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Aus einem am 12. Juli 2011 publizierten Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) geht hervor, dass Betreiber von Online-Marktplätzen wie eBay für markenrechtliche Verstösse von auf ihren Plattformen tätigen Verkäufern verantwortlich gemacht werden können. Dies insbesondere dann, wenn wie durch eBay Hilfeleistungen zur Optimierung und Bewerbung von Verkaufsangeboten erbracht werden und so eine aktive Rolle eingenommen wird. Zudem können die Betreiber durch die jeweiligen nationalen Gerichte oder Gesetzgeber gezwungen werden, aktiv vorbeugende Massnahmen zu ergreifen, um zukünftige markenrechtliche Verstösse zu verhindern. In seinem Urteil hat der EuGH schliesslich auch weitere interessante Fragen bezüglich den Rechten des Markeninhabers im Zusammenhang mit Online-Marktplätzen konkretisiert.
1. Ausgangsrechtstreit
Dem Entscheid liegt ein Rechtsstreit zwischen dem Kosmetikhersteller L’Oréal auf der einen Seite und dem Online-Marktplatz eBay sowie verschiedenen Privatpersonen auf der anderen Seite zugrunde (vgl. dazu auch unseren Beitrag vom 15.12.2010). Über www.ebay.co.uk wurden neben Fälschungen und unverpackten Kosmetikprodukten von L’Oréal auch Testartikel und solche Markenprodukte verkauft, die nicht für den Verkauf im Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) bestimmt waren. In einer Klage an den britischen High Court of Justice vertritt L’Oréal die Ansicht, dass diese Verkäufe ausserhalb seines selektiven Vertriebssystems seine Markenrechte verletzt und dass eBay hierfür eine Mitverantwortung trägt. Mit Urteil vom 22. Mai 2009 kam der High Court of Justice zum Schluss, dass die Sache nicht entscheidungsreif sei, da mehrere Rechtsfragen zunächst einer Auslegung durch den EuGH bedürfen.
2. Allgemeine markenrechtliche Fragen im Zusammenhang mit Online-Marktplätzen
Als erstes stellte der EuGH in seinem Urteil fest, dass die durch Marken verliehenen ausschliesslichen Rechte grundsätzlich nur gegenüber „Wirtschaftsteilnehmern“ geltend gemacht werden können. Denn der Inhaber einer Marke könne einem Dritten die Benutzung eines mit dieser Marke identischen oder ihr ähnlichen Zeichens nur dann verbieten, wenn diese Benutzung durch den Dritten im geschäftlichen Verkehr erfolgt. Sofern daher eine natürliche Person ein Markenprodukt mittels eines Online-Marktplatzes verkaufe, ohne dass diese Transaktion im Rahmen einer gewerblichen Tätigkeit dieser Person stattfindet, könne sich der Inhaber der Marke nicht auf sein ausschliessliches Recht im Sinne von Art. 5 der Richtlinie 89/104 und Art. 9 der Gemeinschaftsmarkenverordnung (Nr. 40/94) berufen. Sobald die auf einem solchen Marktplatz getätigten Verkäufe aufgrund ihres Umfangs, ihrer Häufigkeit oder anderer Merkmale jedoch über die Sphäre einer privaten Tätigkeit hinaus gehen, bewege sich der Verkäufer im Rahmen des „geschäftlichen Verkehrs“ im Sinne dieser Artikel und der Markeninhaber sei zu schützen.
Anschliessend äusserte sich der EuGH zu den Markenprodukten, die nur für den Markt von Drittstaaten bestimmt sind. Das Gericht betont zunächst, dass im vorliegenden Fall keine Erschöpfung des Markenrechts eingetreten sei, da die Produkte nie mit Zustimmung von L’Oréal im EWR in Verkehr gebracht worden seien. Ferner hält der Gerichtshof fest, dass aufgrund des Wortlauts von Art. 5 Abs. 3 Buchst. b und d der Richtlinie bereits die «blosse» Benutzung von Marken in Verkaufsangeboten oder der Werbung einen Verstoss gegen das Ausschliesslichkeitsrecht des Markeninhabers darstellen kann. Dies gelte auch in dem Fall, dass sich das Markenprodukt (noch) in einem Drittstaat (hier insb. China) befinde, sofern die Werbung oder das Verkaufsangebot auf Verbraucher im EWR ausgerichtet sei. Ob eine solche Ausrichtung vorliegt, müsse – wie bereits in einem Urteil im Dezember 2010 entschieden (C-585/08 und C-144/09; vgl. unseren Beitrag) – anhand verschiedener Indizien geprüft werden. Hierbei seien insbesondere eventuelle Angaben zu den geografischen Gebieten, in die der Verkäufer bereit sei zu liefern, von besonderer Bedeutung. Eine Ausrichtung auf Verbraucher im EWR bzw. Grossbritannien zeige sich jedoch mangels gegenteiliger Beweise in dem Domain-Namen der Website www.ebay.co.uk.
Des Weiteren bestätigte der EuGH seine Rechtsprechung, wonach die Abgabe von Testartikeln oder Proben an die Vertragshändler kein Inverkehrbringen im Sinne der Richtlinie 89/104 und der Verordnung Nr. 40/94 darstellt. Demzufolge ist das Markenrecht für diese Artikel nicht erschöpft und der Markeninhaber kann gegen deren Weiterverkauf vorgehen. In Bezug auf den Verkauf von Markenprodukten ohne die Originalverpackung betonte der EuGH, dass die herkunftshinweisende Funktion der Marke beeinträchtigt werde, sofern ohne die Verpackung bestimmte gesetzlich geforderte Angaben wie die zur Identifizierung des Herstellers fehlen. In diesem Fall, oder wenn der Markeninhaber eine Schädigung des Images der Marke nachweise, könne sich der Markeninhaber solchen Verkäufen widersetzen.
3. Markenrechtsverletzung durch eBay mittels „Google-AdWords“
eBay hat im Rahmen des Referenzierungsdiensts „Google-AdWords“ durch die Buchung von Schlüsselwörtern in Form von L’Oréal-Marken erreicht, dass immer dann, wenn Internetnutzer eines dieser Wörter in der Suchmaske von Google eingaben, unter der Rubrik „Sponsored Links“ bzw. „Anzeigen“ ein Werbelink zur Website www.ebay.co.uk erschien. In den Anzeigen fand sich jeweils auch ein Hinweis auf die Möglichkeit, Waren der gesuchten Marke bei eBay zu erwerben (z.B.: „stillen Sie Ihre Leidenschaft bei ebay.co.uk!“). Dem Gerichtshof zufolge steht fest, dass auch eBay in einem solchen Fall Werbender sei, da die Anzeige nicht nur Verkaufsangebote seiner Kunden, sondern auch die Auktionsplattform als solche anpreise. In der Folge erläutert der EuGH seine Rechtsprechung zur Frage der Markenrechtsverletzung durch „Google-AdWords“ (vgl. unseren Beitrag vom 26.5.2011). Dabei wird darauf hingewiesen, dass die Buchung von Schlüsselwörtern in Form von L’Oréal-Marken zur Werbung für die Dienstleistung von eBay nur verboten werden könne, sofern es sich um bekannte Marken im Sinne Art. 9 Abs. 1 lit. c der Gemeinschaftsmarkenverordnung handle. Denn die Dienstleistung von E-Bay sei nicht identisch mit den Produkten von L’Oréal und auch nicht ähnlich wie Letztere. Dies im Gegensatz zu Anzeigen für die auf eBay angebotenen Produkte. Für diese wiederholt der Gerichtshof im Wesentlichen seine Grundsätze aus den früheren Urteilen. eBay kann folglich die Buchung von mit Marken identischen Schlüsselwörtern auf „Google-AdWords“ verboten werden, sofern aus den Anzeigen (für die auf eBay verkauften Produkte dieser Marke) für einen normal informierten und angemessen aufmerksamen User nicht oder nur schwer zu erkennen ist, ob diese Waren von dem Inhaber der Marke bzw. einem mit diesem wirtschaftlich verbundenen Unternehmen stammen oder vielmehr von einem Dritten.
4. Markenrechtsverletzung durch Anzeigen auf eBay
In Bezug auf die Beurteilung von Anzeigen von Marken auf der Website von eBay im Rahmen der Darstellung der Angebote der einzelnen Verkäufer stellt der EuGH klar, dass eBay durch diese Dienstleistung die Marke nicht selbst „benutzt“. Vielmehr erfolge die Benutzung durch die Verkäufer. Die Verantwortlichkeit von eBay sei deshalb nicht nach der Gemeinschaftsmarkenverordnung oder der Richtlinie 89/104/EWG zu beurteilen, sondern insb. nach der „Verantwortlichkeit der Vermittler“ (Providerhaftung) im elektronischen Geschäftsverkehr (Richtlinie 2000/31/EG).
5. Providerhaftung von eBay für Markenrechtsverletzungen
Schliesslich ging der EuGH auf die Frage ein, ob der Betreiber eines Online-Marktplatzes für die markenrechtlichen Verstösse der Händler seiner Plattform haftbar gemacht werden kann. Der EuGH legte hierzu die Grundsätze von Art. 14 der Richtlinie 2000/13/EG zum sog. Hosting dar. Die wesentliche Voraussetzung dafür, dass ein Anbieter eines Internetdienstes von dieser Haftungsbeschränkung profitiere, sei die Eigenschaft als Vermittler im Sinne dieser Bestimmung. Sofern sich ein Anbieter nicht auf die reine technische und automatische Verarbeitung der von seinen Kunden eingegebenen Daten beschränke und eine aktive Rolle spiele, die ihm eine Kenntnis dieser Daten oder eine Kontrolle über sie verschaffen könne, scheide eine Haftungsbeschränkung aus. Da eBay seinen Kunden Hilfeleistungen u.a. bei der Präsentation und Bewerbung der Verkaufsangebote erbringt, sei davon auszugehen, dass keine neutrale Stellung zwischen den als Verkäufer auftretenden Kunden und den potenziellen Käufern eingenommen werde, sondern eBay vielmehr eine aktive Rolle spiele. Diese Beurteilung müsse jedoch letztlich das nationale Gericht vornehmen.
6. Möglichkeit eines Markeninhabers, zukünftige markenrechtliche Verstösse zu verhindern
Schlussendlich befasste sich der EuGH noch mit der Frage, welche gerichtlichen Anordnungen an einen Betreiber eines Online-Marktplatzes gerichtet werden können. Der Gerichtshof kam zum Schluss, dass die Mitgliedstaaten sicherstellen müssen, dass die nationalen Gerichte dem Betreiber auch Massnahmen auferlegt werden können, die auf die Vorbeugung künftiger Verletzungen abzielen. Die Betreiber können insbesondere verpflichtet werden, einen Urheber von Markenrechtsverletzungen auszuschliessen, sofern er dies nicht aus eigenem Antrieb tut. Gleiches gilt für die Auferlegung von Massnahmen, die eine Identifizierung seiner als Verkäufer auftretenden Kunden erleichtern.
Weitere Informationen:
- BR-News: „EuGH: Haftung von eBay für Markenrechtsverletzungen Dritter“
- Pressemitteilung des EuGH vom 12. Juli 2011
- Urteil C-324/09 vom 12. Juli 2011
- Richtlinie 2000/31/EG
- Richtlinie 89/104/EWG
Ansprechpartner: Lukas Bühlmann