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Ab dem 1. November 2012 müssen beim Verkauf von Reifen in der EU neue Kennzeichnungsvorschriften eingehalten werden. Hersteller und Händler sind ab diesem Zeitpunkt verpflichtet, eine Etikette auf Reifen anzubringen, welche die Verbraucher in vereinheitlichter Form über den Rollwiderstand, die Nasshaftung und die Abrollgeräusche informiert. Zusätzlich zu dieser Etikettenpflicht wurden auch Vorschriften für die Information auf Websites und Online-Shops eingeführt. Das Schweizer Parlament hat sich zwar im vergangenen Jahr gegen die Einführung einer obligatorischen Reifenetikette ausgesprochen. Den neuen EU-Vorschriften sind jedoch grundsätzlich auch Schweizer Händler unterstellt, welche Kunden in der EU von der Schweiz aus beliefern.
Allgemeines zur neuen Reifenetikette
Mit dem Erlass der Verordnung (EG) Nr. 1222/2009 über die Kennzeichnung von Reifen soll sichergestellt werden, dass Verbraucher beim Reifenkauf ihre Entscheidung auf der Grundlage von vereinheitlichten Informationen treffen können. In der Verordnung wurden deshalb detaillierte Kennzeichnungs- und Informationspflichten aufgestellt. Kernpunkt der Regelung ist die Einführung einer Pflicht zur Verwendung einer Etikette, vergleichbar mit denjenigen, die bereits für andere Produkte, z.B. Haushaltsgeräte (vgl. dazu BR-News vom 2.11.2011), bekannt sind. Die Etikette informiert über die folgenden drei Eigenschaften von Reifen, indem gesondert für jede Eigenschaft die Einteilung in eine der verschiedenen Klassen angezeigt wird:
- Rollwiderstand (Kraftstoffeffizienzklassen A bis G)
- Nasshaftung (Sicherheit bei Nässe: Klasse A bis G).
- externes Rollgeräusch (Klassierung mittels drei Schallwellen und dB-Angabe)
Die Verordnung enthält in den Anhängen strenge und detaillierte Vorgaben über das Format der Etikette (Anhang II) sowie über die anzuwendenden Prüfmethoden.
Betroffene und ausgenommene Reifen
Die Verordnung und die darin enthaltenen Pflichten gelten grundsätzlich nur für Reifen der Klassen C1, C2 und C3. Demgegenüber wurden die folgenden Reifen vom Geltungsbereich der Verordnung ausgenommen:
- runderneuerte Reifen;
- Geländereifen für den gewerblichen Einsatz;
- Reifen, die ausschließlich für die Montage an Fahrzeugen ausgelegt sind, deren Erstzulassung vor dem 1. Oktober 1990 erfolgte;
- Notreifen des Typs T;
- Reifen mit einer zulässigen Geschwindigkeit von weniger als 80 km/h;
- Reifen für Felgen mit einem Nenndurchmesser ≤ 254 mm oder ≥ 635 mm;
- Reifen mit Zusatzvorrichtungen zur Verbesserung der Traktion, z. B. Spikereifen;
- Reifen, die ausschließlich für die Montage an Fahrzeugen ausgelegt sind, welche nur für Rennen bestimmt sind.
Pflichten der Reifenlieferanten
Reifenlieferanten, d.h. insbesondere Hersteller und Importeure, müssen gewährleisten, dass die an die Händler oder Endverbraucher gelieferten Reifen der Klassen C1 und C2 entweder auf der Lauffläche die Reifenetikette tragen oder dass diese jedem Posten aus einem oder mehreren identischen Reifen beigegeben wird (Art. 4). Folglich sind es primär die Hersteller, welche ihre Reifen zu klassifizieren haben und letztlich für die Aus- und Bereitstellung der Etiketten verantwortlich sind.
Die Lieferanten werden darüber hinaus dazu verpflichtet, ihre Abnehmer auch in „technischem Werbematerial“ zu informieren. Dazu gehören technische Handbücher, Broschüren, Faltblätter Kataloge (in gedruckter oder elektronischer Form oder als Online Version) und Websites, die der Vermarktung von Reifen an Endnutzer oder Händler dienen. Verlangt wird die Angabe der Kraftstoffeffizienzklasse, der Klasse des externen Rollgeräuschs und der entsprechenden Messwerte sowie der Nasshaftungsklasse. Das blosse Anbringen der Reifenetikette bzw. der verlangten Informationen genügt hierfür nicht. Es muss auch Folgendes bereitgestellt werden (vgl. Anhang III der Verordnung):
- Einen Link zur massgebenden Website der EU-Kommission;
- Eine Erläuterung der Piktogramme auf der Etikette;
- Einen allgemeinen Hinweis darauf, dass die tatsächliche Kraftstoffeinsparung und die Verkehrssicherheit in hohem Masse von der eigenen Fahrweise abhängen;
- Einen speziellen Hinweis darauf, dass der Kraftstoffverbrauch durch umweltschonende Fahrweise erheblich reduziert werden kann, dass zur Verbesserung der Nasshaftung und der Kraftstoffeffizienz der Reifendruck regelmässig geprüft werden sollte und dass der dem Anhalteweg entsprechende Sicherheitsabstand stets eingehalten werden sollte.
Pflichten der Reifenhändler: auch für Schweizer Händler massgebend?
Neben den Lieferanten werden auch die Händler in die Pflicht genommen. Als Händler gelten grundsätzlich alle Personen in der Lieferkette, die einen Reifen auf dem EU-Markt bereitstellen. Ein Händler kann jedoch nicht zugleich Importeur (oder Hersteller) sein (vgl. Art. 3 Ziff. 10). Als Importeur gilt jede in der Gemeinschaft ansässige Person, die ein Produkt aus einem Drittstaat auf dem Gemeinschaftsmarkt in Verkehr bringt (vgl. Art. 3 Ziff. 7). Die Definitionen machen deutlich, dass auch diejenigen Personen als Händler gelten, welche nicht in der EU ansässig sind. Entscheidend ist lediglich, dass Reifen im Rahmen einer gewerblichen Tätigkeit zum Vertrieb oder zur Verwendung auf dem EU-Markt abgegeben werden. Somit sind grundsätzlich auch Schweizer Händler, die EU-Kunden aus der Schweiz heraus beliefern, der Verordnung unterstellt.
Die Händler müssen gewährleisten, dass die Reifen in der Verkaufsstelle die von den Lieferanten bereitgestellten Reifenetiketten deutlich sichtbar tragen oder – wenn die Etikette einem Posten beigegeben wurde – dass dem Endnutzer vor dem Verkauf die Reifenetikette gezeigt wird und in unmittelbarer Nähe des Reifens in der Verkaufsstelle deutlich sichtbar angebracht ist (Art. 5 Abs. 1).
Auch wenn Reifen zum Verkauf angeboten werden, die für den Endnutzer nicht sichtbar sind, verlangt die Verordnung, dass die Informationen zur Kraftstoffeffizienz, zur Nasshaftungsklasse sowie zur Klasse des externen Rollgeräuschs und zum entsprechenden Messwert der betreffenden Reifen zur Verfügung gestellt werden (Art. 5 Abs. 2). Weitere Präzisierungen sind in der Verordnung nicht enthalten. Es ist jedoch davon auszugehen, dass mit dieser Bestimmung insbesondere auf den Online-Handel abgezielt wird und ferner auch Bestellkataloge und ähnliches davon erfasst werden. Unklar ist zudem, ob die Anzeige der Etikette hierfür genügt. Da Informationen in technischem Werbematerial (wie Websites) u.a. leicht verständlich sein müssen, sind Erläuterungen zur Etikette jedenfalls empfehlenswert. Wenn für einen bestimmten Reifentyp in Abhängigkeit von der Grösse oder anderen Parametern unterschiedliche („Klassen“)-Einstufungen bestehen, muss ferner die Bandbreite zwischen dem Reifen mit der schlechtesten und dem Reifen mit der besten Einstufung angegeben werden.
Zu guter Letzt werden die Reifenhändler auch dazu verpflichtet, auf oder zusammen mit den Rechnungen, die sie den Endnutzern beim Reifenkauf ausstellen, die Kraftstoffeffizienzklasse, den Messwert für das externe Rollgeräusch sowie die Nasshaftungsklasse anzugeben (vgl. Art. 5 Abs. 3).
Pflichten der Fahrzeuglieferanten und -händler
Die Verordnung auferlegt auch den Fahrzeuglieferanten und -händlern Kennzeichnungspflichten. Sofern einem Endnutzer für die Bereifung eines Neufahrzeugs, die Wahl zwischen unterschiedlichen Reifen angeboten wird, müssen die Fahrzeuglieferanten und -händler dem Endnutzern die verlangten Informationen vor dem Verkauf für jeden angebotenen Reifen zur Verfügung stellen. Sie müssen mindestens im technischen Werbematerial, d.h. insb. auf der Website und in Katalogen, aufgeführt werden (vgl. Art. 6).
Keine obligatorische Reifenetikette in der Schweiz
Das Schweizer Parlament hat im April 2011 eine Motion abgelehnt, welche die Einführung einer obligatorischen Reifenetikette nach europäischem Vorbild verlangt hatte. Beim Reifenverkauf im Schweizer Markt bestehen dementsprechend keine mit der EU vergleichbaren Kennzeichnungspflichten. Die Bundesämter für Strassen (ASTRA), Energie (BFE) und Umwelt (BAFU) haben jedoch in Partnerschaft mit den wichtigsten Branchenorganisationen eine Informationskampagne gestartet, mit welcher die Öffentlichkeit für die Etikette sensibilisiert werden soll (vgl. die Pressemitteilung vom 4.10.2012). Denn ein wesentlicher Teil der Reifen aus der EU (gemäss Angaben des Bundesamts für Energie (BFE): 85%-Marktanteil) wird mit einer entsprechenden Etikette im Handel erwartet. Der Bund will jedenfalls die Schweizer Reifenlieferanten und -händler dazu ermutigen, ihre Produkte ebenfalls mit der neuen Etikette zu kennzeichnen.
Weitere Informationen:
- Verordnung (EG) Nr. 1222/2009 vom 25. November 2009 über die Kennzeichnung von Reifen in Bezug auf die Kraftstoffeffizienz und andere wesentliche Parameter
- Liste der EU-Referenzlaboratorien
- Motion 09.3592: Energie- und Umweltetikette für Reifen
- Pressemitteilung des Bundesamts für Energie (BFE) vom 4.10.2012
- Website des Bundesamts für Energie (BFE) zum Thema Reifen