EuGH zum Schutz von Datenbanken: Übernahme von Daten durch eine Metasuchmaschine kann vom Datenbankhersteller verboten werden


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Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat sich kürzlich erneut mit dem im EU-Recht vorgesehenen besonderen Schutz für Datenbanken (sog. sui generis Schutzrecht) auseinandergesetzt. In einem Urteil von Ende Dezember stellt er klar, dass sogenannte Metasuchmaschinen, die Inhalte von geschützten Datenbanken durchsuchen und übernehmen, unter Umständen unzulässig sind. Dies trifft insbesondere dann zu, wenn sie ihren Nutzern ein spezielles Suchformular zur Verfügung stellen, mit dessen Hilfe die Suchanfragen der Nutzer „in Echtzeit“ übersetzt und die geschützten Datenbanken Dritter durchsucht werden. Eine rechtsverletzende Handlung kann aber nur dann vorliegen, wenn die Suchergebnisse im Layout der Metasuchmaschine angezeigt werden. Gemäss EuGH erfolgt bei solchen Metasuchmaschinen eine unzulässige Weiterverwendung der Inhalte der geschützten Datenbanken.

Vorgeschichte

Zu beurteilen hatte der EuGH einen Rechtsstreit zwischen zwei niederländischen Unternehmen. Das eine, Wegener, betreibt eine Website, die ihren Besuchern Zugang zu einer Online-Zusammenstellung von Inseraten für gebrauchte Fahrzeuge gewährt. Die Zusammenstellung wird täglich aktualisiert und enthält Inserate für rund 200‘000 Gebrauchtwagen. Auf Wegeners Website wird den Besuchern ein Formular zur Verfügung gestellt, mit dem anhand verschiedener Kriterien gezielt nach einem Fahrzeug gesucht werden kann. Die Gegenpartei, Innoweb, betreibt eine spezialisierte Metasuchmaschine für Angebote von Gebrauchtwagen. Diese Suchmaschine nutzt die Suchmaschinen anderer Websites, indem sie die Suchanfragen ihrer Nutzer zu diesen Suchmaschinen weiterleitet. Eine dieser genutzten Suchmaschinen ist diejenige von Wegener.

Innowebs Metasuchmaschine ermöglicht es ihren Benutzern, durch eine einzige Suchanfrage gleichzeitig mehrere Inseratesammlungen zu durchsuchen, die sich auf den Websites Dritter befinden. Insgesamt werden so rund 300‘000 Inserate von der Suche erfasst.

Die Metasuchmaschine fragt die anderen Datenbanken „in Echtzeit“ ab, d. h. zu dem Zeitpunkt, zu dem der Nutzer seinen Suchauftrag startet. In diesem Rahmen wird die Suchanfrage der Kunden in das für die Durchsuchung der Drittwebsites erforderliche Format „übersetzt“.

Wegener vertrat die Ansicht, das Innoweb durch dieses Verhalten ihre Rechte verletzt. Konkret beanstandete Wegener in seiner Klage vor den niederländischen Gerichten eine Verletzung des im EU-Recht vorgesehenen besonderen Schutzrechts an der Datenbank (sog. „Schutzrecht sui generis“ für die Hersteller von Datenbanken). Nachdem das erstinstanzliche Gericht die Klage guthiess, gelangte Innoweb an das Berufungsgericht, welches dem EuGH diverse Fragen vorlegte.

Im Wesentlichen hatte der EuGH gemäss diesen Fragen zu entscheiden, ob Innowebs Tätigkeit eine unzulässige Weiterverwendung von Wegeners Datenbank darstellt und durch den Datenbank-Hersteller deshalb verboten werden kann.

Nicht zu beurteilen hatte der EuGH hingegen, ob die von Wegener angebotene Inseratesammlung überhaupt eine geschützte Datenbank im Sinne der massgeblichen Datenbankrichtlinie darstellt. Diese Frage hatte bereits das vorlegende niederländische Gericht bejaht.

Funktionsweise von spezialisierten Meta-Datenbanken

Der Gerichtshof erläuterte zu Beginn die Funktionsweise von spezialisierten Metasuchmaschinen. Anders als bekannte Suchmaschinen wie z.B. Google basiert eine solche nicht auf Algorithmen, sondern greift auf die Suchmaschinen der Drittdatenbanken zurück. Die spezialisierte Metasuchmaschine übersetzt die Suchanfragen ihrer Nutzer in diese Suchmaschinen, was dazu führt, dass alle Daten dieser Datenbanken durchsucht werden. Für die Nutzer hat dies den Vorteil, dass sie mit einer einzigen Suchanfrage mehrere Datenbanken durchsuchen können. Zu beachten ist in diesem Zusammenhang auch, dass die Ausführung einer Suchanfrage durch die spezialisierte Metasuchmaschine automatisch entsprechend ihrer Programmierung erfolgt, ohne dass der Betreiber dazu beiträgt. In diesem Stadium wird nur der Nutzer tätig, der seine Suchanfrage eingibt. Der Anbieter der Metasuchmaschine nimmt lediglich im Vorfeld die Programmierung der Suchmaschine vor und stellt diese den Nutzern zur Verfügung.

Weiterverwendung bezieht sich auf jede öffentliche Verfügbarmachung

Das EU-Recht sieht für Datenbanken einen harmonisierten urheberrechtlichen Schutz vor. Die sog. Datenbankrichtlinie hat zu diesem Zweck ein neues ausschliessliches Schutzrecht „sui generis“ für die Hersteller von Datenbanken geschaffen. Dieses gilt im Unterschied zum Urheberrechtsschutz unabhängig davon, ob die Datenbanken „innovativ“ sind oder nicht. Grundsätzlich ist der Hersteller einer Datenbank nach dieser Richtlinie berechtigt, Dritten die Weiterverwendung der Gesamtheit oder eines wesentlichen Teils seiner Datenbank zu verbieten. Im vorliegenden Fall stellte sich deshalb die Frage, ob es sich bei der Handlung, welche im Rahmen der Metasuchmaschine erfolgt, um eine „Weiterverwendung“ im Sinne der Datenbankrichtlinie handelt.

Dazu äusserte sich der EuGH wie folgt. Der Begriff „Weiterverwendung“ erfasse jede Form öffentlicher Verfügbarmachung der Gesamtheit oder eines wesentlichen Teils des Inhalts der Datenbank durch die Verbreitung von Vervielfältigungsstücken, insbesondere durch Online-Übermittlung. Durch die Formulierung „jede Form öffentlicher Verfügbarmachung“ werde deutlich, dass der Begriff der Weiterverwendung weit zu interpretieren sei. Ausserdem bezwecke die Richtlinie, diejenige Person, welche in personeller, technischer und finanzieller Hinsicht in den Aufbau einer Datenbank investiert hat, gegen die nicht erlaubte Aneignung der Ergebnisse dieser Investition zu schützen. Vor diesem Hintergrund beziehe sich der Begriff „Weiterverwendung“ somit auf jede Handlung, durch welche Datenbank-Ergebnisse öffentlich verfügbargemacht und dem Hersteller der Datenbank damit die Einkünfte entzogen werden, die es ihm ermöglicht hätten, die Kosten seiner Investition zu amortisieren.

Der Begriff beziehe sich somit auf jede vom Hersteller nicht erlaubte Handlung, die darin besteht, den Inhalt einer geschützten Datenbank in der Öffentlichkeit zu verbreiten, wobei die Art und Form des angewandten Verfahrens nicht relevant seien.

Betrieb der Metasuchmaschine gilt als Verfügbarmachen

Davon ausgehend hatte der Gerichtshof zu beantworten, ob die Handlungen, die Innoweb vornimmt, auch unter den Begriff der „öffentlichen Verfügbarmachung“ fallen und ob dem Hersteller der Datenbank dadurch Einkünfte im oben genannten Sinn entzogen wurden. Für die Klärung dieser Frage sei zu beachten, dass sich Innowebs Tätigkeit nicht darauf beschränke, dem Nutzer die Informationen zu einem bestimmten Thema zu liefern. Sie habe vielmehr zum Ziel, jedem Endnutzer ein Werkzeug zur Verfügung zu stellen, das ihm ermöglicht, alle Daten in einer geschützten Datenbank zu durchsuchen und ihm somit Zugang zum gesamten Inhalt dieser Datenbank über einen anderen Weg als den vom Datenbank-Hersteller vorgesehenen zu gewähren.

Der Endnutzer brauche deshalb nicht mehr die Website der betreffenden Datenbank aufzusuchen, um diese konsultieren zu können, da er deren Inhalt „in Echtzeit“ über die Website der spezialisierten Metasuchmaschine konsultieren kann.

Diese Tätigkeit berge die Gefahr in sich, dass dem Hersteller der Datenbank (Werbe-)Einnahmen entgehen, die es ihm ermöglicht hätten, die Kosten seiner Investitionen zu amortisieren. Da der Endnutzer nicht mehr über die Startseite und das Suchformular der Datenbank gehen muss, ist es nämlich möglich, dass der Hersteller dieser Datenbank weniger Einnahmen aus der auf dieser Startseite oder diesem Suchformular erscheinenden Werbung erzielt. Dies gelte insbesondere deshalb, weil es denjenigen Unternehmen, die Werbeanzeigen online schalten wollen, profitabler erscheinen könnte, dies auf der Website der spezialisierten Metasuchmaschine zu tun als auf einer dieser Suchmaschine erfassten Datenbanken.

Der Gerichtshof wies ausserdem darauf hin, dass die fragliche Tätigkeit Innowebs der Herstellung eines „parasitären Konkurrenzprodukts“ nahe komme, obwohl die in der betreffenden Datenbank befindlichen Daten nicht kopiert würden. Angesichts der angebotenen Suchmöglichkeiten gleiche die Metasuchmaschine nämlich einer Datenbank, über deren Inhalte Innoweb jedoch nicht verfüge.

Der Endnutzer brauche nur auf die Website der spezialisierten Metasuchmaschine zu gehen, um gleichzeitig zum Inhalt aller vom Dienst dieser Suchmaschine erfassten Datenbanken zu gelangen, da eine von dieser Metasuchmaschine durchgeführte Suche dieselbe Ergebnisliste liefert wie die, die man bei getrennt durchgeführten Suchanfragen in jeder einzelnen dieser Datenbanken erhielte, wobei die Ergebnisliste jedoch unter dem Erscheinungsbild der Website der spezialisierten Metasuchmaschine angezeigt werde. Der Endnutzer brauche nicht mehr auf die Website der (ursprünglichen) Datenbank zu gehen, ausser wenn er bei den angezeigten Ergebnissen eine Anzeige findet, über die er Näheres erfahren möchte. In diesem Fall wird er jedoch direkt zu der Anzeige selbst geleitet, und wegen der Zusammenfassung von Dubletten (gleiche Inserate in mehreren Datenbanken) ist es durchaus möglich, dass er die Anzeige in einer anderen Datenbank konsultiert.

Demnach sei das Onlinestellen einer spezialisierten Metasuchmaschine, die dem Endnutzer dazu dient, Suchanfragen einzugeben und diese in die Suchmaschine einer geschützten Datenbank zu übersetzen, eine „Verfügbarmachung“ des Datenbankinhalts im Sinne der Richtlinie, durch welche dem Hersteller der Datenbank massgebliche Einnahmen entgehen.

Diese Verfügbarmachung richte sich an die „Öffentlichkeit“, da eine solche spezialisierte Metasuchmaschine von jedem benutzt werden kann und sich demnach an eine unbestimmte Zahl von Personen richtet, unabhängig davon, wie viele Personen die Suchmaschine tatsächlich nutzen.

Fazit und Kommentar zur Rechtslage in der Schweiz

Als Fazit hielt der EuGH Folgendes fest: Betreiber von spezialisierten Metasuchmaschinen, übernehmen dann in unzulässiger Weise Inhalte von geschützten Datenbanken, wenn ihre Suchmaschine

  • dem Endnutzer ein Suchformular zur Verfügung stellt, das im Wesentlichen dieselben Optionen wie das Suchformular der Datenbank bietet;
  • die Suchanfragen der Endnutzer „in Echtzeit“ in die fremde Suchmaschine übersetzt werden, so dass alle Daten dieser Datenbank durchsucht werden, und
  • dem Endnutzer die gefundenen Ergebnisse unter dem Erscheinungsbild der Metasuchmaschine präsentiert werden, wobei sie Dubletten in einem einzigen Element zusammenführt, aber in einer Reihenfolge, die auf Kriterien basiert, die mit denen vergleichbar sind, die von der Suchmaschine der betreffenden Datenbank für die Darstellung der Ergebnisse verwendet werden.

Eine solche Übernahme kann der Hersteller einer Datenbank dem Suchmaschinenbetreiber grundsätzlich verbieten. Ob das Betreiben der Suchmaschine im vorliegenden Fall unzulässig war bzw. ist, wird nun das niederländische Gericht entscheiden müssen. Aufgrund der im EuGH-Urteil zu findenden Sachverhaltselemente ist aber davon auszugehen, dass Wegener Innoweb die Übernahme seiner Datenbank verbieten kann.

In der Schweiz stellt sich die Rechtslage anders dar. So hat das Schweizerische Bundesgericht einen vergleichbaren Fall anders beurteilt, was allerdings hauptsächlich daran liegen dürfte, dass die Schweiz kein mit dem „sui-generis-Recht“ vergleichbares Schutzrecht kennt und deshalb andere Rechtsvorschriften zur Anwendung kamen (ausführlich zum Thema: BR-News vom 21.06.2013).

Weitere Informationen:

Ansprechpartner: Lukas Bühlmann


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