Europäische Kommission publiziert Hilfestellung zur Anwendung der Verbraucherrechterichtlinie


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Am Freitag, dem 13. Juni 2014 ist das neue Gesetz zur Umsetzung des neuen EU-Verbraucherrechts in Deutschland in Kraft getreten (vgl.

BR-News vom 14. Juni 2014). Termingerecht hat die EU-Kommission eine Leitlinie zur Anwendung der EU-Verbraucherrechte-Richtlinie (2011/83/EU) nachgeliefert.

Rechtlich nicht bindende Richtschnur

Das 79-seitige, auf Englisch verfasste Dokument ist rechtlich nicht bindend. Es ist als Richtschnur für die nationalen Gerichte und Behörden bestimmt und soll diesen als Auslegungshilfe dienen. Damit soll zu einer einheitlichen Anwendung des neuen Verbraucherrechts innerhalb der EU beigetragen werden.

Die Leitlinie enthält neben allgemein gehaltenen Ausführungen zu den Bestimmungen auch Beispiele, die aufzeigen sollen wie sie anzuwenden sind. Um eine starre Auslegung zu verhindern, soll die Leitlinie laufend ergänzt und aktualisiert werden damit die in der Rechtsanwendung gewonnenen Erfahrungen einfliessen können.

Veranschaulichung

Im Folgenden soll anhand der Widerrufsfrist, einer Ausnahme vom Widerrufsrecht und der Rücksendung von Waren beispielhaft veranschaulicht werden, wie die Leitlinie der Kommission empfiehlt, die Verbraucherrechte-Richtlinie umzusetzen:

Widerrufsfrist

Nach Artikel 9 der EU-Richtlinie steht dem Verbraucher nach Abschluss eines Fernabsatzvertrags eine Frist von 14 Tagen zu, in der er den Vertrag ohne Angabe von Gründen und ohne zusätzliche Kosten widerrufen kann.

Dies wird dahingehend spezifiziert, dass „[…] alle in dieser Richtlinie genannten Fristen als in Kalendertagen ausgedrückt zu verstehen“ sind.

Die Frist ist demzufolge so zu berechnen, dass sie am Tag nach dem relevanten Ereignis (also dem Vertragsschluss oder der Warenlieferung) beginnt und nach 14 Kalendertagen verstreicht.

Beispiel 1:

Wird am 1. März eine Ware zugestellt oder wird dann ein Dienstleistungsvertrag abgeschlossen, ist der 15. März das letztmögliche Datum, an dem das Widerrufsrecht ausgeübt werden kann.

Gemäss der Verordnung des Rates zur Festlegung der Regeln für die Fristen, Daten und Termine beinhaltet die 14-tägige Widerrufsfrist ausserdem sowohl staatliche Feiertage und Sonntage als auch Samstage. Fällt allerdings das Ende der Widerrufsfrist auf einen solchen Tag, soll sie nach der Verordnung verlängert werden bis zum nächsten Arbeitstag.

Beispiel 2:

Endet die 14-tägige Widerrufsfrist für einen mit einem belgischen Verbraucher abgeschlossenen Vertrag am 25. Dezember 2014, soll sie verlängert werden bis zum ersten Arbeitstag im Jahr 2015, da die Tage vom 25. Bis zum 31. Dezember 2014 in Belgien als Feiertage festgelegt sind.

Ausnahmen vom Widerrufsrecht

Die EU-Verbraucherrechte-Richtlinie listet 13 Vertragskonstellationen auf, in denen dem Verbraucher das Widerrufsrecht untersagt bleibt oder er dieses unter bestimmten Voraussetzungen verliert.

Eine solche Ausnahme betrifft beispielsweise Waren, die sich aus Gesundheitsschutz- oder Hygienegründen nicht zur Rückgabe eignen.

Eine weitere Konstellation betrifft Waren, „die nach Kundenspezifikation angefertigt werden oder eindeutig auf die persönlichen Bedürfnisse zugeschnitten sind.“

Da diese Norm eine Ausnahme vom Widerrufsrecht darstellt, sollte ihr Anwendungsbereich der Leitlinie zufolge eng gehalten werden.

Vertragsgegenstände, die den Ausnahmeregelungen unterstehen, sind beispielsweise:

  • Waren, für die der Verbraucher die Spezifikationen geliefert hat, wie z.B. massgefertigte Möbel oder Textilien
  • Waren, für welche der Verbraucher spezifische Besonderheiten verlangt hat, wie z.B. ein nach speziellen Anweisungen gefertigtes Auto oder ein Computerbestandteil, das individuell beschafft werden muss und der Unternehmer nicht in seinem Sortiment geführt hat
  • Adressetiketten mit den Kontaktinformationen des Kunden oder ein T-Shirt mit personalisiertem Aufdruck

Spezifizierung und Personalisierung sollen gemäss Leitlinie in diesem Kontext bedeuten, dass die Waren einzigartig, nach den individuellen Vorstellungen des Verbrauchers und im Einverständnis des Unternehmers hergestellt werden.

Die Waren sollen somit von Waren unterschieden werden, die vom Verbraucher mit vom Unternehmer vorgegebenen Optionen vervollständigt werden. Beispiele für solche Optionen wären z.B. die Farbe eines Autos oder zusätzliche Ausstattung.

Wo eine der Ausnahmen anwendbar ist, hat der Unternehmer den Verbraucher darauf hinzuweisen, dass er über kein Widerrufsrecht verfügt. Weiter müssen die Umstände, unter denen der Verbraucher gegebenenfalls sein Widerrufsrecht verliert, bezeichnet werden.

Rücksendung von Waren

Artikel 14 der EU-Richtlinie verlangt vom Verbraucher, die Waren innerhalb von 14 Tagen zum Unternehmer zurückzuschicken von dem Tag an, an dem der Verbraucher den Unternehmer über den Widerruf in Kenntnis gesetzt hat.

Sollte jedoch der Verbraucher für einen etwaigen Wertverlust der Waren während der Widerrufsfrist haften, wäre es gemäss der Leitlinie der Kommission wohl im Sinne des Verbrauchers, die Waren so schnell wie möglich zurückzusenden und nicht zu warten bis die Frist ausläuft.

Eine Ausnahme von der allgemeinen Rücksendepflicht des Verbrauchers besteht für Waren, die zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses zur Wohnung des Verbrauchers geliefert worden sind, bei Fernabsatzverträgen. Danach holt der Unternehmer die Waren auf eigene Kosten ab, wenn die Waren so beschaffen sind, dass sie normalerweise nicht per Post zurückgesandt werden können.

Nach der allgemeinen Regel besteht für den Unternehmer dagegen bloss die Pflicht, den Verbraucher über die Kosten einer Rücksendung solcher Waren zu unterrichten.

Die unmittelbaren Kosten für die Rücksendung von Waren trägt der Verbraucher, es sei denn, der Unternehmer hat sich bereit erklärt, diese Kosten zu tragen oder es unterlassen, den Verbraucher über dessen Kostentragungspflicht zu unterrichten.

Nicht in den „unmittelbaren Kosten“ beinhaltet sind gemäss Leitlinie alle Administrations- oder Bearbeitungskosten, die dem Unternehmer im Zusammenhang mit der Rücksendung von Waren erwachsen.

Ihrer Informationspflicht können Unternehmer beispielsweise mittels der im Anhang I(A) der Verbraucherrechte-Richtlinie enthaltenen Muster-Widerrufsbelehrung nachkommen.

Ein Angebot des Unternehmers, die Waren selbst abzuholen soll den Verbraucher nur binden, wenn der Unternehmer auch angeboten hat, die Kosten zu tragen. Sollte das nicht der Fall sein und findet der Verbraucher ein preiswerteres und dennoch verlässliches Angebot für die Rücksendung, soll der Verbraucher nicht verpflichtet sein, das Angebot des Unternehmers anzunehmen. Dies unter der Voraussetzung, dass die Rücksendung durch einen anerkannten Dienstleister vorgenommen wird.

Ausblick

Die Leitlinie der EU-Kommission bietet, insbesondere durch die anschaulichen Beispiele, eine Hilfestellung, die von vielen Behörden begrüsst werden dürfte. Sie bringt generell wenig Neues hervor, versteht sich aber auch nicht als formale Auslegung des EU-Gesetzes. Wie sehr die Leitlinie aber in der Rechtsprechung tatsächlich Beachtung findet, und ob sie wie beabsichtigt zu einer Harmonisierung der Rechtsanwendung beizutragen vermag, bleibt abzuwarten.

Weitere Informationen:

Ansprechpartner: Lukas Bühlmann


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