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Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat in einem kürzlich ergangenen Urteil seine Rechtsprechung zur Unzulässigkeit einer allgemeinen Filterpflicht für Hosting-Anbieter bestätigt. Nach dem neusten Urteil können auch Anbieter von sozialen Netzwerken nicht verpflichtet werden, ein sämtliche Benutzer erfassendes Filtersystem einzurichten, um die unzulässige Nutzung musikalischer sowie audiovisueller Werke zu verhindern.
Sachverhalt und Ausgangsrechtsstreit
Der zu beurteilende Rechtsstreit (C-360/10) begann vor rund drei Jahren in Belgien. Die belgische Verwertungsgesellschaft für Urheberrechte (SABAM) hatte im Juni 2009 eine Klage gegen das soziale Netzwerk Netlog eingereicht. Bei diesem Netzwerk handelt es sich um eine soziale Plattform mit täglich rund 10 Millionen Nutzern. In dieser erhält jede angemeldete Person einen persönlichen Bereich, ein so genanntes Profil, zur Verfügung gestellt. Die Nutzer können das Profil selbst mit Inhalten füllen und diese mit anderen Nutzern teilen. Dabei ist nicht ausgeschlossen, dass auch urheberrechtlich geschützte musikalische oder audiovisuelle Werke auf diesen Profilen erscheinen und damit der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden.
Aus diesem Grund klagte SABAM gegen den Netzwerkbetreiber und forderte, dass Netlog ab sofort jede unzulässige Zurverfügungstellung musikalischer und audiovisueller Werke aus dem Repertoire von SABAM zu unterlassen bzw. zu verhindern habe. Netlog wendete dagegen ein, dass es sich bei einer solchen Unterlassungsanordnung um eine nach Unionsrecht unzulässige allgemeine Überwachungspflicht handeln würde.
Vor diesem Hintergrund hat das zuständige belgische Gericht den EuGH angerufen und diesen angefragt, ob das Unionsrecht eine solche Unterlassungsanordnung verbiete.
Bestätigung der «Scarlet-Rechtsprechung»
In der Begründung seines Entscheids vom 16. Februar 2012 (C-360/10) verweist der EuGH grösstenteils auf die Erwägungen im Urteil im Fall Scarlet Extended (C-70/10, vgl. BR-News vom 05.12.2011). Damit bestätigt er seine Rechtsprechung und weitet sie auf die Anbieter von sozialen Netzwerken aus.
Der Gerichtshof hielt fest, dass eine Erfüllung der Unterlassungsanordnung eine aktive Überwachung der von den Nutzern gespeicherten Daten erfordern würde. Konkret würde die Einführung eines entsprechenden Filtersystems bedeuten, dass Netlog unter sämtlichen Inhalten, die von den Nutzern gespeichert werden, diejenigen ermitteln müsste, die geschützte Werke enthalten könnten. Danach hinaus müsste Netlog ermitteln, welche dieser Dateien in unzulässiger Weise gespeichert und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurden und schliesslich solche Inhalte blockieren. Netlog würde dadurch nach Ansicht des EuGH zu einer präventiven allgemeinen Überwachung sämtlicher Inhalte verpflichtet. Dies sei nach der Rechtsprechung des EuGH in Anwendung der Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr (Richtlinie 2000/31/EG) unzulässig. Darüber hinaus sei eine solche Anordnung auch deshalb unzulässig, weil sie kein angemessenes Gleichgewicht zwischen dem Recht am geistigen Eigentum einerseits und dem Recht auf den Schutz personenbezogener Daten, dem Recht auf das freie Senden und Empfangen von Informationen sowie der unternehmerischen Freiheit andererseits gewährleisten würde.
Soziale Netzwerke sind somit anderen Hosting-Anbietern gleichgestellt und auch sie können nicht zu einer allgemeinen Überwachung der auf ihren Servern gespeicherten Inhalte verpflichtet werden. Dies gilt jedoch nur dann, wenn es sich beim Filtersystem um eine präventive Überwachung handelt, die unterschiedslos auf alle Nutzer anwendbar ist, allein auf Kosten des Hosting-Anbieters und zeitlich unbegrenzt erfolgt. Weitere Einzelheiten finden Sie in unserem Beitrag zum EuGH-Urteil im Fall Scarlet Extended.
Weitere Informationen:
- Urteil C-360/10 vom 16. Februar 2012
- Pressemitteilung des EuGH vom 16. Februar 2012
- BR-News: „EuGH: Pflicht für Access-Provider zur Filterung von widerrechtlichem Austausch in P2P-Netzwerken ist unzulässig“
Ansprechpartner: Lukas Bühlmann