EuGH äussert sich erneut zur Privatkopieausausnahme im Urheberrecht


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Der Europäische Gerichtshof (EuGH) befasste sich vor kurzem zum zweiten Mal innerhalb eines Jahres mit der sog. Privatkopieausnahme (vgl. BR-News vom 13.12.2010). Diese sieht vor, dass die Mitgliedsstaaten verpflichtet sind, die Zahlung eines angemessenen Ausgleichs an die Urheberrechtsinhaber vorzusehen, sofern ihr Recht es erlaubt, private Kopien urheberrechtlich geschützter Werke anzufertigen. Der EuGH ergänzt und präzisiert seine Rechtsprechung in dem Sinne, dass derjenige Mitgliedstaat, in welchem den Urhebern ein Schaden durch den Privatgebrauch entsteht, zu gewährleisten hat, dass diese einen angemessenen Ausgleich für den erlittenen Schaden erhalten. Dies gilt selbst dann, wenn der Schuldner der Abgabe in einem anderen Mitgliedstaat ansässig ist.

Dem Entscheid, der aufgrund eines durch das oberste Gericht der Niederlande vorgelegten Vorabentscheidungsersuchens gefällt wurde, liegt folgender Sachverhalt zu Grunde: Eine Gesellschaft mit Sitz in Deutschland (Opus Supplies Deutschland GmbH, «Opus») vertreibt über das Internet Rohlinge für leere Vervielfältigungsdatenträger. Diese werden mittels einer niederländischsprachigen Website beworben und hauptsächlich an Kunden in den Niederlanden exportiert. Da Opus weder in Deutschland noch in den Niederlanden eine sog. Privatkopievergütung bezahlt, reichte die niederländische Verwertungsgesellschaft (Stichting de Thuiskopie) Klage gegen Opus ein. Diese sei Schuldnerin der Abgabe, da die Erhebung bei den Endverbrauchern in der Praxis unmöglich sei. Sie sei deshalb als Importeurin Schuldnerin der Vergütung. Opus bestritt dies und stellte sich auf den Standpunkt, dass aufgrund der Vertragsbedingungen die Endverbraucher als Importeure zu gelten hätten und sie daher die Abgabe zu entrichten hätten.

Der EuGH stellte vorab fest, dass die EU-Richtlinie, in welcher die Privatkopieausnahme und -vergütung geregelt sind, sich nicht dazu äussere, ob der Importeur oder der Hersteller Schuldner der Vergütung sei. Die Bestimmungen der Richtlinie würden allerdings denjenigen Mitgliedsstaat verpflichten, in dessen Hoheitsgebiet den Urhebern ein Schaden entstanden ist. Der Schaden entstehe grundsätzlich in demjenigen Mitgliedstaat, in welchem der Endverbraucher ansässig sei. Hat ein Mitgliedstaat eine Privatgebrauchsvergütung eingeführt, sei er deshalb verpflichtet, eine wirksame Erhebung zu gewährleisten. Der EuGH hält weiter fest, dass es den Mitgliedsstaaten freistehe, eine Vergütung für Privatkopien zu Lasten derjenigen Personen einzuführen, welche den Endnutzern Anlagen, Geräte oder Medien zur Vervielfältigung zur Verfügung stellen, denn diese seien oft in der Lage, diese Vergütungen an die Endnutzer zu überwälzen. Eine direkte Einforderung beim Endverbraucher hingegen sei – insbesondere im vorliegenden Fall – nur mit grossem Aufwand denkbar und in der Praxis fast unmöglich. Im Rahmen eines solchen Systems hätten deshalb die gewerblich handelnden Schuldner die Abgabe für Privatkopien zu leisten (mit Verweis auf und Bestätigung des Urteils vom 21. Oktober 2010, vgl. BR-News vom 13.12.2010).

Es stehe vorliegend fest, dass der Schaden in den Niederlanden entstanden sei, da die Endnutzer der Leerdatenträger in diesem Land wohnhaft seien. Somit seien die Niederlande verpflichtet, zu gewährleisten, dass die Vergütung erhoben werde und die Urheberrechtsinhaber entsprechend entschädigt würden. Dass die Herstellerin, wie im vorliegenden Fall die Opus, in einem anderen Mitgliedsstaat ansässig sei, habe keinen Einfluss auf diese Verpflichtung. Falls das nationale Recht die Erhebung eines gerechten Ausgleichs nicht gewährleisten könne, sei es Sache der Gerichte, das Recht so auszulegen, dass es im Einklang mit der Verpflichtung der Mitgliedstaaten stehe. So haben sie insbesondere in den Fällen wie dem vorliegenden sicherzustellen, dass bei praktischer Unmöglichkeit der Erhebung bei den Endverbrauchern eine Möglichkeit besteht, die Abgabe beim gewerblich handelnden Schuldner zu erheben. Dies treffe auch dann zu, wenn dieser in einem anderen Mitgliedsstaat ansässig ist.

Weitere Informationen:

Ansprechpartner: Lukas Bühlmann & Giuseppe Di Marco


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