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Das Gericht der Europäischen Union (EuG) hat Ende März entschieden, dass eine Marke, die sich aus dem Wort „BEATLE“ zusammensetzt, nicht als Gemeinschaftsmarke für elektrische Rollstühle eingetragen werden kann. Es wies eine entsprechende Klage eines Rollstuhlherstellers ab. Die Eintragung wurde deshalb verweigert, weil die Benutzung dieser Marke durch eine Drittunternehmung die Attraktivität der Marken „BEATLES“ oder „THE BEATLES“ beeinträchtigen würde. Der Entscheid illustriert anschaulich, welche Voraussetzungen gegeben sein müssen, damit davon ausgegangen werden kann, dass eine Marke das Ansehen einer älteren Marke beeinträchtigen kann.
Sachverhalt
Im Januar 2004 meldete die Handicare Holding BV (heute: You-Q BV) beim Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (HABM) ein aus dem Wort „BEATLE“ bestehendes Bildzeichen als Gemeinschaftsmarke für elektrische Rollstühle an. Gegen diese Anmeldung erhob die von der Musikgruppe The Beatles gegründete Apple Corps Ltd, welche unter anderem Eigentümerin der Marken „THE BEATLES“ und „BEATLES“ ist, Widerspruch. Sie stütze diesen auf zahlreiche ältere nationale und Gemeinschaftsmarken, unter anderem die soeben genannten. Das HABM hiess den Widerspruch gut und verweigerte You-Q den Eintrag der Gemeinschaftsmarke, da die Gefahr bestehe, dass die Benutzung der Marke durch You-Q die Attraktivität der älteren Marken von Apple Corps beeinträchtigen könnte (Art. 8 Abs. 5 der Verordnung über die Gemeinschaftsmarke). Gegen diesen Entscheid gelangte You-Q mittels Klage an das EuG. Dieses wies die Klage aus den nachfolgend dargestellten Gründen ab.
Voraussetzungen von Art. 8 Abs. 5 der Gemeinschaftsmarken-Verordnung
Das Gericht leitete aus Art. 8 Abs. 5 der Gemeinschaftsmarken-Verordnung drei Elemente ab, die kumulativ erfüllt sein müssen, damit der Artikel anwendbar ist:
- Erstens muss die ältere Marke über eine gewisse Wertschätzung verfügen.
- Zweitens muss die angemeldete Marke gleich oder ähnlich sein wie die ältere Marke.
- Drittens muss das Risiko bestehen, dass die neue Marke die Wertschätzung und Attraktivität der älteren Marke beeinträchtigen könnte.
Wertschätzung der Marken von Apple Corps
Das Gericht hielt zunächst fest, dass anhand der vorliegenden Angaben davon ausgegangen werden kann, dass die Marken „BEATLES“ und „THE BEATLES“ insbesondere bei Ton- und Bildaufnahmen sowie Filmen eine sehr hohe Wertschätzung geniessen. Dieser Feststellung lag insbesondere die Anzahl verkaufter Ton- und Bildträger zu Grunde: Allein zwischen 1995 und 2004 wurden insgesamt rund 28,7 Millionen Tonträger verkauft, welche eine der genannten Marken trugen. Bei weiteren Produkten wie zum Beispiel Spielzeug oder Spielen liege ebenfalls eine hohe Wertschätzung vor, die aber geringer sei als bei den erstgenannten Produkten.
Ähnlichkeit der Marken, Unterscheidungskraft und Verbindung
Als nächstes untersuchte das Gericht, ob sich die Zeichen tatsächlich ähnlich sind. Das Gericht stellte fest, dass sich die Zeichen in visueller, phonetischer und inhaltlicher Hinsicht sehr ähnlich sind, ist doch der einzige Unterschied zwischen den Zeichen das angehängte „S“ bzw. der vorangestellte Artikel „THE“. Die Ähnlichkeit der Marken sei deshalb offensichtlich. Darüber hinaus sprach das Gericht den Marken von Apple Corps eine hohe Unterscheidungskraft zu. Diese war von You-Q bestritten worden. Die breite Öffentlichkeit, insbesondere diejenige in den nicht-englischsprachigen Teilen der Europäischen Union, denke bei den Begriffen sofort an die gleichnamige Musikgruppe und deren Produkte, so das Gericht. Somit sei die Unterscheidungskraft der Marken gegeben.
Weiter hatte das Gericht zu beurteilen, ob überhaupt eine Verbindung zwischen den betroffenen Marken entstehe. Zu berücksichtigen sei bei der Beurteilung dieser Verbindung unter anderem der Grad der Ähnlichkeit der Zeichen, die Art der Waren, für welche das Zeichen registriert werde, die Stärke und Unterscheidungskraft der Marke sowie die Verwechselungsgefahr bei den relevanten Verkehrskreisen. Als Fazit stellte das Gericht fest, dass es trotz Abweichungen zwischen den betroffenen Waren eine Verbindung zwischen den Zeichen gäbe, aufgrund welcher die sich teilweise überschneidenden relevanten Verkehrskreise dazu neigen würden, die mit den älteren Marken verbundene Wertschätzung auf die mit der neuen Marke verbunden Produkte zu übertragen.
Gefahr der Beeinträchtigung der Wertschätzung der Marken von Apple Corps
Das Gericht führte sodann aus, das mit den älteren Marken verbundene Ansehen stehe auch heute noch für Jugend und eine gewisse Gegenkultur der sechziger Jahre. Das Image der Marke sei deshalb nach wie vor positiv. Von diesem positiven Image könnten die von der angemeldeten Marke erfassten profitieren, weil die relevanten Verkehrskreise, vorliegend Menschen mit eingeschränkter Beweglichkeit, dem sehr positiven Bild von Freiheit, Jugend und Mobilität, das mit den Marken der Apple Corps verbunden ist, besonders angezogen würden. Gerade aufgrund des erlittenen Handicaps seien die positiven Bilder von Freiheit, Jugend und Mobilität besonders anziehend.
Weiter berücksichtigte das Gericht, dass zumindest ein Teil der Verkehrskreise, welche die Waren von You-Q kaufen würden, zu der Generation gehört, welche die Produkte der Beatles in den Sechzigerjahren kannte, was dazu beitragen könnte, dass sie sich von den mit der neuen Marke versehenen Produkten angezogen fühlen. Entsprechend könnte You-Q ihre eigene Marke durch Übertragung dieses Ansehens auf den Markt bringen, ohne dass sie grosse Risiken eingehen oder hohe Einführungskosten tragen müsste. Dies würde die Wertschätzung und Attraktivität der Marken von Apple Corps beeinträchtigen, weshalb Art. 8 Abs. 5 der Gemeinschaftsmarken-Verordnung vorliegend anwendbar sei.
Fazit: Zeichen kann nicht als Gemeinschaftsmarke eingetragen werden
Das Gericht zog aus diesen Ausführungen das Fazit, dass You-Q durch die Verwendung der angemeldeten Marke mit grosser Wahrscheinlichkeit die Wertschätzung und die nachhaltige Attraktivität der Marken von Apple Corps beeinträchtigen würde. Aus diesem Grund wies es die Klage ab. Die You-Q kann das Zeichen „BEATLE“ somit nicht als Gemeinschaftsmarke eintragen lassen.
Weitere Informationen:
- Pressemitteilung des EuG vom 29. März 2012
- Urteil T-369/10 vom 29. März 2012 (englisch)
- BR-News: «EuG: Form eines Lautsprechers von Bang & Olufsen kann nicht als Gemeinschaftsmarke eigetragen werden»
- Verordnung (EG) Nr. 207/2009 über die Gemeinschaftsmarke
- Homepage des HABM
Ansprechpartner: Adrian Süess