EU-Kommission prüft mögliche Kartellrechtsverletzung durch Pay-TV-Lizenzverträge der US-Filmstudios


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Gemäss einer Pressemitteilung hat die EU-Kommission im Januar ein Kartellverfahren gegen mehrere grosse US-amerikanische Filmstudios und die grössten europäischen Pay-TV-Sender eingeleitet. Geprüft werden dabei namentlich Lizenzvertragsklauseln, welche die grenzüberschreitende Ausstrahlung von Spielfilmen via Satellit oder Online-Streaming beschränken. Das Ergebnis der Untersuchung wird insbesondere auch vor dem Hintergrund eines Grundsatzurteils des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) aus dem Jahr 2011 besonders interessant sein. Darin wurden Lizenzverträge, die eine Abschottung nationaler Märkte für die TV-Übertragung von Fussballspielen bezweckten, für kartellrechtswidrig erklärt.

Hollywood-Filmstudios und EU-Pay-TV-Anbieter im Visier

Gemäss der Pressemitteilung der EU-Kommission richtet sich das Verfahren zum einen gegen die folgenden US-amerikanischen Filmstudios:

  • Twentieth Century Fox,
  • Warner Bros.,
  • Sony Pictures,
  • NBCUniversal, und
  • Paramount Pictures.

Auf Seiten der Lizenznehmer betrifft die Untersuchung die grössten europäischen Pay-TV-Sender, d.h. namentlich:

  • BSkyB (Vereinigtes Königreich),
  • Canal Plus (Frankreich),
  • Sky Italia,
  • Sky Deutschland und
  • DTS (Spanien).

Absoluter Gebietsschutz in Lizenzverträgen

Vergleichbar mit der Vergabe von Sportübertragungsrechten erteilen auch US-amerikanische Filmstudios Lizenzen zur Ausstrahlung ihrer Spielfilme in der Regel exklusiv an einen einzigen Pay-TV-Sender pro EU-Mitgliedstaat. Mit der Untersuchung soll diese gebietsabhängige Lizenzvergabe an sich jedoch nicht in Frage gestellt werden. Es werde auch nicht versucht, die Filmstudios zur Vergabe von EU-weiten Lizenzen zu zwingen, betonte der für Wettbewerbspolitik zuständige EU-Kommissar Joaquín Almunia.

Vielmehr wird im Rahmen der Untersuchung primär geprüft, ob die Lizenzvereinbarungen zur Satellitenübertragung bzw. zum Online-Streaming, in welchen den Pay-TV-Sendern – über die territoriale Exklusivität hinaus – ein „absoluter Gebietsschutz“ eingeräumt wird, unzulässige Wettbewerbsbeschränkungen darstellen. Mit diesen Regelungen werde gewährleistet, dass die von den Filmstudios lizenzierten Filme ausschliesslich in dem Mitgliedsstaat abgerufen werden können, in dem der jeweilige Sender über Satellit und Internet Inhalte ausstrahlt. Diese Filme dürften nicht ausserhalb dieses Mitgliedstaats ausgestrahlt werden.

Den Sendern wird folglich nicht nur verboten, ausserhalb ihres Gebiets für die lizenzierten Angebote aktiv zu werben. Vielmehr dürfen sie die Filme auch nicht nach unaufgeforderter Anfrage von potenziellen Kunden in einem anderen Mitgliedstaat zugänglich machen. Neben diesem Verbot von so genannten Passivverkäufen stehen auch Beschränkungen des Zugangs von bestehenden Abonnenten, die aus einem Mitgliedstaat wegziehen oder auf Reise sind, im Fokus der Kommission.

Kommissar Almunia illustriert dies folgendermassen: Wenn jemand in Deutschland ein Pay-TV-Service abonniere und in den Ferien nach Italien reise, sei es unter Umständen nicht möglich, die im Service enthaltenen Filme während seinen Ferien auf seinem Laptop zu schauen. Ähnlich sei es Personen mit Wohnsitz in Belgien aufgrund der absoluten Gebietsexklusivität gegebenenfalls gar nicht erst möglich, einen spanischen Pay-TV-Service zu abonnieren.

Hintergrund der Untersuchung

Das aktuelle Verfahren ist im Zusammenhang mit einem Grundsatzurteil des Europäischen Gerichtshofes (EuGH)vom Oktober 2011 zu betrachten. Darin hatte sich der Gerichtshof ebenfalls mit einem absoluten Gebietsschutz zu befassen, welche aus Lizenzverträgen zwischen der Football Association Premier League (FAPL) und TV-Sendern als Lizenznehmern resultierte (vgl. zum Ganzen BR-News vom 12.10.2011). In dem Urteil wird festgehalten, dass durch diese Vereinbarungen jeglicher Wettbewerb zwischen den Sendern ausgeschaltet und der Markt nach nationalen Grenzen abgeschottet werde. Die Klauseln in den Lizenzverträgen der Premier League wurden deshalb als grundsätzlich unzulässige Wettbewerbsbeschränkungen beurteilt. Ferner lehnte der Gerichtshof auch eine ausnahmsweise Rechtfertigung durch die Notwendigkeit, eine angemessene Vergütung für die Inhaber der Urheberrechte zu gewährleisten, ab. Die Zulässigkeit der Vergabe von Exklusivlizenzen im Bereich des geistigen Eigentums stellte der EuGH hingegen im Grundsatz damals nicht in Frage.

Anmerkungen

In der eingeleiteten Untersuchung wird die Kommission daher insbesondere zu beurteilen haben, ob die vom EuGH aufgestellten Grundsätze auch auf die Lizenzverträge der Filmstudios übertragen werden können. Die Kommission weist indes ausdrücklich darauf hin, dass dem Ergebnis mit der Einleitung des Verfahrens keinesfalls vorgegriffen werden solle. Es erscheint jedoch aufgrund der Ähnlichkeit der Sachverhalte als sehr wahrscheinlich, dass der absolute Gebietsschutz auch im aktuellen Fall zumindest als grundsätzlich unzulässige Wettbewerbsbeschränkung beurteilt werden wird. Im Vordergrund des Verfahrens dürfte daher die Frage stehen, ob bzw. aus welchen Gründen diese Wettbewerbsbeschränkung gerechtfertigt werden kann. Überdies ist zu erwarten, dass das Spannungsverhältnis zwischen Urheber- und Kartellrecht durch die Untersuchung eine weitere Konkretisierung erfährt.

Weitere Informationen:

Ansprechpartner: Lukas Bühlmann


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