EuGH: Bedingte Gewinnversprechen sind auch dann unlauter, wenn der Kunde nur geringfügige Kosten zu übernehmen hat


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Wer Gewinnversprechen abgibt, hat sowohl in der EU als auch in der Schweiz besondere rechtliche Vorgaben zu beachten. In der EU sind sie unter anderem dann unlauter, wenn der „Gewinner“ für die Inanspruchnahme des Gewinns Kosten zu übernehmen hat. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat kürzlich entschieden, dass solche Gewinnversprechen in der EU auch dann verboten sind, wenn die Kosten, die der Konsument zu leisten hat, im Verhältnis zum Wert des Preises nur geringfügig sind – wie beispielsweise die Kosten für eine Briefmarke. Die genannten Geschäftspraktiken sind gemäss EuGH selbst dann verboten, wenn mehrere Möglichkeiten bestehen, den Gewinn in Anspruch zu nehmen und lediglich eine davon gratis ist oder dem anbietenden Unternehmen keinerlei Vorteile bringt. In der Schweiz gilt seit April 2012 eine ähnliche, wenn auch nicht identische Vorschrift. Nach aktuellem Stand ist naheliegend, dass die schweizerischen Gerichte einen entsprechenden Fall ähnlich beurteilen würden wie der EuGH, auch wenn dessen Rechtsprechung hierzulande keine direkte Wirkung entfaltet.

Rechtlicher Hintergrund

In der Richtlinie 2005/29/EG werden zahlreiche unlautere Geschäftspraktiken für unzulässig erklärt. Unter anderem verbietet sie so genannte Gewinnversprechen, also Geschäftspraktiken, die bei Konsumenten den falschen Eindruck erwecken, sie hätten einen Preis gewonnen, obwohl die Inanspruchnahme des Preises von der Zahlung eines Betrags oder der Übernahme von Kosten abhängig gemacht wird (vgl. Richtlinie 2005/29/EG, Anhang I, Nr. 31).

Britische Wettbewerbsbehörde verbietet Geschäftspraktiken

In seinem Urteil C-428/11 hatte sich der Europäische Gerichtshof mit solchen Gewinnversprechen auseinanderzusetzen. Ausgangspunkt war ein Rechtsstreit zwischen der britischen Wettbewerbsbehörde (Office of Fair Trading) und diversen britischen Unternehmen. Diese Unternehmen betrieben Geschäftspraktiken, die insbesondere darin bestanden, die Konsumenten durch individuelle Briefe, Rubbelkarten und andere Werbebeilagen in Zeitungen oder Zeitschriften, über angeblich gewonnene Preise zu informieren. Bei den Preisen handelte es sich um solche mit teilweise beträchtlichem, teilweise nur symbolischem Wert. Der Adressat hatte sodann die Möglichkeit, zwischen mehreren Vorgehensweisen auszuwählen, um herauszufinden, was er gewonnen hatte und eine Gewinnnummer zu erhalten. Er hatte dazu die Wahl zwischen dem Anruf auf eine Mehrwertnummer, der Nutzung eines Mehrwert-SMS-Dienstes oder dem normalen Postweg.

Als Beispiel genannt wird ein Werbemailing, in welcher der Gewinn einer Mittelmeerkreuzfahrt angekündigt wurde. Um diesen „Gewinn“ in Anspruch nehmen zu können, mussten sich die „Gewinner“ verpflichten, einen Teil der Reisekosten, allfällige Zimmer-Zuschläge, die Verpflegungskosten sowie die Hafengebühren selbst zu bezahlen. Diese Kosten beliefen sich auf rund 400 britische Pfund pro Person.

Das Office of Fair Trading hat die Unternehmen darauf aufgefordert, diese Praktiken einzustellen, was diese vor den britischen Gerichten angefochten haben. Der Rechtsstreit landete im Rahmen eines Vorabentscheidungsverfahrens schliesslich vor dem EuGH.

EuGH: Geschäftspraktiken immer unlauter, Höhe der Kosten nicht entscheidend

Es stellte sich vor dem EuGH die Frage, ob solche Gewinnversprechen auch dann als unlauter zu qualifizieren sind, wenn der Betrag, der den Konsumenten auferlegt wird, vergleichsweise gering ist. Der Gerichtshof bejahte diese Frage und entschied, dass das Unionsrecht aggressive Geschäftspraktiken verbietet, mit denen den Konsumenten vermittelt werde, sie hätten einen Preis gewonnen, sie aber für dessen Inanspruchnahme gewisse Kosten zu übernehmen oder gewisse Handlungen (wie etwa die Erkundigung nach der Art des Preises) vorzunehmen haben.

Die Höhe der auferlegten Kosten sei dabei nicht relevant. So sind solche Geschäftspraktiken nach Ansicht des EuGH auch dann verboten, wenn die Kosten im Verhältnis zum Wert des Preises verhältnismässig gering sind – wie beispielsweise die Kosten für eine Briefmarke. Darüber hinaus entschied der EuGH, dass Gewinnversprechen selbst dann verboten sind, wenn dem Konsumenten mehrere Möglichkeiten zur Verfügung stehen, den Preis in Anspruch zu nehmen, auch wenn eine davon kostenlos ist oder sie dem Unternehmen – wie bei der Briefmarke – keinerlei Vorteile bringen. Sobald eine oder mehrere Vorgehensweisen für die Inanspruchnahme des Preises die Kostenübernahme durch den Konsumenten vorsehen, sind Gewinnversprechen verboten.

Relevanz für schweizerische Unternehmen?

Da die Schweiz nicht Mitglied der EU ist, ist die oben genannte Richtlinie in der Schweiz nicht anwendbar. Der Entscheid ist für schweizerische Unternehmen aber mindestens insoweit relevant, als diese Gewinnversprechen an Konsumenten in der EU abgeben.

Die Schweiz ihrerseits kennt seit dem Inkrafttreten der UWG-Revision am 1. April dieses Jahres aber eine ähnliche Vorschrift. In der Schweiz gelten Gewinnversprechen dann als unlauter, wenn die Einlösung des Gewinns die Inanspruchnahme einer kostenpflichtigen Mehrwertdienstnummer, die Leistung einer Aufwandentschädigung, den Kauf einer Ware oder Dienstleistung oder die Teilnahme an einer Verkaufsveranstaltung, Werbefahrt oder einer weiteren Verlosung erfordert (Art. 3 Abs. 1 Bst. t UWG; vgl. BR-News vom 27. Juni 2011).

Die deutliche Abweichung vom Wortlaut der EU-Vorschrift könnte darauf schliessen lassen, dass der Schweizer Gesetzgeber bewusst weniger weit gehen wollte als die EU-Regelung. Da jedoch in den parlamentarischen Beratungen sogar darauf hingewiesen wurde, dass auf EU-Ebene kein vergleichbares Verbot bestehe, kann jedoch daran gezweifelt werden. Klar ist jedenfalls, dass der Gesetzgeber die neuen UWG-Bestimmungen ausdrücklich „eurokompatibel“ ausgestalten wollte.

Vor diesem Hintergrund kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Schweizer Gerichte einen entsprechenden Fall ähnlich beurteilen würden wie der EuGH und die Höhe der durch den Konsumenten zu leistenden Aufwandentschädigung auch in der Schweiz als nicht relevant angesehen würde. Werden Gewinnversprechen abgegeben, bei denen der Kunde gewisse Kosten zu übernehmen hat oder die an sonstige Bedingungen geknüpft sind, ist jedenfalls auch in der Schweiz Vorsicht geboten: Verstösse gegen die UWG-Vorschriften können neben zivilrechtlichen auch strafrechtliche Folgen haben und mit Freiheitsstrafen bis zu drei Jahren oder Geldstrafen geahndet werden (Art. 23 UWG).

Weitere Informationen:

Ansprechpartner: Lukas Bühlmann & Michael Schüepp


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