EuGH: Händler muss bei Widerruf die Hinsendekosten erstatten


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Gastautor: Dr. Martin Schirmbacher, Partner HÄRTING Rechtsanwälte, Berlin

Der Versandhändler Heine, der stellvertretend für viele Online-Unternehmer inzwischen in vierter Instanz vor dem EuGH prüfen lässt, ob dem Verbraucher im Falle des Widerrufs die Kosten der Hinsendung der Ware erstattet werden müssen, hat den Kürzeren gezogen: Nach einem heute veröffentlichten Urteil des Europäischen Gerichtshofs muss der Versandhändler dem Verbraucher auch die Kosten für den Versand vom Händler zum Verbraucher erstatten, wenn der Vertrag vom Verbraucher fristgerecht widerrufen wird.

Dies hatten schon das Landgericht Karlsruhe (Az. 10 O 794/05) und das OLG Karlsruhe (Urteil vom 5.9.2007, Az. 15 U 226/06) so entschieden. Im wesentlichen sah dies auch der Bundesgerichtshof in der Revisionsinstanz so (Az. VIII ZR 268/07). Auch Generalanwalt Paolo Mengozzi hat in seinen Schlussanträgen vom 28.1.2010 (Az. C-511/08) entsprechend plädiert.

Dem hat sich der EuGH (Az. C-511/08) nun angeschlossen und argumentiert, dass

  • gem. Art. 6 Abs. 2 Fernabsatzrichtlinie die einzigen Kosten, die dem Verbraucher infolge des Widerrufs entstehen dürfen, die Kosten für die Rücksendung der Ware sein dürfen;
  • zu diesen – zu erstattenden – Kosten auch die Hinsendekosten zählen;
  • von der Regelung sämtliche Kosten erfasst sein sollen;
  • das Wörtchen ‹infolge› – bei Hinzuziehung der unterschiedlichen Sprachfassungen der Richtlinie – nicht dahin zu verstehen ist, dass nur solche Kosten gemeint sind, die aufgrund des Widerrufs entstehen und
  • die Auferlegung der Hinsendekosten im Falle des Widerrufs den Verbraucher von der Ausübung seines Rechts abhalten könne.

Daher kommt der EuGH zu dem Ergebnis, dass die Hinsendekosten im Falle des Widerrufs stets zu erstatten sind. So wünschenswert es wäre, den Verbraucher jedenfalls zum Teil an den Kosten des Widerrufs zu beteiligen, nach geltendem europäischen Recht ist dies jedoch nicht möglich,

Der deutsche Gesetzgeber muss nun prüfen, ob eine richtlinienkonforme Auslegung der deutschen Vorschriften möglich ist, oder eine – neuerliche – Gesetzesänderung notwendig ist, die klarstellt, dass die Kosten der Hinsendung im Falle des Widerrufs stets der Unternehmer zu tragen hat. Insgesamt muss erwogen werden, den Unternehmen die gesetzliche Möglichkeit zu geben, wenigstens die Rücksendekosten stets dem Verbraucher aufzuerlegen. Bisher ist dies nur bei Rücksendungen im Wert von unter 40,- Euro und auch nur bei entsprechender Vorab-Belehrung in Textform möglich, was insbesondere Internethändler vor Schwierigkeiten stellt.

Lukas Bühlmann: Dieser Entscheid des EuGH’s führt dazu, dass Schweizer Händler, welche Kunden in der EU beliefern, diesen nicht nur ein Widerrufsrecht im Sinne der Fernabsatzrichtlinie gewähren müssen, sondern diesen Kunden auch die Hinsendekosten zu erstatten haben, falls diese von dem Widerrufsrecht Gebrauch machen. Ein deutscher Kunde kann sich gegenüber dem Schweizer Händler dabei auf zwingendes deutsches Recht berufen und dieses unabhängig einer allfälligen Gerichtsstandsvereinbarung vor einem deutschen Gericht durchsetzen. Ein entsprechendes Urteil wäre in der Schweiz unter dem Lugano Übereinkommen wohl ohne weiteres vollstreckbar. Aufgrund der damit verbundenen Kosten ist jedoch nicht in erster Linie mit entsprechenden Ansprüchen von Kunden zu rechnen, als vielmehr mit wettbewerbsrechtlichen Klagen deutscher Verbraucherverbände oder Wettbewerber. Entsprechende Klagen können vor deutschen Gerichten dazu führen, dass gegen Schweizer Händler Unterlassungsverfügungen ergehen. Werden diese ignoriert, drohen – wiederum vor deutschen Gerichten – Ordnungsmittelverfahren. Entsprechende Ordnungsgelder könnten wohl auch in der Schweiz vollstreckt werden.

Ansprechpartner: Lukas Bühlmann


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