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Der EuGH erklärte mit Entscheid vom 21. Mai 2015 die Annahme von allgemeinen Geschäftsbedingungen („AGB“) und damit der darin enthaltenen Gerichtsstandsvereinbarung mittels „ click-wrapping “ für wirksam. Mit dem Entscheid statuiert der EuGH die in der Praxis bei B2B-Geschäften bereits vielfach angewandte Annahme von AGB mittels „click-wrapping“ als zulässig. Der Entscheid führt zu mehr Rechtssicherheit und auch Vereinfachungen beim Vertragsabschluss im B2B E-Commerce.
Hintergrund
Ein Autohändler mit Sitz in Köln (Deutschland) kaufte online auf der Webseite einer Unternehmung mit Sitz in Amberg (Deutschland) ein Elektrokraftfahrzeug zu einem sehr günstigen Preis. Der Verkauf wurde von der Verkäuferin storniert, weil das Auto angeblich vor der Lieferung beschädigt wurde. Der Käufer erhob daraufhin in Deutschland Klage auf Übereignung des Fahrzeugs. Der Käufer hielt die Stornierung für eine vorgeschobene Behauptung der Verkäuferin, um den für sie aufgrund des niedrigen Kaufpreises ungünstigen Kaufvertrag zu beseitigen.
Der Käufer klagte beim zuständigen Gericht am Sitz der Verkäuferin in Deutschland. Die Verkäuferin als Beklagte bestritt jedoch die Zuständigkeit des Gerichtes und stützte sich hierbei auf die Gerichtsstandsvereinbarung in ihren AGB, welche die Gerichte in Leuven (Belgien) als ausschliesslich zuständig bestimmte. Die Verkäuferin begründet diesen Gerichtsstand auch damit, dass nicht sie, sondern ihre Muttergesellschaft mit Sitz in Belgien Vertragspartnerin des Käufers sei. Der Käufer habe davon gewusst. Er habe sich von der Muttergesellschaft in Belgien für Mehrwertsteuerzwecke eine Rechnung ausstellen lassen und den Kaufpreis für das Fahrzeug auf ein belgisches Konto überwiesen.
Annahme von AGB mittels „Click-Wrapping“
Kernthema des Entscheides des EuGH vom 21. Mai 2015 ist die Annahme bzw. der Einbezug von AGB – und damit auch der darin enthaltenen Gerichtsstandsvereinbarung – mittels „ click-wrapping “.
Im vorliegenden Fall wurde der Autokaufvertrag zwischen dem Käufer und der Verkäuferin direkt über die Webseite abgeschlossen. Der Käufer musste beim Online-Abschluss des Kaufvertrages durch Anklicken eines entsprechenden Feldes die Annahme der AGB der Verkäuferin erklären. Die Seite mit den AGB öffnet sich jedoch weder bei der Registrierung, noch bei den einzelnen Geschäftsabschlüssen automatisch. Um die AGB anzuzeigen, muss ein Feld mit dem Hinweis „Hier klicken, um die Liefer- und Zahlungsbedingungen in einem neuen Fenster zu öffnen“ angeklickt werden („ click-wrapping “).
Der Kläger bestritt die wirksame Annahme der AGB und damit der Gerichtsstandsvereinbarung mittels „click-wrapping“. Gemäss Art. 23 Abs. 1 Brüssel-I-Verordnung ist eine Gerichtsstandsvereinbarung nur wirksam, wenn sie schriftlich erfolgt. Dies sei vorliegend nicht der Fall gewesen, da sich die Seite mit den AGB nicht automatisch geöffnet habe.
„Click Wrapping“-Technik ist zulässig
Der EuGH hält die Annahme von AGB und damit auch von darin enthaltenen Gerichtsstandsvereinbarungen mittels „ click-wrapping “ für wirksam. Entscheidend sei, dass das „ click-wrapping “ das Ausdrucken und Speichern der AGB ermögliche. Nicht massgeblich sei dagegen, dass eine Reproduktion der AGB tatsächlich erfolge, noch dass sich die AGB bei der Registrierung oder den einzelnen Geschäftsabschlüssen automatisch öffnen.
Der EuGH befasste sich ausführlich mit der Auslegung von Art. 23 Abs. 1 und 2 der Brüssel-I-Verordnung. Er hielt hierzu fest, dass die Schriftformerfordernis für Gerichtsstandsvereinbarungen streng auszulegen sei. Das Schriftformerfordernis solle sicherstellen, dass zwischen den Parteien tatsächlich eine Einigung über den Gerichtsstand vorliegt.
Um die Entwicklung von neuen Kommunikationstechniken zu berücksichtigen, wurde in Art. 23 Abs. 2 der Brüssel-I-Verordnung eine Konkretisierung des Schriftformerfordernisses stipuliert. Mit dem neuen Absatz sollten gewisse Formen der elektronischen Übermittlung der Schriftform gleichgestellt werden, um den Abschluss von Verträgen auf elektronischem Weg zu erleichtern.
Gemäss EuGH ist es mit Blick auf Art. 23 Abs. 2 der Brüssel-I-Verordnung entscheidend, dass die dauerhafte Aufzeichnung der AGB und damit der Gerichtsstandsvereinbarung durch die „ click-wrapping “-Technik ermöglicht werde. Es sei unbeachtlich, „ob der Text der allgemeinen Geschäftsbedingungen vom Käufer nach oder vor Anklicken des Feldes mit der Erklärung, dass er diese Bedingungen akzeptiert, tatsächlich dauerhaft aufgezeichnet wurde“. Die Möglichkeit der Speicherung und des Ausdruckes vor Vertragsschluss ist ausreichend.
Praxishinweis bei Verbraucherverträgen
Hingegen betonte der EuGH, dass eine Geschäftspraxis, nach welcher die Informationen nur über einen Link auf einer Webseite zugänglich gemacht werden, die strengeren Anforderungen der Richtlinie 97/7/EG des EU-Parlaments und des EU-Rates über den Verbraucherschutz bei Vertragsabschlüssen im Fernabsatz nicht einhalten würde. Die erwähnte Richtlinie war vorliegend wegen des B2B-Geschäftes nicht anwendbar. Die Praxis bei Fernabsatzverträgen führt jedoch betreffend „click-wrapping“ zu Unterschieden zwischen B2B- und B2C-Geschäftsverkehr. Dies ist von Online-Händlern zu berücksichtigen, wenn sie sich mit ihrem Angebot sowohl an Geschäftskunden wie auch Verbraucher richten.
In der Schweiz
Das Bundesgericht hat in seinem Urteil (4A_86/2013) vom 1. Juli 2013 (siehe BR-News vom 26.08.2013) entschieden, dass es für die gültige Vereinbarung einer Gerichtsstandsklausel ausreichend ist, wenn der AGB-Verwender der anderen Partei beim Vertragsschluss per E-Mail mitteilt, dass die AGB auf seiner Webseite abrufbar seien.
Das Bundesgericht musste in besagtem Verfahren prüfen, ob eine Gerichtsstandsvereinbarung in AGB nach den Bestimmungen des Lugano-Übereinkommen (LugÜ) gültig vereinbart wurde. Das Bundesgericht hielt damals fest, dass eine tatsächliche Kenntnisnahme der AGB und damit der Gerichtsstandsklausel nicht notwendig sei. Es genüge, wenn der AGB-Verwender der anderen Vertragspartei vor Vertragsabschluss eine zumutbare Möglichkeit der Kenntnisnahme der AGB verschaffe. Die Abrufbarkeit der AGB auf der Webseite sei – auch mit Blick auf den Geschäftsabschluss per E-Mail – zumutbar, während z.B. die Bestellung der AGB mittels Faxschreiben keine ausreichende Möglichkeit der Kenntnisnahme darstelle. Das „ click-wrapping “ stellt mit Blick auf diesen Entscheid des Bundesgerichts eine zumutbare Möglichkeit der Kenntnisnahme dar.
Weitere Informationen:
- EuGH: Urteil des Gerichtshofs (Dritte Kammer) 21. Mai 2015 Rechtssache C-322/14
- Brüssel-I-Verordnung (Verordnung (EG) Nr. 44/2001)
- BR-News vom 26.08.2013: BGer: Verweis auf die AGB auf einer Website kann für eine gültige Vereinbarung eines Gerichtsstands genügen
- Urteil 4A_86/2013 des Bundesgerichts vom 1. Juli 2013 (BGE 139 III 345)
- Lugano-Übereinkommen (LugÜ)
Ansprechpartner: Lukas Bühlmann