EuGH: Anforderungen an die Angabe der von einer Markenanmeldung erfassten Produkte


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Bei der Anmeldung einer Marke muss jeweils angegeben werden, für welche Waren und Dienstleistungen der Schutz beantragt wird. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat nun in einem Urteil konkretisiert, welche Anforderungen nach EU-Recht an diese Angaben zu stellen sind. Er hält dabei allgemein fest, dass die Angabe so klar und eindeutig formuliert werden muss, dass die zuständigen Behörden sowie die Wirtschaftsteilnehmer den Schutzumfang der Marke erfassen können. Die Verwendung von Oberbegriffen der Nizza-Klassifikation sei dabei zulässig, sofern diese eine eindeutige Identifizierung der erfassten Waren und Dienstleistungen zulassen. Verwendet ein Antragsteller sämtliche Oberbegriffe einer Klassenüberschrift, hat er zudem klarzustellen, ob der Schutz für alle von der Klasse erfassten Waren und Dienstleistungen beantragt wird.

Rechtliche Ausgangslage

Nach dem britischen Markengesetz (Trade Marks Act 1994) muss eine Markenanmeldung unter anderem eine „Angabe der Waren und Dienstleistungen, für die die Eintragung der Marke begehrt wird“, enthalten (Übersetzung gemäss EuGH-Urteil, Rz. 20). Andere EU-Mitgliedstaaten, aber auch die Schweiz, kennen gleiche oder ähnliche Vorschriften (vgl. für das schweizerische Recht Art. 11 Abs. 1 MSchV). Der Schutzumfang einer Marke ist also grundsätzlich davon abhängig, für welche Waren und Dienstleistungen er beantragt wird. Dabei ist die so genannte Nizza-Klassifikation zu beachten (Art. 11 Abs. 2 MSchV). Diese dient zur Klassifizierung der Waren und Dienstleistungen. Sie sieht eine Einteilung der Waren in 34 Warenklassen und 11 Dienstleistungsklassen vor und umfasst rund 12‘000 Begriffe. Die Nizza-Klassifikation sagt aber nichts über die Gleichartigkeit von Waren aus, welche für die Beurteilung der Verwechslungsgefahr zwischen Marken eine wichtige Rolle spielt (vgl. Art. 3 Abs. 1 MSchG und Art. 2 Abs. 1 Nizza-Klassifikations-Abkommen). Waren derselben Klasse sind nicht zwingend gleichartig, Waren verschiedener Klassen aber auch nicht zwingend nicht gleichartig.

Im Urteil C-307/10 vom 19. Juni 2012 befasst sich der EuGH mit der Frage, welche Anforderungen an die Angabe der Waren und Dienstleistungen zu stellen sind. Der EuGH betont in seiner Pressemitteilung die Bedeutung des Entscheids, da sich die Praxis der nationalen Markenämter und der europäischen Behörde, dem Harmonisierungsamts für den Binnenmarkt (HABM), in letzter Zeit auseinander entwickelt hätten, was teilweise zu zuwiderlaufenden Voraussetzungen für die Eintragung führte.

Hintergrund

Grundlage des EuGH-Urteils bietet der folgende Fall: Das Chartered Institute of Patent Attorneys (CIPA) meldete die Bezeichnung „IP TRANSLATOR“ als nationale Marke an. Zur Angabe der von der Anmeldung erfassten Waren und Dienstleistungen verwendete das CIPA sämtliche Oberbegriffe der Überschrift von Klasse 41 der Nizza-Klassifikation. Diese lauten „Erziehung; Ausbildung; Unterhaltung; sportliche und kulturelle Aktivitäten“.

Das für die Registrierung zuständige Markenamt wies die Anmeldung zurück, da diese im Rahmen einer Gesamtbetrachtung auch alle nicht namentlich erwähnten Dienstleistungen der Nizza-Klasse 41 erfasse. Somit seien auch Übersetzungsdienstleistungen erfasst, für welche die Bezeichnung „IP TRANSLATOR“ beschreibend und nicht unterscheidungskräftig sei. Das CIPA hatte nicht beantragt, solche Dienstleistungen von seiner Anmeldung auszuschliessen. Aus diesem Grund wurde die Markenanmeldung aufgrund von Art. 3 Abs. 1 Bst. b und c der Richtlinie 2008/95 (Markenrichtlinie) beziehungsweise den entsprechenden Vorschriften im nationalen Recht zurückgewiesen. Der genannte Artikel besagt insbesondere, dass Marken nicht eingetragen werden können, wenn sie für die einzutragenden Waren und Dienstleistungen beschreibend sind oder keine Unterscheidungskraft haben. Gegen diesen Entscheid ergriff das CIPA ein Rechtsmittel und gelangte schliesslich an das höchste Zivilgericht Grossbritanniens (High Court of Justice of England and Wales). Dieses legte dem EuGH zur Vorabentscheidung die Frage vor, mit welchem Grad der Klarheit die von der Markenanmeldung erfassten Dienstleistungen und Waren angegeben werden müssen und ob die Oberbegriffe der Klassenüberschriften der Nizza-Klassifikation dafür verwendet werden können.

Angabe muss möglichst klar und eindeutig sein

Der EuGH hielt in seinem Urteil fest, dass Waren und Dienstleistungen, für welche der Markenschutz beantragt wird, möglichst klar und eindeutig beschrieben werden müssen. Die Angabe muss zum einen den zuständigen Behörden ermöglichen, eine Vorprüfung vornehmen zu können. Zum anderen muss die Angabe andere Wirtschaftsteilnehmer, namentlich Konkurrenten, in die Lage versetzen, zu erkennen, welche Eintragungen und Anmeldungen ihre aktuellen oder potenziellen Wettbewerber vorgenommen haben. Nur auf diese Weise können sie Informationen über die Rechte Dritter erlangen und beispielsweise mögliche Rechtsverletzungen vermeiden. Zusammengefasst hielt der EuGH fest, dass die Erfordernisse an die Klarheit dann erfüllt sind, wenn die Behörden und Wirtschaftsbeteiligten alleine auf Grundlage der genannten Angaben den Umfang des Markenschutzes bestimmen können.

Verwendung von Oberbegriffen der Nizza-Klassifikation nicht in jedem Fall zulässig

Der Gerichtshof entschied weiter, dass die Oberbegriffe der Klassenüberschriften für die Angabe der Waren und Dienstleistungen verwendet werden können. Eine solche Angabe müsse jedoch wiederum so klar und eindeutig sein, dass die Behörden und Wirtschaftsteilnehmer den Schutzumfang bestimmen können. Der EuGH präzisierte ergänzend, dass nicht alle Oberbegriffe diesen Ansprüchen an die Klarheit und Eindeutigkeit genügen, da sie teilweise zu allgemein formuliert seien und sehr unterschiedliche Waren und Dienstleistungen erfassen. Es sei deshalb Sache der zuständigen Behörden, im Einzelfall zu entscheiden, ob die Oberbegriffe die Erfordernisse an Klarheit und Eindeutigkeit erfüllen oder nicht und ob deren Benutzung zulässig ist oder nicht.

Weiter äusserte sich der EuGH zur Frage, ob bei einer Nennung aller Oberbegriffe einer Klassenüberschrift sämtliche in diese Klasse fallenden Waren und Dienstleistungen erfasst sind. In solchen Fällen müsse der Anmelder klarstellen, ob sich seine Anmeldung auf sämtliche Waren oder Dienstleistungen der jeweiligen Klasse bezieht oder nicht. Fehlt eine solche Klarstellung, genügt die Anmeldung den Anforderungen an Klarheit und Eindeutigkeit nicht.

Bedeutung des Entscheids für die Schweiz

Die Schweiz ist nicht Mitglied der EU, weshalb der Entscheid für die Schweizer Gerichte und Behörden keine direkte Wirkung hat. Soweit ersichtlich hat wurde die vorliegende Frage in der Schweiz noch nicht höchstrichterlich entschieden. Die schweizerischen Vorschriften entsprechen aber im Wesentlichen denjenigen der EU (vgl. z.B. Art. 2 MSchG). Auch die Schweiz hat das Nizza-Klassifikations-Abkommen unterzeichnet hat.

In der Schweiz hat das für Markenregistrierungen zuständige Eidgenössische Institut für Geistiges Eigentum (IGE) die Richtlinien in Markensachen (nachfolgend: IGE-Richtlinien) herausgegeben, welche sich unter anderem mit der Verwendung von Oberbegriffen der Nizza-Klassifikation befassen (vgl. Teil 1, Ziff. 4.3; S. 30 f. der IGE-Richtlinien). Demnach erachtet das IGE die Verwendung von Oberbegriffen als genügend präzise. Eine Ausnahme sieht das IGE nur für die Klasse 45 vor, in welcher das IGE einen Oberbegriff («persönliche und soziale Dienstleistungen betreffend individuelle Bedürfnisse») als nicht genügend präzise erachtet. Auch bei Verwendung der Oberbegriffe werden jedoch nur diejenigen Waren abgedeckt, welche sich diesen mittels Auslegung zuordnen lassen. Anders als im Entscheid des EuGH gilt in der Praxis des IGE deshalb, dass selbst bei Beanspruchung sämtlicher Oberbegriffe nicht zwingend sämtliche in einer Klasse vorkommenden Waren oder Dienstleistungen erfasst werden.

Gemäss Botschaft hat sich der Gesetzgeber beim Erlass des Markenschutzgesetzes bewusst am EU-Markenrecht orientiert und das MSchG europakompatibel ausgestaltet (vgl. Botschaft zum MSchG, S. 2 und 58). Auch die Rechtsprechung orientiert sich immer stärker an der Rechtsprechung des EuGH, vgl. z.B. BGE 134 III 547, Erw. 2.3.4 oder BGE 128 III 454, Erw. 2.1). Es ist deshalb nicht auszuschliessen, dass das IGE seine Praxis angesichts des aktuellen EuGH-Entscheids ändern wird.

Weitere Informationen:

Ansprechpartner: Adrian Süess


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