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Gastautor: Dr. Martin Schirmbacher, HÄRTING Rechtsanwälte, Berlin
Das Europäische Parlament hat kurz vor Weihnachten – von der interessierten Öffentlichkeit weitgehend unbemerkt – noch eine Entschließung verabschiedet, die erahnen lässt, was allein auf europäischer Ebene in den nächsten Jahren auf die Online-Werbebranche zu kommt. Mit neuen Regelungen muss vor allem bei der verhaltensbezogenen Werbung und Social Networks gerechnet werden. Die Forderungen des Parlaments betreffen aber auch die Suchmaschinenwerbung, den M-Commerce und das E-Mail-Marketing.
Letztlich beschränkt sich die Entschließung vom 15.12.2010 auf Feststellungen zu der Sichtweise des Europäischen Parlamentes und konkrete Aufforderungen an die Mitgliedstaaten, vor allem aber an die EU-Kommission, weitere Maßnahmen vorzunehmen. Dabei geht es dem Parlament um verschiedene Themen, die meisten hängen aber mit unlauterer – meist irreführender – Werbung oder Datenschutzfragen zusammen.
Einige Bereiche aus der Online-Werbung sind dem Parlament besonders wichtig:
1. Verhaltensbezogene Werbung
Das EP sieht massive Probleme in der zunehmenden Verbreitung der verhaltensbezogenen Werbung und der damit einher gehenden Entwicklung „aufdringlicher Werbepraktiken“. Dazu zählt das EP vor allem die inhaltliche Auswertung von E-Mails, die Nutzung sozialer Netzwerke und die Geolokalisierung. All dies stellten Angriffe auf die Privatsphäre der Verbraucher dar. Besonders bedenklich sei, wenn Werbeinhalte und Werbedienstleistungen aus einer Hand erbracht würden. Hier sei die Gefahr eines Datenabgleich hoch.
Wichtig sei vor allem eine verständliche Information der Verbraucher über Art und Umfang der Verwendung personenbezogener Daten. Werbetreibende sollten standardmäßig ein opt-in für jedweden Einsatz verhaltensbezogener Werbung einsetzen. Jedenfalls aber sollten die Entwickler auf ‚privacy by design’ setzen, die Lösungen sollten also so konfiguriert sein, dass der Datenschutz und der Schutz der Privatsphäre schon durch die eingesetzte Technologie bestmöglich berücksichtigt werden.
Konkret fordert das Parlament
- ein unverzügliches Verbot der Auswertung privater E-Mails durch Dritte, insbesondere zu Werbezwecken
- eine umgehende Garantie, dass Techniken verwendet werden, die eine Unterscheidung zwischen Cookies für Werbezwecke, die einer freiwilligen und ausdrücklichen vorherigen Zustimmung unterliegen, und sonstigen Cookies erlauben und
- eine umgehende gesetzliche Regelung wonach die entsprechende Internetwerbung eindeutig mit den Worten „verhaltensbezogene Werbung“ gekennzeichnet wird, und ein Informationsfenster eingefügt wird, in dem die wichtigsten Merkmale dieser Praktik erklärt werden.
2. Social Networks
Rechtliche Schwierigkeiten sieht das Europäische Parlament auch in Social Networks. Neben den Datenschutz- und persönlichkeitsrechtlichen Aspekten der oft jungen Nutzer (Lösung u.a.: privacy by (browser) design) geht es dem Europäischen Gesetzgeber vor allem um die Schleichwerbung im Internet.
Insbesondere scheinbar objektive Kommentare in sozialen Netzwerken, Foren oder Blogs, die sich inhaltlich nur schwer von einer einfachen Meinung unterscheiden lassen, seien besonders gefährlich. Verboten werden müssten alle Versuche von Unternehmen, direkt oder indirekt die Verbreitung von Nachrichten oder Kommentaren, die scheinbar von Verbrauchern stammen, bei denen es sich jedoch tatsächlich um Werbenachrichten oder Nachrichten kommerzieller Art handelt, zu fördern. Offenbar soll es untersagt werden, Kunden gegen finanzielle Vorteile dazu zu animieren, positiv über das Unternehmen oder seine Produkte zu berichten.
Angeregt wird insbesondere, dass Moderatoren zur Überwachung des Schleichwerberisikos in sozialen Netzwerken und Foren eingeführt und Aufklärungskampagnen entwickelt werden, um die Verbraucher vor diesen „versteckten“ Formen der Werbung zu warnen.
3. Keyword Advertising
Im Bereich der kontextsensitiven Werbung in Suchmaschinen fordert das Europäische Parlament die EU-Kommission auf, die derzeit bestehenden Regeln der Haftungsprivilegierung für Suchmaschinenbetreiber zu überprüfen,
„um zu gewährleisten, dass der Verkauf unter einem Markennamen, der als Schlüsselwort einer Suchmaschine registriert wird, der vorherigen Einwilligung des Eigentümers der Marke unterliegt“.
Letztlich soll also das Brandbidding nur zulässig sein, wenn der Markeninhaber einverstanden ist. Lesen Sie mehr zu dieser Forderung nach einem Verbot der Buchung fremder Marken als Keyword.
4. M-Commerce
Auch die Werbung im M-Commerce bleibt von Aktionismus des Parlamentes nicht verschont. Hier wird ein möglichst umgehendes Verbot des Versandes von Bluetooth-Nachrichten auf mobile Endgeräte von Nutzern gefordert, die dieser Werbeform nicht vorab zugestimmt haben.
Solche unaufgeforderte Werbung dürfte aber schon nach bestehendem geltendem europäischem Recht unzulässig sein.
5. E-Mail-Werbung
Schließlich erfolgt für das E-Mail-Marketing die Auflage, dass Werbenachrichten, die per E-Mail versandt werden, einen Link enthalten müssen, über den weitere Werbung automatisch abgestellt werden kann.
Es bleibt abzuwarten, wie viel aus diesen Vorschlägen und Aufforderungen letztlich tatsächlich wird. Es ist zu hoffen und damit zu rechnen, dass die Werbebranche hier noch ein Wörtchen mitredet. Mit immer neuen gesetzlichen Regelungen ist auch auf europäischer Ebene niemandem geholfen. Die Online-Marketing-Branche ist jedenfalls gut beraten, auch die europäischen Entwicklungen im Auge zu behalten. Sollten diese Forderungen dereinst Gesetz werden, werden sie nicht nur Online-Marketing-Unternehmen in der EU betreffen – das Internet ist bekanntlich grenzenlos.
Ansprechpartner: Lukas Bühlmann