EuGH: Anwaltsgeheimnis gilt nicht für unternehmensinterne Rechtsanwälte


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Der unternehmens- oder konzerninterne Schriftwechsel mit angestellten Rechtsanwälten ist im Bereich des Wettbewerbsrechts nicht durch das Anwaltsgeheimnis geschützt. Dies hat der EuGH in seinem Urteil vom 14. September 2010 in Sachen Akzo Nobel entschieden. Er bestätigte damit die Grundsätze aus einem Urteil aus dem Jahre 1982, wonach der Schutz der Vertraulichkeit nur für die Kommunikation mit unabhängigen, d.h. nicht durch ein Beschäftigungsverhältnis an seinen Mandanten gebundenen, Rechtsanwälten gelte. Ein sog. Syndikusanwalt verfüge aufgrund seiner wirtschaftlichen Abhängigkeit und der engen Bindungen an seinen Arbeitgeber über keine berufliche Unabhängigkeit, die mit der eines externen Rechtsanwalts vergleichbar ist.

Der dem Urteil zugrunde liegende Sachverhalt betraf Nachprüfungen der EU-Kommission bei den Unternehmen Akzo Nobel Chemicals Ltd und Akcros Chemicals Ltd aufgrund des Verdachts auf kartellrechtswidrige Verhaltensweisen. Anlässlich der Durchsuchungen in den Geschäftsräumen haben die Bediensteten der Kommission Kopien von Schriftstücken angefertigt, welche nach Ansicht der beiden Unternehmen unter das Rechtsanwaltsgeheimnis fallen (legal professional privilege, LLP). Das Gericht der Europäischen Union (EuG, früher Gericht erster Instanz) stützte jedoch das Vorgehen der Kommission und wies die Klage der Unternehmen ab. Daraufhin haben die unterliegenden Parteien das Urteil beim Europäischen Gerichtshof (EuGH) angefochten.

Zu Beginn seiner Erwägungen verwies der EuGH auf ein Urteil aus dem Jahre 1982 in Sachen AM & S Europe/Kommission. Darin entschied der Gerichtshof, dass die Vertraulichkeit der Kommunikation zwischen Rechtsanwalt und Mandant auf der Ebene der Europäischen Gemeinschaft geschützt werden muss, wenn zwei Voraussetzungen vorliegen. Zum Einen müsse der Schriftwechsel mit dem Rechtsanwalt mit der Ausübung des Rechts des Mandanten auf Verteidigung in Zusammenhang stehen und zum Anderen müsse es sich um einen unabhängigen, d.h. nicht durch einen Arbeitsvertrag an den Mandanten gebundenen, Rechtsanwalt handeln.

Diese Grundsätze hat der EuGH nun trotz des Widerstands zahlreicher internationaler und nationaler Anwaltsverbände bestätigt. Nach der Auffassung des EuGH erstreckt sich der aus dem Grundsatz der Vertraulichkeit fliessende Schutz auch weiterhin nicht auf den unternehmens- oder konzerninternen Schriftwechsel mit Syndikusanwälten. Unabhängig von den im vorliegenden Fall geltenden nationalen Berufsregeln könne ein Syndikusanwalt nicht mit einem externen Rechtsanwalt gleichgestellt werden, da er sich in der Situation eines abhängig Beschäftigten befinde, die es naturgemäss nicht zulasse, dass er von seinem Arbeitgeber verfolgte Geschäftsstrategien ausser Acht lasse, sodass ihm die erforderliche berufliche Unabhängigkeit fehle.

Der EuGH lehnte auch die Argumente der beiden Unternehmen ab, wonach die einschlägigen nationalen Vorschriften der Mitgliedsstaaten im Vergleich zum Jahre 1982 vermehrt die Kommunikation mit internen Rechtsanwälten schützen würden. Der EuGH betonte wie bereits das EuG, dass in den Rechtsordnungen keine überwiegende Tendenz in diese Richtung feststellbar sei. Dementsprechend habe sich die Rechtslage in den Mitgliedsstaaten nicht derart geändert, dass eine Abweichung vom Urteil aus dem Jahre 1982 angezeigt wäre.

Aus Schweizer Sicht ist das Urteil nicht nur für in der EU tätige Unternehmen interessant, sondern auch aufgrund der Tatsache, das der schweizerische Gesetzgeber kürzlich auf ein Unternehmensjuristengesetz verzichtet hat, worin das Anwaltsgeheimnis auf unternehmensinterne Anwälte ausgedehnt worden wäre (vgl. BR-News vom 7.6.2010).

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