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Das EU-Recht schreibt Anbietern von Online-Shops vor, dass sie den Konsumenten gewisse Informationen erteilen müssen. Dazu gehören insbesondere die Identität und Adresse des Anbieters, der Preis sowie Informationen über das Widerrufsrecht. Diese Angaben müssen dem Konsumenten vor Vertragsschluss zugänglich gemacht und nach Vertragsschluss bestätigt werden. Eine solche Bestätigung muss in schriftlicher Form oder auf einem dauerhaften Datenträger erfolgen. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hatte sich mit der Frage auseinanderzusetzen, ob es ausreichend ist, wenn diese Informationen mit einem Link auf eine Website des Anbieters zugänglich gemacht werden, unter welchem alle relevanten Informationen abgerufen werden können. Der Gerichtshof kommt zum Schluss, dass dies nicht ausreichend sei, da es sich bei der Website, auf welche der Link verweist, nicht um einen dauerhaften Datenträger im Sinne der Richtlinie handle. Weiter müsse der Konsument die Informationen auch dann einsehen können, wenn er sich rein passiv verhalte. Das aktive Anklicken eines Links könne deshalb nicht vorausgesetzt werden.
Rechtlicher Rahmen: Fernabsatzrichtlinie und nationales Konsumentenschutzgesetz
Art. 4 der Fernabsatzrichtlinie (Richtlinie 97/7/EG) schreibt Anbietern von Online-Shops vor, dass sie den Konsumenten gewisse Informationen erteilen müssen. Insbesondere müssen die Konsumenten über die Identität des Anbieters, die wesentlichen Eigenschaften der angebotenen Waren oder Dienstleistungen, den Preis einschliesslich aller Steuern sowie das Bestehen des Widerrufsrechts informieren. Spätestens nach Vertragsschluss müssen den Konsumenten diese Informationen schriftlich oder auf einem dauerhaften Datenträger zugänglich gemacht werden (Art. 5 Fernabsatzrichtlinie). Die Vorgaben der Fernabsatzrichtlinie wurden nahezu unverändert in das nationale österreichische Recht übernommen (vgl. Konsumentenschutzgesetz, §§5a-5j).
Informationen nur über Link abrufbar
Der EuGH hatte in seinem Urteil einen Rechtsstreit zwischen der Content Services Ltd und der Bundesarbeitskammer, einer österreichischen Konsumentenschutzeinrichtung zu beurteilen. Die Content Services Ltd bietet auf ihrer Website unter anderem Gratissoftware und Testversionen von Bezahlsoftware an. Um die Website nutzen zu können, müssen interessierte Personen sich anmelden. Diese Anmeldung kostet die Nutzer 96 Euro für einen zwölfmonatigen Zugang. Bei der Anmeldung müssen die Benutzer durch Ankreuzen eines bestimmten Feldes im Anmeldeformular bestätigen, dass sie die Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) akzeptieren und auf ihr Widerrufsrecht verzichten. Die in Art. 4 und 5 Fernabsatzrichtlinie vorgesehenen Informationen werden den Nutzern dabei nicht direkt angezeigt. Sie können diese aber über einen Link abrufen, welcher sie auf einen Teil der Website von Content Services Ltd führt. Dieser Hyperlink ist auf der für den Vertragsschluss auszufüllenden Seite vorhanden. Zudem wird der Link den Konsumenten mit der E-Mail zugestellt, in welcher ihnen Benutzername und Kennwort mitgeteilt werden.
Die Bundesarbeitskammer leitete ein Gerichtsverfahren ein, da die Informationen nach Art. 5 der Fernabsatzrichtlinie nicht rechtsgenügend erteilt worden seien. Nach Ansicht der Bundesarbeitskammer seien die Informationen nicht wie von der Richtlinie bzw. dem österreichischen Konsumentenschutzgesetz gefordert dauerhaft verfügbar, da die Website, auf welche der Link verweist, jederzeit geändert werden könne. Der EuGH hatte deshalb zu beurteilen, ob es den Anforderungen der Richtlinie genügt, wenn die Informationen auf diese Weise zugänglich gemacht werden.
Passives Verhalten des Konsumenten muss ausreichen
In seinem Urteil (C-49/11) hält der EuGH fest, dass der Wortlaut von Art. 5 der Fernabsatzrichtlinie von „erteilen“ und „erhalten“ der Informationen spricht. Dabei sei nach Ansicht des Gerichts keine besondere Handlung des Empfängers nötig. Er könne sich mithin passiv verhalten. Werden die Informationen dem Konsumenten jedoch nur via Link zur Verfügung gestellt, sei er zum Handeln gezwungen, um diese zu lesen. Er müsse auf jeden Fall den Link anklicken. Die Bestimmungen der Fernabsatzrichtlinie seien so auszulegen, dass Informationen, die nur durch einen Link zugänglich gemacht werden, nicht im Sinne der Richtlinie „erteilt“ werden. Darüber hinaus habe der Konsument die Informationen nicht wie gefordert „erhalten“, wenn er zu einem aktiven Handeln gezwungen sei.
Website ist kein dauerhafter Datenträger
Zum Abschluss hatte der EuGH noch zu prüfen, ob es sich bei einer Website, auf welcher die Informationen zugänglich gemacht werden, um einen „dauerhaften Datenträger“ im Sinne der Fernabsatzrichtlinie handelt. Aus den Verfahrensakten sei gemäss Gerichtshof nicht erkennbar, ob die Website, auf die der mitgeteilte Link verwies, dem Konsumenten ermöglicht, die Informationen zu speichern, so dass sie in einem späteren Zeitpunkt wieder abrufbar wäre, ohne dass eine einseitige Änderung des Anbieters möglich ist. Der EuGH hielt deshalb fest, dass die Website der Content Services Ltd sei aus diesem Grund nicht als dauerhafter Datenträger im Sinne der Richtlinie anzusehen.
Geschäftspraxis nicht richtlinienkonform
Zusammenfassend hielt der EuGH fest, dass die Geschäftspraxis der Content Services Ltd, nach welcher die Informationen nur via Hyperlink zur Verfügung gestellt werden, den Anforderungen des EU-Rechts nicht genüge. In solchen Fällen seien die Informationen nicht „erteilt“ und der Konsument habe sie nicht „erhalten“. Darüber hinaus stelle die Website, auf welche der Link verweist, keinen dauerhaften Datenträger dar.
Bedeutung für Schweizer Online-Shops
Obwohl die Schweiz nicht Teil der EU ist, betrifft der Entscheid auch schweizerische Anbieter von Online-Shops, zumindest dann, wenn diese in die EU liefern oder ihren Shop (auch) auf das Ausland ausgerichtet haben. In diesen Fällen haben sie das EU-Recht und dessen Umsetzung im nationalen Recht anzuwenden. Es reicht somit auch für schweizerische Online-Shops nicht aus, beispielweise die Informationen zum Widerrufsrecht nur via Link zu erteilen.
Weitere Informationen:
- Urteil C-49/11 des EuGH vom 5. Juli 2012
- Richtlinie 97/7/EG (Fernabsatzrichtlinie)
- Konsumentenschutzgesetz (Österreich)
- BR-News: Inkrafttreten des deutschen Button-Gesetzes – Bedeutung für Schweizer Online-Shops
- BR-News: Missbräuchliche AGB nach der UWG-Revision – „graue Liste“ unzulässiger Klauseln auch in der Schweiz?
- BR-News: DE: Einführung der Button-Lösung und neuer Informationspflichten
- BR-News: Handelszeitung-Special: Beitrag zu grundlegenden rechtlichen Anforderungen für Shop-Betreiber
- BR-News: DE-Widerrufsrecht: Änderung der Regelung zu Wertersatz und neue Muster-Widerrufsbelehrung
Ansprechpartner: Lukas Bühlmann