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In den AGB von Online-Shops finden sich vielfach Rechtswahlklauseln wie z.B.: „Es gilt deutsches Recht“. Auch Amazon verwendete eine solche Klausel zugunsten des luxemburgischen Rechts. In einem aktuellen Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) wird nun bekräftigt, dass so formulierte Klauseln gegenüber ausländischen Verbrauchern unwirksam sind, wenn das Angebot des Anbieters auf diese ausgerichtet ist. Rechtswahlklauseln sind laut EuGH zwar auch im grenzüberschreitenden B2C-Verhältnis nicht generell verboten. Unzulässig ist eine solche Klausel jedoch dann, wenn sie den Eindruck vermittelt, dass nur das heimische Recht des Shop-Betreibers anwendbar ist. Dies wäre irreführend und damit unzulässig, weil sich der Verbraucher nach der sog. Rom-I-Verordnung stets auf die zwingenden Vorschriften seines Wohnsitzstaats berufen kann, sofern eine Ausrichtung auf seinen Wohnsitzstaat vorliegt. Im Übrigen bestätigt der EuGH im Hinblick auf das Datenschutzrecht, dass die Abrufbarkeit einer Website in einem EU-Mitgliedstaat alleine noch nicht zur Anwendung des Datenschutzrechts dieses Staates führt.
Unterlassungsklage gegen Amazon in Österreich
Amazon bietet seinen Online-Marktplatz für österreichische Verbraucher über die Top-Level-Domain „.de“ an. Die Gesellschaft „Amazon EU“ hat ihren Sitz in Luxemburg und in Österreich keine Niederlassung. Vor diesem Hintergrund enthielten die Amazon-AGB bis Mitte 2012 folgende Rechtswahlklausel: „Es gilt luxemburgisches Recht unter Ausschluss des UN-Kaufrechts.“
Ein österreichischer Verbraucherschutzverband, der VKI, erachtete diese und weitere Klauseln als unzulässig und erhob daher eine Unterlassungsklage gegen Amazon. Der Rechtsstreit gelangte schliesslich bis zum Obersten Gerichtshof (OGH) in Österreich. Zur Klärung der EU-rechtlichen Vorgaben unterbreitete dieser dem Europäischen Gerichtshof verschiedene Fragen zur Vorabentscheidung.
EU-Verordnungen zur Frage des anwendbaren Rechts
Die vom EuGH zu beantwortenden Fragen betrafen unter anderem die sogenannten Rom-I und Rom-II-Verordnungen. Darin wird für grenzüberschreitende Sachverhalte festgelegt, welches nationale Recht innerhalb der EU auf vertragliche (Rom-I) bzw. ausservertragliche (Rom-II) Schuldverhältnisse anzuwenden ist. Für den vorliegenden Fall, in dem ein Verbraucherschutzverband auf Unterlassung von missbräuchlichen AGB-Klauseln klagt, stellte sich zunächst die Frage, welche der beiden Verordnungen wofür massgebend ist.
In seinem Urteil (C-191/15) hielt der EuGH nun – abweichend vom Generalanwalt – fest, dass die Rom-II-Verordnung nur auf die Unterlassungsklage an sich anzuwenden ist. Mit anderen Worten bestimmt diese bzw. deren Art. 6 Abs. 1 insbesondere das anzuwendende Recht für die Frage, ob der Verbraucherverband überhaupt zur Erhebung einer Unterlassungsklage legitimiert ist. Demgegenüber bestimmt die Rom-I-Verordnung das anwendbare Recht für die Beurteilung der Missbräuchlichkeit der AGB-Klauseln.
Im Hinblick auf das anzuwendende Datenschutzrecht gelten sodann unabhängig davon die Vorgaben der EU-Datenschutzrichtlinie und nicht die Rom-Verordnungen.
Missbräuchlichkeit der Amazon-Rechtswahlklausel
Darauf aufbauend nahm der EuGH zwar nicht explizit Stellung zur Frage, ob die Rechtswahlklausel von Amazon missbräuchlich und damit unwirksam ist oder nicht. Die konkrete Beurteilung obliegt den österreichischen Gerichten. Der EuGH gab diesen jedoch Leitlinien für diese Beurteilung an die Hand.
Gemäss EuGH sind Rechtswahlklauseln, wie diejenige von Amazon, nicht per se missbräuchlich. Denn das EU-Recht lässt diese – anders als das Schweizer Recht – grundsätzlich zu, selbst wenn damit das heimische Recht des Verbrauchers „abgewählt“ wird. Dieses nationale Recht am Wohnsitz des Verbrauchers kommt jedenfalls dann zur Anwendung, wenn der Anbieter sein Angebot auf dieses Land ausgerichtet hat (vgl. dazu BR-News vom 15.12.2010).
In der Rom-I-Verordnung ist zum Schutz der Verbraucher allerdings festgehalten, dass selbst bei einer Rechtswahl zugunsten des heimischen Rechts des Anbieters das gesamte zwingende Recht des Staates anwendbar bleibt, in dem der Verbraucher seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat (vgl. Art. 6 Abs. 2). Da das EU-Recht noch nicht in sämtlichen Bereichen harmonisiert ist, so z.B. beim Gewährleistungsrecht, hat ein Verbraucher in seinem Wohnsitzland unter Umständen weitergehende zwingende Rechte als in anderen Ländern. Auf diese Rechte kann er sich nach der genannten Vorschriften somit selbst bei einer Rechtswahlklausel berufen, sofern das Angebot des Unternehmers auf Verbraucher in diesem Staat ausgerichtet ist.
Vor diesem Hintergrund hält der EuGH fest, dass eine AGB-Klausel missbräuchlich sein kann, wenn sie nicht klar und verständlich ist. Aufgrund des meist geringeren Informationsstands des Verbrauchers im Vergleich zum Anbieter kann dies gemäss EuGH relativ rasch der Fall sein. Sofern die Wirkung einer AGB-Klausel durch zwingende Vorschriften wie den erwähnten Art. 6 Abs. 2 Rom-I-Verordnung beschränkt wird, sei ferner entscheidend, dass der Anbieter den Verbraucher hierüber aufklärt.
Eine Rechtswahl-Klausel ist daher laut EuGH irreführend und missbräuchlich, wenn dem Verbraucher der Eindruck vermittelt wird, es sei nur das vom Anbieter gewählte Recht anwendbar, ohne den Verbraucher über den Schutz durch die zwingenden Bestimmungen seines Wohnsitzlands zu unterrichten.
Ob dies bei Amazon der Fall war, haben die österreichischen Gerichte zu beurteilen. Aufgrund der der Formulierung der Klausel ist jedenfalls von der Missbräuchlichkeit auszugehen. Zu diesem Schluss gelangte auch der deutsche Bundesgerichtshof (BGH) bereits im Jahr 2012 in einem ähnlichen Fall.
Anwendbares Datenschutzrecht – Ausrichtung genügt nicht
Der VKI machte ferner geltend, dass weitere Klauseln der Amazon-AGB nicht mit dem österreichischen Datenschutzrecht vereinbar seien. Folglich stellte sich die Frage, ob das österreichische Datenschutzrecht überhaupt auf Amazon anwendbar ist. Die Rechtswahlklausel spielt für diese Beurteilung jedenfalls keine Rolle, weil das anwendbare Recht durch andere Kriterien bestimmt wird.
Gemäss der EU-Datenschutzrichtlinie unterliegt eine Datenbearbeitung den Vorschriften eines Mietgliedstaats, wenn
- der für die Bearbeitung Verantwortliche in diesem Mitgliedstaat eine Niederlassung besitzt und
- die Datenbearbeitung „im Rahmen der Tätigkeiten“ dieser Niederlassung ausgeführt werden.
Hierzu bestätigt der EuGH im Wesentlichen seine frühere Rechtsprechung (vgl. dazu auch BR-News vom 15.5.2014). Von einer Niederlassung wird demnach relativ rasch ausgegangen. Erfasst wird jede tatsächliche und effektive Tätigkeit, die mittels einer festen Einrichtung ausgeübt wird, selbst wenn es sich nur um eine geringfügige Tätigkeit handelt.
Der Umstand, dass Amazon weder über eine Tochtergesellschaft noch über eine Zweigniederlassung in Österreich verfügt, schliesst gemäss EuGH zwar das Vorliegen einer „datenschutzrechtlichen Niederlassung“ noch nicht aus. Gleichwohl könne aber nicht aufgrund der blossen Abrufbarkeit der Website in einem Mitgliedsstaat auf eine solche Niederlassung geschlossen werden. Entscheidend seien vielmehr der Grad der Beständigkeit einer Einrichtung sowie die effektive Ausübung der wirtschaftlichen Tätigkeit im jeweiligen Mitgliedstaat.
Ob im vorliegenden Fall eine Niederlassung in Luxemburg, in Österreich oder gegebenenfalls in Deutschland besteht und ob die in den Amazon-AGB vorgesehen Datenbearbeitungen im Rahmen von deren Tätigkeiten ausgeübt werden, werden nun die österreichischen Gerichte bestimmen müssen. Da es an näheren Sachverhalts-Angaben zu den konkreten Datenbearbeitungen durch Amazon fehlt, lässt sich dieser Entscheid nicht im Voraus abschätzen.
Fazit und Ausblick
Das Urteil des EuGH zur Missbräuchlichkeit der Rechtswahlklausel von Amazon überrascht insbesondere aufgrund der bereits bekannten deutschen Rechtsprechung nicht. Das Urteil zeigt jedoch einmal mehr auf, dass bei der Formulierung von Rechtswahlklauseln Vorsicht geboten ist.
Hinsichtlich des Datenschutzrechts bestätigt der EuGH seine bisherige Rechtsprechung und macht deutlich, dass keine hohen Anforderungen an das Vorliegen einer relevanten Niederlassung gestellt werden. Immerhin wurde insofern eine Grenze gezogen, als aus der blossen Abrufbarkeit in einem Land noch nicht eine Niederlassung in diesem Staat „konstruiert“ werden kann.
Im vorliegenden Fall geht es zwar um die Frage, welches von mehreren nationalen Rechten von EU-Mitgliedstaaten zur Anwendung gelangt. Im Verhältnis zu Drittstaaten wie der Schweiz werden allerdings grundsätzlich dieselben Kriterien angewandt. Wie das Beispiel von Google Spanien zeigt (vgl. BR-News vom 15.5.2014), werden hier aber tendenziell noch tiefere Anforderungen gestellt und die Anwendung eines der nationalen Datenschutzrechte der EU-Mitgliedstaaten noch rascher bejaht.
Zu beachten ist allerdings, dass die ab dem 25. Mai 2018 geltende europäische Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) noch weiter gehen wird und keine Niederlassung in der EU mehr erforderlich ist (vgl. BR-News vom 14.1.2016). Anbieter mit Sitz in Drittstaaten sollten sich auf diese neue Ausgangslage rechtzeitig vorbereiten.
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