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Am 1. Januar 2011 sind die revidierten Regelungen über den präferentiellen Ursprung des EU-Zollrechts in Kraft getreten. Das Ziel der Revisionsvorlage (Verordnung Nr. 1063/2010) war insbesondere die Vereinfachung der Regeln über den präferenziellen Ursprung in allen Präferenzhandelsregelungen, an denen die EU beteiligt ist. Ferner sollten gewisse Regeln gelockert werden, so dass die Präferenzen für Erzeugnisse mit Ursprung in begünstigten Ländern, insbesondere den Entwicklungsländern, auch tatsächlich in Anspruch genommen werden können. Darüber hinaus ist ein neues Verfahren zum Nachweis der Ursprungseigenschaft vorgesehen, welches den Unternehmen grössere Verantwortung zuweist. Danach sollen ab 2017 Ursprungserklärungen, welche direkt von «registrierten Exporteuren» abgegeben werden, die derzeitigen Bescheinigungen durch Behörden der Drittländer ersetzen.
Der präferenzielle Ursprung einer Ware bildet die Grundlage für die Gewährung von bestimmten tarifären Vergünstigungen (abgabenbegünstigte oder zollfreie Einfuhr) im Handel zwischen bestimmten Ländern. Derartige Vergünstigungen in Abweichung vom «normalen» Drittlandzollsatz kommen zur Anwendung, wenn die betreffenden Länder ein entsprechendes (i.d.R. Freihandels-) Abkommen geschlossen haben oder wenn ein Land diese einseitig (autonom) gewährt. Die Ursprungsregeln (in den Ursprungsprotokollen bzw. Anhängen der jeweiligen Abkommen oder die autonomen Präferenzregelungen) legen hierbei fest, welche Voraussetzungen erfüllt sein müssen, um in den Genuss des präferenziellen Ursprungs zu kommen (vgl. die Übersicht der ursprungsbezogenen Präferenzregelungen der EU). Vor diesem Hintergrund kommt diesen Vorschriften eine grosse wirtschaftliche Bedeutung zu.
Nach langwierigen Konsultationen und zahlreichen Anpassungen des ursprünglichen Entwurfs, welcher in der Mitteilung der Kommission vom 16. März 2010 vorgestellt wurde, liegt seit dem 23. November 2010 die endgültige Fassung der Verordnung Nr. 1063/2010 vor. Damit wurden insbesondere die Regeln für die Gewährung des präferenziellen Ursprungs sowie das diesbezügliche Verfahren, welches in der Durchführungsverordnung zum EU-Zollkodex (Nr. 2454/93) festgehalten ist, reformiert. Die Revision der Vorschriften war nach Ansicht der Kommission und verschiedener Interessengruppen erforderlich, weil sie nicht mehr zeitgemäss, zu komplex und teilweise zu streng waren. Insbesondere auch die durch die Verordnung Nr. 732/2008 gegenüber Entwicklungsländer einseitig gewährten Handelspräferenzen (sog. Schema allgemeiner Zollpräferenzen, APS oder GSP), welche einen verbesserten Zugang zu den Märkten hätten herbeiführen sollten, konnten vielfach nicht in Anspruch genommen werden.
Mit der Revision wurden die Artikel 66 – 97 sowie einzelne Anhänge der Durchführungsverordnung überarbeitet. Ursprünglich beabsichtigte die Kommission, ein einziges Kriterium einzuführen, das zur Bestimmung des Warenursprungs auf alle Erzeugnisse, die in einem begünstigten Land nicht vollständig gewonnen oder hergestellt worden sind, hätte angewendet werden sollen. Danach wäre für sämtliche Waren auf den im begünstigten Land bewirkten Wertzuwachs sowie eine Schwelle für eine ausreichende Be- oder Verarbeitung abgestellt worden. Dieser Vorschlag konnte sich jedoch nicht durchsetzen, da er insbesondere für die als sensibel bezeichneten Sektoren (z.B. Landwirtschaft, Metalle und Textilwaren) ungeeignet gewesen wäre. Deshalb sind darüber hinaus nach wie vor verschiedene Kriterien vorgesehen, u.a. die Vorgabe eines zulässigen Höchstanteils an Vormaterialien ohne Ursprungseigenschaft, der sog. «Positionswechsel» sowie bestimmte Be- oder Verarbeitungsverfahren. Zusätzlich sind neu auch bei zahlreichen Produkten unterschiedliche Regeln über den präferenziellen Ursprung auf der einen Seite für die am wenigsten entwickelten Länder (sog. LDCs) und auf der anderen Seite für andere begünstigte Länder vorgesehen.
Beibehalten wurde die Möglichkeit zur bilateralen Kumulierung (Kombination der Materialien bzw. Bearbeitungen aus/in der EU mit denjenigen bestimmter begünstigter Länder) sowie zur regionalen Kumulierung. Letztere ist gestattet in bestimmten regionalen Kumulierungsgruppen (bisher 3 Gruppen bestehend aus bestimmten asiatischen und zentral- bzw. südamerikanischen Ländern), wobei neu eine vierte Gruppe vorgesehen ist. Es handelt sich um die Mitgliedsstaaten des Mercosur, d.h. Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay. Hersteller aus diesen regionalen Gruppen können ihre Materialien in verschiedenen Ländern innerhalb der Region produzieren oder bearbeiten und bei der Einfuhr in die EU immer noch von den präferenziellen Zollansätzen profitieren. Diese Hersteller können darüber hinaus auch von anderen Arten der Kumulierung profitieren, bspw. bei Materialien, die aus der Schweiz, Norwegen oder der Türkei stammen.
Die neue Verordnung (Nr. 1063/2010) beinhaltet ferner auch ein neues Verfahren zum Nachweis der Ursprungseigenschaft, welches den Unternehmen eine grössere Verantwortung zuweist. Bis 2017 soll das derzeitige System, in dem eine Ursprungsbescheinigung durch die Behörden der Drittländer ausgestellt wird («Formblatt A»), ersetzt werden. Künftig sollen Ursprungserklärungen, die direkt von elektronisch registrierten Ausführern abgegeben werden, als Nachweis dienen. Dies soll es den Behörden des Ausfuhrlandes erlauben, ihre Ressourcen auf strengere Kontrollen zur Verhütung von Betrug und Missbrauch zu konzentrieren, und reduziere gleichzeitig den Verwaltungsaufwand für die Unternehmen.
Weitere Informationen:
- Verordnung Nr. 1063/2010
- Mitteilung der Kommission vom 16. März 2010
- Verordnung Nr. 732/2008
- EU-Zollkodex
- «Questions and Answers» auf der Website der EU-Kommission
- Übersicht der ursprungsbezogenen Präferenzregelungen der EU
Ansprechpartner: Lukas Bühlmann & Jürgen Schmöger, Schmöger Terpitz & Partner