EuGH: Fussball-Spielpläne sind i.d.R. keine urheberrechtlich geschützten Datenbanken


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Aus einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom 1. März 2012 geht hervor, dass die Spielpläne für die Begegnungen der englischen und schottischen Fussballmeisterschaft grundsätzlich nicht urheberrechtlich geschützt sind. Auch wenn für die Erstellung solcher Spielpläne ein bedeutender Arbeitsaufwand und bedeutende Sachkenntnis erforderlich sind, käme dem Urteil zufolge nur ein urheberrechtlicher Schutz in Betracht, wenn durch die Auswahl und Anordnung der in den Spielplänen enthaltenen Daten eine Originalität zum Ausdruck gebracht wird. Gemäss EuGH ist dies bei den englischen und schottischen Spielplänen aufgrund des vorgelegten Sachverhalts nicht der Fall. Nachdem der EuGH Fussball-Spielplänen bereits 2004 ein besonders Schutzrecht für Datenbanken abgesprochen hat, fehlt diesen ausser bei einer unlauteren Übernahme oder im Falle einer originellen Struktur in der Regel ein rechtlicher Schutz.

Rechtliche Ausgangslage

Der vom EuGH zu beurteilende Fall betraf die sog. EU-Datenbankrichtlinie (96/9/EG). Nach dieser Richtlinie können Datenbanken in zweierlei Hinsicht geschützt sein. Möglich ist einerseits ein urheberrechtlicher Schutz von Datenbanken, die aufgrund der Auswahl oder Anordnung der Daten eine eigene geistige Schöpfung darstellen (vgl. Art. 3 Abs. 1). Darüber hinaus kommt ein besonderer Schutz („Schutzrecht sui generis“) für Datenbanken in Betracht, bei welchen für die Beschaffung, die Überprüfung oder die Darstellung ihres Inhalts eine in qualitativer oder quantitativer Hinsicht wesentliche Investition erforderlich ist (vgl. Art. 7 Abs. 1).

EuGH-Urteil im Jahre 2004: kein sui generis Schutz für Fussball-Spielpläne

Bereits in Urteilen aus dem Jahre 2004 (C- 46/02, C- 338/02, C-444/02 – Fixtures Marketing) hatte der EuGH entschieden, dass Spielplänen für Fussballbegegnungen kein Schutzrecht sui generis zukommt. Die Spielpläne qualifizierte der Gerichtshof zwar als Datenbanken im Sinne der Richtlinie 96/9/EG, jedoch war er der Ansicht, dass weder für die Beschaffung noch für die Überprüfung, noch für die Darstellung des Inhalts eines Spielplans von Fussballbegegnungen eine wesentliche Investition erforderlich ist, die ein Schutzrecht sui generis rechtfertigen würde.

Die von den Beteiligten getätigten Investitionen beziehen sich gemäss dem EuGH auf die Veranstaltung von Meisterschaften als solche und sind lediglich mit der Erzeugung der in der Datenbank enthaltenen Daten, d.h. der Daten der einzelnen Begegnung der verschiedenen Meisterschaften (Tag, Uhrzeit, Gast- und Heimmannschaft), verbunden. Derartige Investitionen, die eingesetzt werden, um die Elemente zu erzeugen, aus denen der Inhalt der Datenbank besteht, können aber gemäss dem Gerichtshof nicht berücksichtigt werden.

EuGH-Urteil März 2012: Sachverhalt

In dem aktuell zu beurteilenden Sachverhalt verwendeten der Suchmaschinenbetreiber Yahoo!, der Sportinformationsdienst Enetpulse und der Sportwettenanbieter Stan James im Rahmen ihrer Dienste die Spielpläne der englischen und schottischen Premier League. Da die Vermarkter der Spielpläne, die Football Dataco Ltd, bzw. die betroffenen Verbände/Ligen hierfür keine Erlaubnis erteilt hatten, wurden die Dienstanbieter in England eingeklagt. Die Klage wurde dabei insbesondere auf den urheberrechtlichen Schutz für Datenbanken nach Art. 3 der Richtlinie 96/9/EG abgestützt.

Gemäss dem Verfahren vor den englischen Gerichten erfolgt die Erstellung der Jahresspielpläne für Fussballmeisterschaften in England und Schottland im Wesentlichen unter Einhaltung gewisser „goldenen Regeln“ (z.B. nicht mehr als 2 aufeinander folgende Heimspiele pro Verein) nach folgendem Verfahren:

  • Die Verbände erstellen eine Spieltabelle der ersten Liga und einen groben Spielplan für die anderen Ligen. Anhand von grundlegenden Parametern (insb. Saisonbeginn und -ende, Anzahl Spiele, durch andere nationale und internationale Wettbewerbe belegte Termine) erstellen sie eine Liste mit möglichen Spiel-Terminen.
  • In der Folge werden Fragebögen zu den Spielplänen an die Vereine versendet und die Antworten ausgewertet.
  • Anschliessend werden die Reihenfolge der Begegnungen und die Spielpaarungen in einem Spielplanentwurf mit Hilfe einer Software festgelegt; dabei soll unter Berücksichtigung der goldenen Regeln, organisatorischen Zwängen und der Antworten auf die Fragebögen für jeden Verein eine ideale Abfolge Heim- und Auswärtsspielen gefunden werden.
  • Abschliessend wird der Spielplan u.a. auch in Absprache mit der Polizei überprüft.

Aufgrund von Unklarheiten in Bezug auf die Voraussetzungen des urheberrechtlichen Schutzes von Datenbanken nach der Richtlinie 96/9/EG hat der zuständige Court of Appeal dem EuGH verschiedene Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt.

Urteil des EuGH vom 1. März 2012

In seinem Urteil vom 1. März 2012 (C-604/10) erinnert der Gerichtshof zunächst daran, dass ein Spielplan für Begegnungen einer Fussballmeisterschaft gemäss seinem Entscheid aus dem Jahr 2004 als Datenbank im Sinne der Richtlinie 96/9/EG gilt. Er betont ferner, dass das Fehlen der Voraussetzungen für ein Schutzrecht sui generis – wie im Urteil aus dem Jahr 2004 entschieden – einen urheberrechtlichen Schutz der Spielpläne nach der Datenbankrichtlinie nicht automatisch ausschliesst.

Wie bereits dargestellt, sind Datenbanken nach der Richtlinie 96/9/EG urheberrechtlich geschützt, wenn sie „aufgrund der Auswahl oder Anordnung der Daten eine eigene geistige Schöpfung ihres Urhebers darstellen“. Gemäss EuGH geht es dabei um die Auswahl und Anordnung von Daten, durch die der Urheber der Datenbank ihre Struktur verleiht. Demgegenüber ist die Erzeugung der in der Datenbank enthaltenen Angaben – wie beim Schutzrecht sui generis – ohne Bedeutung für das Vorliegen eines urheberrechtlichen Schutzes der Datenbank als Ganzes.

Die Mittel und Überlegungen, mit welchen das Datum und die Uhrzeit und die antretenden Teams nach Massgabe der verschiedenen Regeln und Vorgaben bestimmt werden, betreffen nach Ansicht des EuGH lediglich die Erzeugung der in der Datenbank enthaltenen Daten selbst. Dementsprechend werden sie vom Gerichtshof für die Beurteilung des urheberrechtlichen Schutzes nicht berücksichtigt.

In der Folge betont der EuGH, dass eine Datenbank aufgrund der Voraussetzung „eigene geistige Schöpfung“ eine gewisse Originalität aufweisen muss. Dementsprechend muss der Urheber über die Auswahl und Anordnung der in der Datenbank enthaltenen Daten seine schöpferischen Fähigkeiten zum Ausdruck bringen, indem er freie und kreative Entscheidungen trifft. Im Gegensatz dazu fehlt die Originalität, wenn die Erstellung der Datenbank durch technische Erwägungen, Regeln oder Zwänge bestimmt wird, die für künstlerische Freiheit keinen Raum lassen. Nicht ausreichend sei vor diesem Hintergrund die Tatsache, dass für die Erstellung der Datenbank – unabhängig von der Erzeugung der darin enthaltenen Daten – ein bedeutender Arbeitsaufwand und bedeutende Sachkenntnis erforderlich waren.

Nachdem anschliessenden Hinweis, dass die Frage letztlich durch das nationale Gericht beurteilt werden müsse, erklärt der Gerichtshof die vom englischen Gericht geschilderten Einzelheiten der Erstellung der vorliegenden Spielpläne als nicht ausreichend für einen urheberrechtlichen Schutz. Ein solcher sei nur möglich, wenn Faktoren hinzukommen würden, durch welche Originalität bei der Auswahl oder Anordnung der in den Spielplänen enthaltenen Daten zum Ausdruck gebracht werde. Abschliessend betont der EuGH, dass auch nationale Vorschriften Datenbanken, welche von der Richtlinie 96/9/EG erfasst werden, nur urheberrechtlich schützen dürfen, wenn die erläuterten Voraussetzungen vorliegen.

Blick auf die Rechtslage in der Schweiz

Anders als in der EU besteht in der Schweiz kein Schutzrecht sui generis für Datenbanken. Demgegenüber können Datenbanken nach Art. 4 Abs. 1 des Urheberrechtsgesetzes (URG) als sog. Sammelwerke geschützt sein. Vergleichbar mit der EU-Datenbankrichtlinie wird für den urheberrechtlichen Schutz als Sammelwerk vorausgesetzt, dass es sich „bezüglich Auswahl oder Anordnung um geistige Schöpfungen mit individuellem Charakter“ handelt. Folglich ist auch in der Schweiz eine gewisse Originalität der Struktur der Datenbank vorausgesetzt.

Da in der Schweiz zur Frage des Urheberrechtsschutzes für Spielpläne soweit ersichtlich keine veröffentlichten Urteile vorliegen, ist schwer vorhersehbar, ob Schweizer Gerichte der Argumentation des EuGH folgen werden. Möglich erscheint jedenfalls, dass Spielplänen der verschiedenen Sportverbände auch in der Schweiz der Urheberrechtsschutz verwehrt wird. Gegen eine unautorisierte Übernahme der Spielpläne könnten sich die Urheber in diesem Fall lediglich unter Berufung auf Art. 5 lit. c UWG zur Wehr setzen.

Nach dieser Bestimmung handelt unlauter, wer „das marktreife Arbeitsergebnis eines andern ohne angemessenen eigenen Aufwand durch technische Reproduktionsverfahren als solches übernimmt und verwertet.“ Neben prozessualen Schwierigkeiten weist eine Berufung auf diese Norm jedoch im Vergleich zum Urheberrechtsschutz auch den Nachteil auf, dass die Übernahme eines Spielplans jedenfalls dann nicht (mehr) unlauter wäre, sobald die Kosten für die Erstellung des Spielplans als amortisiert betrachtet werden (vgl. Urteil des Bundesgerichts 4A_404/2007, E. 4.3).
Weitere Informationen:

Ansprechpartner: Lukas Bühlmann


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