EuGH zum urheberrechtlichen Schutz von Software


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Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat sich kürzlich mit dem urheberrechtlichen Schutz der Funktionalität und der Programmiersprache von Software auseinandergesetzt. Er bestätigt dabei, dass die «Software-Richtlinie» (2009/24/EG) nur Ausdrucksformen eines Computerprogramms schützt

, nicht aber die Ideen und Grundsätze, die der Logik, den Algorithmen und den Programmsprachen zugrunde liegen. Weder die Funktionalität noch die Programmiersprache oder das Dateiformat, die im Rahmen eines Computerprogramms verwendet werden, stellen nach Ansicht des Gerichtshofs eine Ausdrucksform dar, weshalb ein Schutz durch die Software-Richtlinie ausgeschlossen sei. Wenn somit ein Lizenznehmer, der keinen Zugang zum Quellcode der Software hatte und auch den Objektcode nicht dekompiliert hat, das Verhalten des Programms beobachtet, untersucht und testet und auf dieser Grundlage unter Verwendung derselben Programmiersprache und desselben Dateiformats die Funktionalität der Software nachbildet, liegt grundsätzlich keine Urheberrechtsverletzung vor. Der EuGH betont jedoch, dass die Programmiersprache und das Dateiformat unter Umständen durch das allgemeine Urheberrecht nach der «Informationsrichtlinie» (2001/29/EG) geschützt sein können.

Sachverhalt

Ausgangspunkt des Rechtsstreits, der dem Urteil des EuGH (C-406/10) zu Grunde liegt, ist ein integrierter Satz von Computerprogrammen für die Datenverarbeitung und -analyse der SAS Institute Inc. (SAS). Der zentrale Bestandteil des SAS-Systems ermöglicht den Nutzern, eigene Anwendungsprogramme (sog. Skripte) zu schreiben, mit denen komplexe Datenauswertungen ausgeführt werden können. Diese Skripte sind in einer dem SAS-System eigenen Sprache geschrieben.

Die World Programming Ltd (WPL) hat in der Folge alternative Software entwickelt, die in der Lage ist, Skripte, die in der SAS-Sprache geschrieben sind, auszuführen. WPL erstellte daher ein System, das die Funktionalitäten der SAS-Komponenten so weit wie möglich nachbilden sollte. Den Nutzern des SAS-Systems sollte dadurch ermöglicht werden, die für die Verwendung mit dem SAS-System entwickelten Skripte unter dem System von WPL auszuführen. Die Software von WPL war so programmiert, dass bei gleichem Input der gleiche Output erfolgte. Das eigentliche SAS-System hingegen wurde nicht kopiert. Die WPL-Software war aber in der Lage, die SAS-Sprache (richtig) zu interpretieren, womit es für die Anwender möglich wurde, den Softwareanbieter zu wechseln. Vor Entwicklung der WPL-Software mussten die SAS-Kunden ihre Lizenzen mit SAS immer wieder erneuern, um bestehende Skripte weiterhin ausführen zu können. Hätten sie die Software wechseln wollen, wären sie gezwungen gewesen, die Skripte in eine andere Programmiersprache zu übersetzen (vgl. dazu auch die Pressemitteilung des Generalanwalts).

Gegen dieses Vorgehen von WPL klagte SAS vor den britischen Gerichten. Das höchste britische Gericht, der High Court of Justice of England and Wales, legte den Fall dem EuGH vor und fragte insbesondere an, ob die Funktionalität und die Programmiersprache einer Software durch die Richtlinie über den Rechtsschutz von Computerprogrammen (Richtlinie 91/250/EWG; neu: Richtlinie 2009/24/EG; sog. Software-Richtlinie) urheberrechtlich geschützt seien.

Bestätigung der Grundsätze des Urteils zum Urheberrechtsschutz von Benutzeroberflächen (GUI)

Das aktuelle Urteil des Gerichtshofs ist im Zusammenhang mit einer Entscheidung vom Dezember 2010 (C-393/09) zu betrachten, in welcher sich der EuGH erstmals mit dem Urheberrechtsschutz nach der Software-Richtlinie auseinandergesetzt hat (vgl. BR-News vom 24.1.2011). In dieser Entscheidung wurde der Schutzgegenstand der Richtlinie folgendermassen definiert: das Computerprogramm in allen seinen Ausdrucksformen, die es erlauben, es in den verschiedenen Datenverarbeitungssprachen, wie Quellcode und Objektcode, zu vervielfältigen«. Darüber hinaus erklärte der EuGH, dass unter Umständen auch das Entwurfsmaterial erfasst sei.

Da es eine grafische Benutzeroberfläche (GUI) nicht ermögliche, das Computerprogramm zu vervielfältigen, sondern lediglich ein Element dieses Programms darstelle, mit welchem die Benutzer die Funktionen dieses Programms nutzen, handle es sich nicht um eine Ausdrucksform eines Computerprogramms im Sinne von Art. 1 Abs. 2 der Software-Richtlinie. Dementsprechend sei die Benutzeroberfläche nicht nach dieser Richtlinie urheberrechtlich geschützt. Der Gerichtshof wies jedoch darauf hin, dass die grafische Benutzeroberfläche durch das allgemeine Urheberrecht nach der Richtlinie 2001/29/EG («Informationsrichtlinie») geschützt sein kann. Dies erfordere allerdings, dass es sich um eine geistige Schöpfung des Urhebers handle, d.h. dass die Benutzeroberfläche eine gewisse Originalität aufweist.

In seinem aktuellen Urteil bestätigt der EuGH nun diese allgemeinen Grundsätze, d.h. den Schutzgegenstand der Software-Richtlinie wie auch den Umstand, dass Elemente von Computerprogrammen, die nicht von der Software-Richtlinie erfasst sind, bei Vorliegen einer gewissen Originalität, durch das allgemeine Urheberrecht nach der «Informationsrichtlinie» geschützt sein können.

Kein Schutz der Programmiersprache und der Dateiformate nach der Software-Richtlinie

Der Gerichtshof hebt in der Folge den allgemeinen Grundsatz hervor, dass der Urheberrechtsschutz nur für die Ausdrucksformen eines Computerprogramms gilt, nicht aber für Ideen und Grundsätze, die der Logik, den Algorithmen und den Programmsprachen zugrunde liegen. Dass es sich bei der Programmiersprache nicht um eine Ausdrucksform handelt, stellte bereits der Generalanwalt in seinen Schlussanträgen illustrativ dar: «Da die Programmiersprache ein Element ist, mit dem der Maschine Befehle erteilt werden können, muss sie z. B. der Sprache eines Romanautors gleichgesetzt werden. Die Programmiersprache ist somit das Mittel, um sich auszudrücken, nicht aber die Ausdrucksform selbst» (vgl. Pressemitteilung des Generalanwalts). Diesen Erwägungen folgte der Gerichtshof in seinem Urteil. Weder die Funktionalität noch die Programmiersprache oder das Dateiformat, die im Rahmen eines Computerprogramms verwendet werden, stellen somit nach Ansicht des Gerichtshofs eine Ausdrucksform dar und geniessen daher nach der Software-Richtlinie keinen urheberrechtlichen Schutz. Der EuGH erklärte hierzu, dass ein Schutz der Funktionalität einer Software dazu führen würde, dass Ideen monopolisiert werden könnten, was dem technischen Fortschritt und der industriellen Entwicklung schaden würde.

Der Gerichtshof weist jedoch auf zwei Einschränkungen hin. Er erklärt zum einen, dass möglicherweise eine teilweise Vervielfältigung vorliegt, die vom Urheber verboten werden könnte, wenn sich ein Dritter den Teil des Quell- oder Objektcodes beschafft, der sich auf die Programmiersprache oder das Dateiformat bezieht, und er mit Hilfe dieses Codes in seinem eigenen Computerprogramm ähnliche Komponenten erstellen würde. Dies sei im vorliegenden Fall jedoch nicht relevant, da WPL keinen Zugang zum Quellcode des SAS-Programms hatte und auch den Objektcode nicht dekompiliert hatte. WPL habe lediglich das Verhalten des Programms beobachtet, untersucht und getestet und auf diese Weise und auf dieser Grundlage unter Verwendung derselben Programmiersprache und desselben Dateiformats seine Funktionalität nachgebildet. Zum anderen betont der EuGH, dass die SAS-Programmiersprache und das Dateiformat von SAS als Werke im Sinne der «Informationsrichtlinie» urheberrechtlich geschützt sein könnten, sofern es sich um eine geistige Schöpfung ihres Urhebers handle.

Möglicher Schutz für Benutzerhandbuch

Neben der Software hat WPL auch ein Benutzerhandbuch ausgearbeitet, welches nach Ansicht von SAS deren Urheberrechte verletzt. Diesbezüglich stellt der Gerichtshof in seinem Urteil klar, dass unter Umständen auch die Vervielfältigung bestimmter Teile eines Benutzerhandbuchs durch deren Aufnahme in ein neues Benutzerhandbuch Urheberrechte verletzen kann. Einschlägig ist in diesem Fall die «Informationsrichtlinie». Entscheidend ist gemäss EuGH, ob das neue Benutzerhandbuch die Vervielfältigung der eigenen geistigen Schöpfung des ursprünglichen Urhebers zum Ausdruck bringe. Dabei seien insbesondere die Auswahl, die Anordnung und die Kombination von Wörtern, Zahlen und mathematischen Konzepten zu berücksichtigen. Die Entscheidung darüber, ob das neue Benutzerhandbuch eine Vervielfältigung der eigenen geistigen Schöpfung des ursprünglichen Benutzerhandbuchs darstelle, sei allerdings Sache des nationalen Gerichts, in diesem Fall des britischen High Court of Justice.

Weitere Informationen:

Ansprechpartner: Adrian SüessLukas Bühlmann


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