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Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat in einem Grundsatzurteil die Kriterien präzisiert, die darauf schliessen lassen, dass eine Registrierung von «.eu» Domainnamen bösglaubig erfolgt ist und somit zu einem Widerruf führen können. Der EuGH betonte, dass dabei alle im Einzelfall erheblichen Faktoren berücksichtigt werden müssen. Neben den in Art. 21 Abs. 3 der Verordnung (EG) 874/2004 beschriebenen Umständen spreche für Bösgläubigkeit insbesondere auch die Tatsache, dass eine große Zahl von Anträgen auf Registrierung von Domainnamen eingereicht wurde, die gleichzeitig Gattungsbegriffen entsprechen. Mit dem Urteil werden folglich die Grenzen gegen Missbrauch klarer gezogen.
Ende 2005 wurde in der EU mit einem mehrstufigen Verfahren für die Registrierung der Domainnamen «.eu» begonnen. In der ersten Phase waren nur Behörden und Inhaber von Markenrechten oder anderen registrierten Kennzeichenrechten berechtigt, eine Registrierung von Domainnamen zu beantragen. Die in Markennamen enthaltenen Sonderzeichen wie das Et-Zeichen («&»), welche in Domainnamen nicht verwendet werden können, konnten dabei umschrieben oder weggelassen werden. Erst in der zweiten Phase konnte jedermann Anträge für noch nicht besetzte Domainnamen stellen. Sofern in der ersten Phase eine Domain bösgläubig erwirkt worden ist, kann ein Widerruf verlangt werden.
In dem zu beurteilenden Sachverhalt hatte ein österreichisches Unternehmen, Internetportal und Marketing GmbH, in Schweden 33 Gattungsbezeichnungen als Marken eintragen lassen, wobei vor und nach jedem Buchstaben der Gattungsbezeichnung das Et-Sonderzeichen («&») eingefügt war. Zudem stellte es 180 Anträge auf Registrierung von EU-Domainnamen. Aufgrund einer Regelung über die Sonderzeichen wurde dem Unternehmen in der ersten Registrierungsphase ausgehend von der Marke «&R&E&I&F&E&N&» (eingetragen für Sicherheitsgurte) der Domainname «www.reifen.eu» zugesprochen. Dagegen wehrte sich der Inhaber der in den Benelux-Staaten hinterlegten Marke «Reifen» (eingetragen für Fensterreinigungsprodukte) beim zuständigen tschechischen Schiedsgericht. Dieses beurteilte das Vorgehen der Internetportal und Marketing GmbH als bösgläubig, weshalb es ihr den Domainnamen entzog und der Gegenpartei übertrug. Der oberste Gerichtshof Österreichs, welcher den Rechtsstreit letztinstanzlich zu entscheiden hat, gelangte in der Folge an den EuGH mit mehreren Fragen zur sog. Vorabentscheidung.
In seinem Urteil hielt der EuGH zunächst fest, dass sich auch aus anderen als den in der Verordnung (EG) 874/2004 ausdrücklich aufgeführten Umständen auf die Bösgläubigkeit einer Registrierung schliessen lasse, da die Aufzählung nicht abschliessend sei. Zu den zu berücksichtigenden Faktoren zählen gemäss dem EuGH insbesondere auch die Folgenden:
- die Absicht, die Marke, welche als Grundlage für die Domainregistrierung diente, nicht auf dem Markt zu benutzen, für den ihr Schutz beantragt wurde
- eine semantisch und visuell unübliche und sprachlich widersinnige Gestaltung dieser Marke
- die Erwirkung der Eintragung einer grossen Zahl von anderen Marken, die Gattungsbegriffen entsprechen
- die missbräuchliche Verwendung von Sonderzeichen oder Interpunktionszeichen
- die Beantragung der Registrierung einer grossen Zahl von Domainnamen, die Gattungsbegriffen entsprechen
EUGH Urteil vom 3. Juni 2010 C-569/08
Ansprechpartner: Lukas Bühlmann