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Gastautoren: Rechtsanwalt Dr. Arthur Stadler und Tamino Chochola der Kanzlei Brandl & Talos in Wien.
Mit Beschluss vom 21. Oktober 2014 (C-348/13) hat der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) über die sogenannte Framing-Technik entschieden. Demnach stellt das Einbetten eines geschützten Werks (etwa eines Films) in eine andere Website mittels eines Links alleine keine öffentliche Wiedergabe im Sinne der Urheberrechte-RL dar, soweit das Werk bereits öffentlich zugänglich war, und weder für ein neues Publikum noch nach einem speziellem technischen Verfahren wiedergegeben wird, das sich von demjenigen der öffentlichen Wiedergabe unterscheidet.
Sachverhalt
Charakteristikum der sogenannten Framing-Technik ist der Umstand, dass ein Werk bei Anklicken des betreffenden Links durch die Internetnutzer in einer Art und Weise erscheint, die den Eindruck vermittelt, dass es von der Website aus gezeigt wird, auf der sich dieser Link befindet, obwohl es in Wirklichkeit einer anderen Website entstammt. Voraussetzung für diese Technik ist, dass eine Internetseite eines Webauftritts in mehrere Rahmen («Frames») unterteilt wird und in einem dieser Rahmen mittels eines «eingebetteten» Internetlinks (Inline Linking) ein einer anderen Website entstammender Bestandteil angezeigt wird, damit den Nutzern dieses Webauftritts die ursprüngliche Umgebung dieses Bestandteils verborgen bleibt.
Ausgangsverfahren
Hintergrund des Rechtsstreits war ein Kurzfilm zum Thema Wasserverschmutzung, den das auf die Herstellung und den Vertrieb von Wasserfiltersystemen spezialisierte Unternehmen BestWater International zu Werbezwecken produzieren ließ, der zum maßgeblichen Zeitpunkt auf der Videoplattform YouTube ohne deren vorige Zustimmung öffentlich abrufbar war. Die ausschließlichen Nutzungsrechte an dem Film hatte dabei stets das Unternehmen.
Die selbstständigen Handelsvertreter Herr Mebes und Herr Potsch sind für einen Konkurrenten von BestWater International tätig und betteten den Link zu dem Film auf ihrer eigenen Website mittels Framing-Technik ein. Mithilfe dieser Technik konnte das YouTube Video in einem Rahmen auf der Website selbst erscheinen und erweckte den Eindruck, dass es auch von der Website aus gezeigt würde. Die BestWater International GmbH klagte die beiden Handelsvertreter auf Unterlassung der öffentlichen Verbreitung des Filmwerks ohne ihre Erlaubnis und verlangte Schadensersatz sowie die Erstattung der Abmahnkosten.
In letzter Instanz (Revision beim deutschen Bundesgerichtshof BGH) stellte der BGH fest, dass die Einbettung des Links, nach bereits erfolgter «öffentlicher Wiedergabe», nur dann als neue Wiedergabehandlung unter Verwendung des gleichen technischen Verfahrens gemäß Art. 3 Abs 1 der Richtlinie 2001/29/EG (Urheberrechte-RL) eingestuft werden kann, wenn das Video dadurch einem neuen Publikum zugänglich gemacht wird. Der BGH wies allerdings auf die Besonderheit der Framing-Technik hin. Zur endgültigen Einordnung richtete der BGH daher die Vorlagefrage an den EuGH, ob eine solche Einbettung eines Links eine öffentliche Wiedergabe im Sinne der Urheberrechte-RL darstelle, auch wenn das fremde Werk nicht für ein neues Publikum zugänglich gemacht und nicht nach einem anderen spezifischen technischen Verfahren als dem ursprünglichen wiedergegeben werde.
Entscheidung des EuGH
Der EuGH verwies eingangs auf die ständige Rechtsprechung des Gerichtshofs und darauf, dass der EuGH gemäß seiner Verfahrensordnung mit Beschluss – wie hier – entscheiden könne, wenn die zur Vorabentscheidung vorgelegte Frage klar aus der Rechtsprechung abgeleitet werden kann.
In Folge verwies der EuGH vorerst auf seine ständige Rechtsprechung (EuGH SGAE, C-306/05 und EuGH ITV Broadcasting, C-607/11), wonach eine «öffentliche Wiedergabe» nach Art. 3 Abs 1 der Urheberrechte-RL nur dann vorliegt, wenn das geschützte Werk entweder unter Verwendung eines neuen (anderen) technischen Verfahrens oder für ein neues Publikum, an das die Inhaber des Urheberrechts nicht gedacht hatten, wiedergegeben wird.
Ebenso ist ein auf ein solches Werk verweisender Internetlink, der einer vorhergegangenen und freien «öffentlichen Wiedergabe» folgt, einzuordnen (EuGH Svensson, C-466/12, Rn 24). Auch dort hat der EuGH festgehalten, dass sich kein Unterschied ergibt, wenn der Eindruck vermittelt wird, dass das Werk von der Website aus gezeigt wird, auf der sich der Link befindet. Die Framing-Technik kann dazu verwendet werden, ein Werk der Öffentlichkeit zugänglich zu machen, ohne es zu kopieren, fällt aber nicht in den Anwendungsbereich des Vervielfältigungsrechts; den Ausführungen des EuGH entsprechend liegt dabei aber genauso wenig eine «öffentliche Wiedergabe» vor, sofern es sich bei der Öffentlichkeit nicht um ein neues Publikum handelt. Laut EuGH müsse man bei einem auf der verwiesenen Website frei zugänglichen Werk davon ausgehen können, dass die Inhaber des Urheberrechts als Publikum alle Internetnutzer angedacht haben.
Demnach stellt die Einbettung eines Links, der mittels Framing-Technik auf ein bereits öffentlich – für alle Internetnutzer frei – zugängliches Werk verweist, alleine keine öffentliche Wiedergabe gemäß Art. 3 Abs 1 der Urheberrechte-RL dar.
Bewertung
Dass eine Verweisung mittels Links zu einem geschützten Werk kaum eine Verletzung von Nutzungsrechten mit sich bringt, lässt sich durchaus nachvollziehen: Entweder wird bei Verlinkung die Website der ohnedies Berechtigten (in diesem Fall BestWater International) aufgerufen, und/oder das Werk ist schlichtweg bereits öffentlich – für alle Internetnutzer frei –zugänglich (etwa wie im vorliegenden Fall über YouTube). In der Praxis – ohne die originäre Urheberrechtsverletzung etwa über YouTube begangen zu haben – wird der Verwender der hier relevanten Framing-Technik kaum eine Urheberrechtsverletzung im Sinne des Art. 3 Urheberrechte-RL begehen, was freilich auch mit der Systematik der Urheberrechte-RL im Einklang steht, da es sich um eine bloße Linksetzung handelt, die dem Nutzer ohnedies auf der verlinkten Website öffentlich zugänglich ist.
In den Urteilen SGAE (C-306/05), Football Association Premier League (C-403/08), sowie Airfield und Canal Digital (C-431/09) hält der EuGH in ständiger Rechtsprechung fest, dass eine andere «öffentliche Wiedergabe» vorliegen kann, wenn das Werk durch diese Vermittlung einem neuen Publikum zugänglich wird. An dieser Stelle muss zwischen «zugänglich» und «aufmerksam machen“ differenziert werden: Betrachtet man den Umstand, dass ein Link nur online geöffnet werden kann, liegt es nahe, als Publikum jeden Internetnutzer zu betrachten (wie im vorliegenden Fall auch vom EuGH nochmals unterstrichen wird). Jeder Internetnutzer kann de facto darauf zugreifen, das Werk ist damit öffentlich «zugänglich». Die Tatsache, dass durch den Link mehrere neue Personen auf den Inhalt «aufmerksam» werden, ist kein rechtliches Kriterium für die Erfüllung des Tatbestands der «öffentlichen Wiedergabe» im Sinne des Art. 3 Urheberrechte-RL. Indem der EuGH aber bereits «jeden Internetnutzer» als ein Publikum betrachtet, kann das Kriterium eines «neuen Publikums», wie von der Rechtsprechung gefordert, nur sehr schwerlich erfüllt werden.
Die zweite Möglichkeit um eine Wiedergabehandlung als neue «öffentliche Wiedergabe» gemäß Art. 3 Abs 1 der Urheberrechte-RL einzuordnen, bestünde darin, dass dabei ein spezifisches technisches Verfahren verwendet wird, «[…] das sich von demjenigen der ursprünglichen Wiedergabe unterscheidet […]» (EuGH ITV Broadcasting, C-607/11, Rn 26). In diesem Fall darf ein Werk nicht ohne Erlaubnis der Urheber im oben genannten Sinn weiterverbreitet werden. Hierbei stellt sich die Frage, ob die Framing-Technik als ein solches spezifisches Verfahren zu qualifizieren ist.
Die Verwendung dieser Technik lässt die Darstellung des fremden Werkes in einer Art und Weise zu, die impliziert, es würde bei Anklicken des Links keine Weiterleitung stattfinden. Da das Werk allerdings nicht wirklich kopiert bzw. vervielfältigt wird, fällt die Framing-Technik nicht in den Anwendungsbereich der Vorschriften über das Vervielfältigungsrecht (in Österreich etwa des § 15 UrhG). Allerdings erwächst dem Verwender der Vorteil, das Werk praktisch ohne anfallende Kosten und Genehmigung via Einbinden nutzen zu können. Dieses Einbinden in das eigene Frameset war lange umstritten. In Österreich ist beispielsweise der Oberste Gerichtshof (OGH) als Revisionsinstanz einem Urteil des Landesgerichts Steyr gefolgt und hat geurteilt, der Nutzer mache sich mittels Framing-Technik «in sittenwidriger Weise ein Arbeitsergebnis zunutze, das unter erheblichem Einsatz von Arbeitskräften und Fachwissen erstellt worden sei» (OGH, 4Ob248/02b). Der EuGH hat hingegen im erwähnten Urteil Svensson (C-466/12) klargestellt, dass eine Handlung nicht alleine deswegen als «öffentliche Wiedergabe» anzusehen ist, weil bei Aufrufen der verlinkten Seite der Eindruck vermittelt wird, dass es sich immer noch um dieselbe Website handelt. In Bezug auf die Framing-Technik kann dies zum einen allein schon durch die leichte Möglichkeit der Verhinderung des Einbindens der eigenen Website in ein Frameset mithilfe eines JavaScripts («Framekiller») begründet werden. Zum anderen kann die Website alternativ gar nicht oder nur in einem Frameset, das von einem bestimmten Webserver ausgeliefert wird, angezeigt werden.
Wäre das Video im konkreten Fall also nicht bereits zu einem maßgeblichen Zeitpunkt auf YouTube hochgeladen worden, hätte sich auch nicht der Folgestreit über Verlinkung desselben ergeben. Weiteres hätte es unseres Erachtens ausgereicht, eine Urheberrechtsverletzung an Youtube zu melden, um eine rasche Entfernung des Kurzfilms von der Plattform zu bewirken. In diesem Fall würde ein auf das Video verweisender Link – mit oder ohne Framing-Technik – naturgemäß nicht mehr funktionieren. Auch vor diesem Hintergrund sind die Klarstellungen des EuGH zu begrüßen.
Fazit
Für Anwender ist relevant, dass das Einbetten eines geschützten Werks (etwa eines Films) in eine andere Website mittels eines Links alleine keine öffentliche Wiedergabe im Sinne der Urheberrechte-RL darstellt, soweit
- das Werk bereits öffentlich zugänglich war, und
- weder für ein neues Publikum
- noch nach einem speziellem technischen Verfahren wiedergegeben wird, das sich von demjenigen der öffentlichen Wiedergabe unterscheidet.
- Der EuGH betrachtet «jeden Internetnutzer» als ein Publikum, weshalb das Kriterium eines «neuen Publikums», wie in der Rechtsprechung gefordert, nur sehr schwerlich erfüllt werden kann.
Dr. Arthur Stadler ist Rechtsanwalt, Tamino Chochola ist wissenschaftlicher Mitarbeiter der Kanzlei Brandl & Talos in Wien.
Weitere Informationen:
- BR-News vom 10. März 2014: «EUGH erklärt Hyperlinks auf urheberrechtsgeschützte und frei zugängliche Inhalte für zulässig»
- Pressemitteilung des EuGH vom 13.02.2014
- Urteil C-466/12 des EuGH vom 13.02.2014 („Svensson“)
- Richtlinie 2001/29/EG
Ansprechpartner: Lukas Bühlmann & Dr. Arthur Stadler, Brandl & Talos, Wien