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Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hatte in seinem Urteil vom 10. November 2016 zu prüfen, ob der berühmte Zauberwürfel Rubik’s Cube als Formmarke schutzfähig ist. Sowohl das Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO) als auch das Gericht der Europäischen Union (EuG) qualifizierten den Würfel als eintragungsfähig und liessen die Marke zur Eintragung zu. Der EuGH hob nun die beiden Entscheide über den Markenschutz des Zauberwürfels auf. Das EUIPO muss nun unter Berücksichtigung der Feststellungen des EuGH eine neue Entscheidung in Bezug auf die Eintragung erlassen.
Markeneintragung des Rubik Cube und Löschungsantrag
1999 wurde von der Firma Seven Town die Würfelform des Geduldspiels Rubik’s Cube als dreidimensionale Unionsmarke (sog. Formmarke) eingetragen (vgl. auch BR-News vom 22. August 2012). Rund sieben Jahre später beantragte Simba Toys, ein deutscher Spielzeughersteller, dass die Eintragung der Marke für nichtig erklärt wird.
Simba Toys verlangt die Nichtigerklärung der Markeneintragung mit der Begründung, dass diese eine in ihrer Drehbarkeit bestehende technische Lösung enthalte und dass eine solche Lösung nur durch ein Patent und nicht durch eine Marke geschützt werden kann. Der Löschungsantrag wurde vom EUIPO zurückgewiesen, woraufhin Simba Toys beim EuG Klage erhoben hat. Erneut wurde die Klage abgewiesen. Nun wurde beim EuGH ein Rechtsmittel eingelegt. Der EuGH hob sowohl das Urteil des EuG als auch die Entscheidung des EUIPO auf.
Erwägungen des EuGH
Da die Eintragung der Marke bereits mehr als 15 Jahre zurückliegt, ist in diesem Fall die Verordnung Nr. 40/94 über die Gemeinschaftsmarke und nicht die geltende Verordnung (Nr. 207/2009) anwendbar.
Betreffend Formmarken will die Gemeinschaftsmarkenverordnung verhindern, dass einem Unternehmen durch das Markenrecht ein Monopol für technische Lösungen oder Gebrauchseigenschaften einer Ware eingeräumt wird. Hierfür müsste ein Patent beantragt werden. Das Patentrecht stellt für die Schutzfähigkeit höhere Voraussetzungen auf als das Markenrecht. Um überschiessende Ausschliesslichkeitsrechte zu verhindern, dürfen die strengeren patentrechtlichen Schutzvoraussetzungen nicht durch die Anmeldung als Formmarke umgangen werden können.
Im vorliegenden Fall wurde von Simba Toys insbesondere das Vorliegen eines absoluten Eintragungshindernisses i.S.v. Art. 7 Abs. 1 Bst. e Ziff. ii der Verordnung behauptet. Fraglich war, ob die Produktform, d.h. die Würfelform, genauer die schwarzen Linien und die damit erkennbare Gitterstruktur, für die Erreichung der technischen Wirkung des Produktes erforderlich ist. Wird diese Frage bejaht, ist die Marke nach dem Verordnungsrecht nicht schutzfähig.
Das schweizerische Markenrecht kennt in Art. 2 lit. b Markenschutzgesetz – Formen, die das Wesen der Ware ausmachen, und Formen der Ware oder Verpackung, die technisch notwendig sind – ein vergleichbares absolutes Eintragungshindernis.
Die Vorinstanzen argumentierten, dass sich die charakteristische, technische Lösung des Rubik’s Cube nicht aus den äusserlich sichtbaren Merkmalen der Würfelform, namentlich der Gitterstruktur, sondern allenfalls aus einem nicht sichtbaren Mechanismus im Würfelinnern ergebe. Dieser innere, nicht sichtbare Mechanismus ist gemäss EuG und EUIPO bei der Prüfung der Schutzfähigkeit der Formmarke nicht massgebend.
Gemäss EuGH müssen die wesentlichen Merkmale einer Form im Hinblick auf die technische Funktion der betreffenden konkreten Ware beurteilt werden. Die Vorinstanzen hätten daher die technische Funktion der betreffenden konkreten Ware, d. h., eines dreidimensionalen Puzzles, bestimmen und diese bei der Beurteilung der Funktionalität der wesentlichen Merkmale dieses Zeichens berücksichtigen müssen. Der EuGH rügt, dass die Vorinstanzen hierbei von einer zu engen Sichtweise ausgegangen seien. Gemäss EuGH hätten sich die Vorinstanzen nicht allein auf die grafische Darstellung der Formmarke in der Markenanmeldung abstützen dürfen. Es wäre vielmehr notwendig gewesen, dass die Vorinstanzen zusätzliche Funktionalitäten der Ware berücksichtigt hätten, selbst wenn ein objektiver Betrachter diese auf der Grundlage der grafischen Darstellungen der angefochtenen Marke nicht genau habe erfassen können. Die Vorinstanzen hätten daher u.a. die Drehbarkeit von Einzelteilen des Cubes berücksichtigen müssen.
Die Rechtssache wurde nun an das EUIPO zurückgewiesen mit der Anweisung der erneuten Prüfung der Markeneintragung. Dabei muss das EUIPO die Erwägungen des EuGH in seine Entscheidung einbeziehen.
Weitere Informationen:
- Pressemitteilung Nr. 122/16 des Europäischen Gerichtshofs vom 10. November 2016
- Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 10. November 2016 in der Rechtssache C-30/15 P
- Verordnung Nr. 40/94 des Rates vom 20. Dezember 1993 über die Gemeinschaftsmarke (ABl. EG Nr. L 11 vom 14.1.1994, S. 1)
- Verordnung NR. 207/2009 des Rates vom 26. Februar 2009 über die Gemeinschaftsmarke (ABl. 2009, L 78, S. 1)
- Urteil des Gerichts der Europäischen Union vom 25. November 2014 in der Rechtssache T-450/09
- BR-News vom 22. August 2012