsvorschriften vorliegt, noch eine Geldbusse verhängt. Die beteiligten Unternehmen sind aber verpflichtet, ihre Zusagen einzuhalten. Von der Möglichkeit der Verpflichtungszusagen wird seit dem Inkrafttreten der einschlägigen Verordnungsbestimmung rege Gebrauch gemacht: Seit dem Jahr 2003 hat die Kommission 29 Verpflichtungszusagen angenommen und für rechtsverbindlich erklärt, darunter eine von Microsoft. Verpflichtungszusagen sind zu einem wichtigen Instrument des EU-Kartellverfahrens geworden, da sie schnelle Lösungen von Wettbewerbsproblemen ermöglichen. Hält ein Unternehmen die Verpflichtungen nicht ein, ist die Kommission berechtigt, ihm eine Geldbusse von maximal 10 % des im vorausgegangenen Geschäftsjahr erzielten Gesamtumsatzes aufzuerlegen.

Verpflichtungszusage und Einstellung der Untersuchung im Jahr 2009

Im Jahr 2009 stellte die Kommission eine Untersuchung gegen Microsoft ein, nachdem das Unternehmen die erwähnte Verpflichtungszusage machte. Untersucht hatte die Kommission, ob Microsoft mit der Kopplung des Internet Explorers an Windows seine marktbeherrschende Stellung missbrauchte. Im Rahmen dieser Untersuchung teilte sie Microsoft mit, dass sie den Verdacht habe, durch die Kopplung des Betriebssystems mit dem Browser werde der Wettbewerb zwischen den verschiedenen Browseranbietern beeinträchtigt. Microsoft habe aus diesem Grund bei mehr als 90 % der verkauften PCs einen künstlichen Vertriebsvorteil, der nicht im Produkt selbst begründet liege. Dies beeinträchtige die Innovation auf dem Markt und schaffe für Software-Entwickler und Inhalte-Anbieter einen künstlichen Anreiz, ihre Produkte bzw. Websites in erster Linie für den Internet Explorer von Microsoft zu optimieren. Der Softwarehersteller verpflichtete sich daraufhin, den Nutzern während fünf Jahren einen Auswahlbildschirm zur Verfügung zu stellen, der diesen ermöglichen sollte, frei auszuwählen, welchen Browser sie zusätzlich zum oder anstelle des Internet Explorers verwenden möchten.

Als Strafe für eine allfällige Widerhandlung gegen die Verpflichtungszusagen wurde in Einklang mit den Vorgaben der Kartellverordnung eine Geldbusse in der Höhe von maximal 10 % des jährlichen Gesamtumsatzes angedroht. Diese kann die Kommission verhängen, falls Microsoft seinen Verpflichtungen nicht nachkommt. Der Betrag wird fällig, ohne dass die EU-Wettbewerbsbehörde dem Softwareunternehmen einen Verstoss gegen die Wettbewerbsvorschriften nachweisen muss.

Busse wegen Nichteinhaltung der Verpflichtungen

Genau dies ist nun erfolgt. Zum ersten Mal überhaupt hat die Kommission eine Geldbusse ausgesprochen, weil ein Unternehmen seinen Verpflichtungszusagen nicht nachgekommen ist. Gemäss Darstellung der Kommission habe Microsoft den Nutzern des „Windows 7 Service Pack 1“ von Mai 2011 bis Juli 2012 den Auswahlbildschirm nicht zur Verfügung gestellt. In der EU hätten deshalb rund 15 Millionen Windows-Nutzer die vorgesehene Auswahlmöglichkeit in diesem Zeitraum nicht in Anspruch nehmen können. Der zuständige EU-Kommissar bezeichnete die Nichteinhaltung dieser Verpflichtungen als schwerwiegenden Verstoss gegen das EU-Recht, der mit einer entsprechenden Sanktion belegt werden müsse. Dementsprechend hoch ist auch die Busse, die Microsoft auferlegt wurde: Der Softwarehersteller muss eine Geldbusse in der Höhe von 561 Millionen Euro an die Kommission zahlen. Bei der Berechnung der Bussenhöhe berücksichtigte die Kommission insbesondere die Schwere und die Dauer des Verstosses, aber auch den Umstand, dass Microsoft mit der Kommission zusammengearbeitet und Informationen bereitgestellt und die Kommission so bei der Sachverhaltsabklärung unterstützt habe.

Bereits vierte Busse gegen Microsoft

Die ausgesprochene Millionenbusse ist nicht die erste, die Microsoft von der EU wegen Kartellrechtsverstössen auferlegt wurde. Bereits im Jahr 2004 musste der Softwaregigant einen Bussenbetrag von 497 Millionen Euro bezahlen, nachdem die Kommission einen Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung festgestellt hatte. Gegenstand dieser Untersuchung waren die Interoperabilität zwischen Windows und Arbeitsgruppenservern sowie die Kopplung des Windows Media Player an Windows. Weil Microsoft seiner Verpflichtung zur Offenlegung dieser Interoperabilitätsinformationen innert der damals festgelegten Frist nicht nachkam, verhängte die Kommission im Juli 2006 erneut eine Busse in der Höhe von 280,5 Millionen Euro. Im Februar 2008 erhob die Kommission eine weitere Busse, weil die für den Zugang zu den Interoperabilitätsinformationen vorgeschlagenen Vergütungssätze nach Ansicht der Wettbewerbsbehörde nicht angemessen waren. In diesem Fall betrug die Busse gar 899 Millionen Euro. Diese Entscheidung wurde im vergangenen Juni vom Gericht der Europäischen Union bestätigt, wobei dieses die Busse auf 860 Millionen Euro reduzierte.

Weitere Informationen:

Ansprechpartner: Lukas Bühlmann


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