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Damit eine eingetragene Marke ihre Gültigkeit nicht verliert, muss sie bekanntlich innerhalb der Schonfrist von fünf Jahren in der hinterlegten Form gebraucht werden. Dabei ist unter Umständen auch ein Gebrauch in einer leicht abweichenden Form ausreichend. Kürzlich hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) entschieden, dass der Beweis dieses Gebrauchs in abweichender Form grundsätzlich auch durch den Nachweis der Benutzung einer anderen Marke erfolgen kann. Deshalb ist es beispielsweise nicht ausgeschlossen, dass der Gebrauch der Wortmarke PROTI durch den Nachweis der Verwendung der Marken PROTIPLUS oder Proti Power bewiesen wird. Vorausgesetz ist in der EU nur, dass die Abweichung zwischen der hinterlegten Form der Marke und der tatsächlich benutzten Form keinen Einfluss auf die Unterscheidungskraft der Marke hat. Die Frage, ob dies auch der Rechtslage in der Schweiz entspricht, ist umstritten.
Vorgeschichte
Ausgangspunkt der Entscheidung des Gerichtshofs war folgender Rechtstreit zwischen zwei deutschen Markeninhabern: Der Kläger war Inhaber der Ende der 90er-Jahre unter anderem für Eiweiss eingetragenen Wortmarken PROTI und PROTIPLUS sowie der Wort- und Bildmarke Proti Power. Im Februar 2003 erfolgte die Eintragung der Wortmarke Protifit des Beklagten für Nahrungsergänzungsmittel, Vitaminpräparate und diätetische Lebensmittel. Der Kläger beantragte in der Folge die Löschung dieser Marke. Er stützte sich dabei in erster Linie auf seine Marke PROTI und hilfsweise auf die anderen beiden Marken.
Der Beklagte wehrte sich gegen das Löschungsbegehren, indem er vorbrachte, dass die Marke PROTI nicht gebraucht wurde. Der Kläger war demgegenüber der Auffassung, er habe diese Marke durch die Verwendung der Bezeichnungen „PROTIPLUS“ und „Proti Power“ benutzt. Sowohl in erster als auch in zweiter Instanz wurde die Klage abgewiesen, weshalb der Kläger den Fall an den deutschen Bundesgerichtshof (BGH) weiterzog. Aufgrund von Zweifeln über die Interpretation der EU-rechtlichen Vorgaben unterbreitete dieser dem EuGH verschiedene Fragen zur Vorabentscheidung.
Entscheid des Europäischen Gerichtshofs
Im Vordergrund der Entscheidung des EuGH (C-553/11) standen die Vorschriften der Markenrichtlinie über die Benutzung einer Marke (Art. 10-12). Im Wesentlichen wird darin festgehalten, dass eine Marke ihre Gültigkeit verliert, wenn sie innerhalb von fünf Jahren in dem betreffenden Mitgliedstaat für die Waren oder Dienstleistungen, für die sie eingetragen ist, nicht ernsthaft benutzt worden ist. Als Benutzung gilt dabei auch die Verwendung der Marke in einer Form, die von der Eintragung nur in Bestandteilen abweicht, sofern die Abweichung keinen Einfluss auf die Unterscheidungskraft der Marke hat (Art. 10 Abs. 2 lit. a der ausgelaufenen Markenrichtlinie; Art. 10 Abs. 1 der geltenden Markenrichtlinie).
Vor diesem Hintergrund erklärte der EuGH in einem ersten Schritt die Bedeutung des Begriffs Unterscheidungskraft. Eine Marke sei unterscheidungskräftig, wenn sie geeignet ist, die Ware, für die die Eintragung beantragt wird, als von einem bestimmten Unternehmen stammend zu kennzeichnen und diese Ware somit von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden.
In einem nächsten Schritt zeigt der Gerichtshof auf, dass die Markenrichtlinie eine Benutzung von Marken in einer abweichenden Form nur dann nicht als ausreichend bezeichnet, wenn die Abweichung die Unterscheidungskraft der Marke beeinflusst. Eine weitere Voraussetzung sei nicht aufgestellt worden. Dementsprechend schliesse die Richtlinie nicht aus, dass die abweichende Form, in der die Marke benutzt wird, ihrerseits als Marke eingetragen ist.
Diesen Standpunkt unterstrich der Gerichtshof mit dem Hinweis auf den Zweck der Vorschrift. Die Richtlinie verlange für die Benutzung einer Marke keine strikte Übereinstimmung zwischen der im Handel verwendeten Form und der eingetragenen Form, weil den Unternehmen eine Anpassung an geänderte Anforderungen des Marktumfelds ermöglicht werden soll. Dieser Zweck würde gemäss EuGH jedoch in Frage gestellt, wenn für den Nachweis der Benutzung der eingetragenen Marke eine zusätzliche Voraussetzung aufgestellt wird.
Fazit und Blick auf die Rechtslage in der Schweiz
Somit steht fest, dass der Gebrauch einer Marke auch durch den Nachweis der Benutzung einer anderen Marke bewiesen werden kann. Der EuGH konnte den Rechtsstreit zwischen den deutschen Rechtsinhabern zwar nicht selbst entscheiden. Jedoch ging der Bundesgerichtshof (BGH) davon aus, dass die Bezeichnungen „PROTIPLUS“ und „Proti Power“ trotz ihrer Abweichungen von der Marke „PROTI“ den kennzeichnenden Charakter dieser Marke nicht veränderten und somit eine Benutzung der Marke „PROTI“ nachgewiesen ist. Der entsprechende Einwand der Beklagten und Inhaberin der Marke Protifit wird somit nicht erfolgreich sein.
In der Schweiz ist die Rechtslage umstritten. Die massgebenden Gesetzesvorschriften stimmen zwar im Wesentlichen mit denjenigen der EU überein. Nach dem Wortlaut ist es jedenfalls gleich wie in der EU nicht ausgeschlossen, dass der Gebrauch einer Marke durch den Nachweis der Benutzung einer anderen Marke bewiesen wird (vgl. Art. 11 Abs. 2 MSchG). Diese Interpretation hat das Bundesgericht jedoch in Übereinstimmung mit einzelnen Autoren und Gerichten in einem älteren, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlichten Entscheid abgelehnt. Bis zu einem gegenteiligen höchstrichterlichen Urteil, sollte sich ein Markeninhaber folglich nicht darauf verlassen, dass die Schweizer Gerichte sich dem Entscheid des EuGH anschliessen werden.
Weitere Informationen:
- Urteil des EuGH vom 25.10.2012 (C- 553/11)
- EU-Markenrichtlinie: alte Fassung (89/104/EWG); geltende Fassung (2008/95/EG)
- Schweizer Markenschutzgesetz (MSchG)
- BR-News: „EuG: Gebrauch einer Marke in der Schweiz gilt nie als Gebrauch in einem EU-Mitgliedstaat“
- BR-News: „BGer: Löschung einer Marke wegen fehlender Gebrauchsabsicht“
- BR-News: „BGer: Löschung einer bekannten Marke mangels Gebrauch in der Schweiz“
Ansprechpartner: Adrian Süess