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Ab Januar 2021 gelten die neuen Vorschriften im Schweizer Fernmeldegesetz (FMG-Revision). Zu den Kernanliegen der Teilrevision gehören die Stärkung des Konsumentenschutzes, der Kinder- und Jugendschutz, die grundsätzliche gesetzliche Verankerung der Netzneutralität, der beschränkte Zugang zur sog. letzten Meile bei Glasfaseranschlüssen sowie die Förderung des Wettbewerbs. Hervorzuheben sind dabei auch die punktuellen Anpassungen des Lauterkeitsrechts (UWG). Neben Verschärfungen der Vorgaben für das Telefonmarketing wird damit auch die Möglichkeit der Staatsanwaltschaft und Gerichte eingeführt, Domains und Telefonnummern, die bei Verstössen gegen das UWG oder die Preisbekanntgabeverordnung (PBV) eingesetzt wurden, zu widerrufen bzw. zu sperren.
Anpassung an die neuen (technologischen) Gegebenheiten
Das Fernmeldegesetz (FMG) trat im Jahre 1997 in Kraft; eine erste Teilrevision erfolgte 2007. Seit dieser Zeit hat sich die Telekommunikation mit beispiellosem Tempo weiterentwickelt. Breitbandige Netze ermöglichen eine immer schnellere Datenübertragung. Traditionelle Fernmeldedienste werden zunehmend von Internetdiensten wie Videotelefonie, Messenger und Chats abgelöst.
Die aktuelle Teilrevision des Gesetzes verfolgte eine Anpassung an diese veränderten technologischen Gegebenheiten. Gestützt auf den Entwurf des Bundesrates aus dem Jahr 2017 (E-FMG) (vgl. dazu MLL-News vom 19.9.2017) verabschiedeten die beiden Räte am 22. März 2019 in der Schlussabstimmung die nächste Teilrevision des Fernmeldegesetzes (nFMG). Nachdem die Referendumsfrist im Juli 2019 unbenutzt ablief, legte der Bundesrat das Inkrafttreten der Revision auf den 1. Januar 2021 fest.
Verstärkter Konsumentenschutz als Kernanliegen des nFMG
Der verstärkte Konsumentenschutz ist eines der zentralen Anliegen des revidierten Gesetzes. Insbesondere sollen die Benutzer von Fernmeldediensten vor unlauterer Werbung und vor Missbrauch durch Mehrwertdienste geschützt werden. Es werden den Fernmeldedienstanbietern (FDA) deshalb mehrere neue Pflichten auferlegt. Im Zuge dessen wurde unter anderem auch das Bundesgesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) punktuell revidiert (nUWG). Die Vorschläge des Bundesrats betreffend UWG-Revision wurden vom Parlament – mit Ausnahme der umstrittenen Ergänzung von Art. 3 Abs. 1 lit. w – diskussionslos verabschiedet.
- Verschärfung der geltenden „Opt-Out-Regelung“ für Werbeanrufe
Im Rahmen der letzten UWG-Revision von 2011 wurde eine Opt-Out-Regelung für Werbeanrufe eingeführt (vgl. MLL-News vom 27.6.2011). Darin wurde es ausdrücklich verboten, Werbeanrufe unter Missachtung eines Sterneintrags im Telefonbuch zu tätigen (Art. 3 Abs. 1 lit. u UWG). Nach der herrschenden Auffassung zum bisher geltenden Recht sind Werbeanrufe trotz Vermerk zulässig, wenn eine Geschäftsbeziehung zwischen Anruferin und Angerufenem besteht (vgl. dazu ausführlich den Aufsatz von Bühlmann/Schüepp im Praxis-Handbuch zum Datenschutzrecht). Dass Werbeanrufe trotz Vermerk im Telefonverzeichnis bei bestehender Geschäftsbeziehung zulässig sind, hält das revidierte UWG nun explizit fest (Art. 3 Abs.1 lit. u nUWG). Darüber, wann eine solche Geschäftsbeziehung vorliegt, schweigt es sich aber aus. Die Beurteilung des Vorliegens einer Geschäftsbeziehung wird damit den Behörden und Gerichten überlassen.
Eine erhebliche Verschärfung der Rechtslage bringt eine weitere Anpassung mit sich: Personen ohne Verzeichniseintrag werden denjenigen mit Verzeichniseintrag gleichgestellt (Art. 3 Abs. 1 lit. u nUWG). Mit anderen Worten werden Personen ohne Telefonbucheintrag so behandelt, als hätten sie in einem Telefonbuch einen Vermerk, ein „Opt-Out“ in Form des sog. Sternchens, angebracht. Begründet wird dies damit, dass insbesondere Mobiltelefonnummern zum Schutze der Privatsphäre nicht in ein Telefonverzeichnis eingetragen würden. Betroffene hätten so gar nicht die Möglichkeit, für ihre Mobiltelefonnummer einen Vermerk im Telefonverzeichnis anzubringen, weshalb sie vor Werbeanrufen geschützt werden müssen.
- Pflicht zur Anzeige einer zulässigen Rufnummer bei Werbeanrufen
Zur Eindämmung von unerwünschtem Telemarketing wird eine weitere Art unlauterer Werbemethoden festgelegt. Unlauter ist demnach, wenn bei Werbeanrufen keine Rufnummer angezeigt wird, die im Telefonverzeichnis eingetragen und zu deren Nutzung die Anruferin berechtigt ist (Art. 3 Abs. 1 lit. v nUWG). Daraus ergibt sich für Werbetreibende die Pflicht, Rufnummern zu benutzen und anzuzeigen, die eingetragen sind und zu deren Nutzung sie berechtigt sind. Damit soll insbesondere dem Umstand Rechnung getragen werden, dass Anrufer über das Internet („Voice over IP“, VoIP) ihre Rufnummern mitunter beliebig festlegen und damit auch Nummern von unbeteiligten Dritten wählen können, um ihre Identität zu verschleiern (sog. Spoofing).
- Verbot der Nutzung von Informationen aus unlauteren Werbeanrufen
Besondere Sprengkraft birgt eine aus dem Ständerat stammende Änderung. Danach handelt unlauter und kann strafrechtlich verfolgt werden, wer sich auf Informationen stützt, die bei unlauteren Anrufen im Sinne der vorgenannten Bestimmungen erlangt wurden (Art. 3 Abs. 1 lit. w nUWG). Damit soll dem Problem begegnet werden, dass unlautere Werbeanrufe häufig keine Konsequenzen nach sich zogen, weil im Ausland ansässige Callcenter kaum je vom SECO belangt werden konnten. Dies, weil einerseits die Identifizierung der Callcenter schwierig ist und andererseits, weil das SECO wegen des Auslandbezuges mit Rechtshilfegesuchen an andere Staaten treten musste, was kompliziert und langwierig ist.
Häufig dürften solche ausländischen Callcenter jedoch nach der Mehrheit im Parlament einen Auftraggeber oder Profiteur (z.B. eine Krankenkasse, in deren Namen Verträge geschlossen werden) in der Schweiz haben. Insbesondere zielt die Regelung auch auf die Praxis im Versicherungs-Bereich ab, wonach Call-Center Kunden für einen Beratungstermin gewinnen und anschliessend den Termin an Versicherungen verkaufen. Nur wenn auch der in der Schweiz ansässige „Profiteur“ mit einer Strafe rechnen müsse, könne diesen Praktiken wirksam begegnet werden, so die Ansicht der Mehrheit des Parlaments.
- Ausdehnung der Pflicht für FDA zur Bekämpfung von Spam auf Werbeanrufe
Unter dem bisher geltenden Recht waren FDA verpflichtet, unlautere Massenwerbung per E-Mail („Spam“) zu bekämpfen (Art. 45a UWG). Diese Pflicht gilt künftig zusätzlich auch für unlautere Werbeanrufe im Sinne der oben genannten Bestimmungen (Art. 45a nUWG). Der Bundesrat plante beim Gesetzesentwurf bereits, die FDA auf Verordnungsebene zu verpflichten, ihren Kunden die Filterung eingehender Werbeanrufe zu ermöglichen. In der überarbeiteten Fernmeldeverordnung (Art. 83 revFDV) werden die FDA nun verpflichtet, Kunden zum Schutz vor unlauterer Werbung ein «geeignetes Mittel» zur Verfügung zu stellen, das die Anbieterinnen betreiben müssen. Die Kundinnen und Kunden müssen das Mittel jederzeit kostenlos deaktivieren und reaktivieren können und über die Vor- und Nachteile des Mittels informiert werden. Bei diesem «Mittel» kann, aber muss es sich nicht, um ein Filterangebot handeln.
- Widerruf oder Sperrung von Domain-Namen und Telefonnummern bei UWG-Verstössen
Von besonderer Bedeutung für die Praxis ist eine weitere neue UWG-Bestimmung, die vom Parlament (überraschend) diskussionslos verabschiedet wurde. Sie ermöglicht es der Staatsanwaltschaft oder dem Gericht, bei gewissen Verstössen gegen das UWG zur Verhinderung neuer Widerhandlungen Domain-Namen oder Telefonnummern zu widerrufen oder zu sperren (Art. 26a nUWG). Der Bundesrat begründete diesen Vorschlag damit, dass es bei UWG-Verstössen zur Vermeidung von Schäden für die Konsumenten zentral sei, möglichst zeitnah den verwendeten Domain-Namen oder die Telefonnummer zu sperren bzw. zu widerrufen. Dem unlauteren Wettbewerber werde dadurch zumindest temporär die Grundlage seiner unlauteren Tätigkeit entzogen. Weil diese Massnahmen aber Grundrechte einschränken, musste eine gesetzliche Grundlage geschaffen werden.
Die Massnahmen können namentlich ergriffen werden, wenn ein Domain-Name oder eine Telefonnummer im Zusammenhang mit einem Verstoss gegen Art. 3 UWG verwendet wird. Folglich kann eine Sperrung oder ein Widerruf nicht nur bei Missachtung der oben besprochenen besonderen Tatbestände für das Telemarketing angeordnet werden, sondern bei allen unlauteren Werbe- und Verkaufsmethoden und anderem widerrechtlichen Verhalten, so etwa bei irreführender Werbung, Lockvogelangeboten oder besonders aggressiven Verkaufsmethoden. Darüber hinaus können die Massnahmen auch bei Verstössen gegen die Preisbekanntgabeverordnung (PBV) ergriffen werden. Der Bundesrat nennt dabei explizit den häufigen Fall, dass ein Anbieter mit .ch-Domain seine Preise (unzulässigerweise) nur in Euro angibt (vgl. dazu allgemein den MLL-Leitfaden zur Preiswerbung).
Die erwähnten Massnahmen sollen sodann unabhängig von der Strafbarkeit einer konkreten beschuldigten Person und, wie bei der strafrechtlichen Einziehung, auch bloss nach summarischer Feststellung der Rechtswidrigkeit des Verstosses möglich sein. Vorausgesetzt ist jedoch, dass die Massnahmen „zur Verhinderung neuer Widerhandlungen erforderlich“ sind. Deshalb wird für den Widerruf eine Wiederholungsgefahr verlangt, wobei sich diese (analog zur strafrechtlichen Beschlagnahme) aus anderen Aspekten als der Persönlichkeit des Beschuldigten ableiten kann. Zudem werden bereits konkrete Wiederholungsfälle vorliegen müssen. Darüber hinaus muss die Massnahme verhältnismässig sein. Die Behörden werden deshalb die Schwere des Verstosses in qualitativer und quantitativer Hinsicht zu beurteilen und gegenüber der Massnahme abzuwägen haben. Zu beachten ist schliesslich, dass nur «.ch»-Domain-Namen gesperrt oder widerrufen werden können.
Damit soll v.a. ein wirksameres Vorgehen gegenüber Anbietern mit Sitz im Ausland ermöglicht werden. Solchen Anbietern gegenüber können verschiedene Bestimmungen, unter anderem diejenigen der PBV, nicht vor ausländischen Gerichten durchgesetzt werden, weil sie im Ausland nicht strafbar sind. Sofern daher unter Verwendung von «.ch»-Domains gegen die PBV verstossen wird, soll es der Widerruf gerade in Fällen, in welchen das SECO als Aufsichtsbehörde die Websitebetreiber erfolglos abgemahnt hat, ermöglichen, die PBV besser durchzusetzen.
- Informationspflicht betreffend Dienstqualität
Des Weiteren müssen die FDA neu die Öffentlichkeit über die Qualität der von ihnen angebotenen Fernmeldedienste informieren (Art. 12a Abs. 2 nFMG). So soll es Kunden ermöglicht werden, ausreichende Informationen über die Qualität der Dienste, insb. über die Qualität des Internetzuganges, erhalten zu können, um die für sie besten Fernmeldedienste auszuwählen. Der Bundesrat hat auf Verordnungsstufe festgelegt, welche Angaben die FDA mindestens veröffentlichen müssen (Art. 10e revFDV). Ein Beispiel für ein Qualitätsmerkmal ist das tatsächlich erreichte und die vertraglich vereinbare Datenübertragungsrate. Zentral ist dabei, dass die Informationen Vergleiche zwischen den Angeboten der einzelnen FDA erlauben müssen. Das BAKOM regelt weitere Einzelheiten zur Messung und Veröffentlichung der Informationen.
- Eingriffsrechte des Bundesrats bei internationalem Roaming
Im Bereich des internationalen Roamings kann der Bundesrat Regelungen zur Vermeidung unverhältnismässig hoher Endkundentarife erlassen und Massnahmen zur Förderung des Wettbewerbs treffen (Art. 12abis nFMG). Entsprechend der gesetzlichen Kompetenz hat er nun auf Verordnungsstufe zahlreiche Vorschriften, namentlich über die Abrechnungsmodalitäten erlassen, sodass die FDA z.B. künftig sekundengenau abzurechnen haben. Auf Preisobergrenzen hat der Bundesrat demgegenüber zwar verzichtet, verlangt von den FDA aber bspw., Roaming-Optionen zu reduzierten Tarifen anzubieten, welche u.a. eine Mindestlaufzeit von 12 Monaten haben.
- Beratungspflicht betreffend Kinder- und Jungendschutz für Anbieterinnen von Internetzugängen
Der Bundesrat erhält ferner die Kompetenz zum Erlass von Vorschriften zum Schutz von Kindern und Jugendlichen vor den Gefahren, die sich aus der Nutzung der Fernmeldedienste ergeben. Insbesondere kann er die FDA verpflichten, ihre Kunden über Möglichkeiten im Bereich des Kinder- und Jugendschutzes zu beraten (Art. 46a nFMG). Von dieser Kompetenz hat der Bundesrat nun wiederum auf Verordnungsebene Gebrauch gemacht (Art. 89a rev FDV) und verpflichtet die FDA, über die Möglichkeiten zum Schutz von Kindern und Jugendlichen im Internet zu informieren die Kundinnen und Kunden individuell bei der Anwendung konkreter Schutzmöglichkeiten zu unterstützen. Mit anderen Worten werden FDA letztlich eine Beratung für Eltern hinsichtlich des Schutzes von Kindern und Jugendlichen anbieten müssen.
- Löschung und Unterdrückung von illegalen pornographischen Inhalten
Weiter sieht das teilrevidierte FMG neu vor, dass FDA Informationen mit strafbarem pornographischem Inhalt, auf die sie das Bundesamt für Polizei hinweist, unterdrücken müssen (Art. 46a Abs. 3 nFMG). Damit ist eine Sperrung solcher Inhalte gemeint. Mithin geht es – wie im neuen Geldspielgesetz (vgl. dazu MLL-News vom 9.12.2018) – um „Netzsperren“. Darüber hinaus müssen FDA dem Bundesamt für Polizei Verdachtsfälle über strafbare pornographische Inhalte melden, auf die sie zufälligerweise gestossen sind oder auf die sie von Dritten schriftlich hingewiesen wurden. Es müssen also nicht generell alle Verdachtsfälle gemeldet werden. Dies hat den Hintergrund, dass den FDA keine systematische Überwachung der Netze aufgebürdet werden sollte.
Gesetzliche Verankerung der Netzneutralität
Ein weiteres zentrales Anliegen des revidierten FMG ist die Netzneutralität. Unter Netzneutralität versteht man die Gleichbehandlung von Daten bei der Übertragung im Internet und den diskriminierungsfreien Zugang bei der Nutzung von Datennetzen und zwar unabhängig vom Sender und Empfänger, dem Inhalt der Datenpakete oder dem verwendeten Dienst (Telefonie, Webseiten, Datei- oder Videoübertragung). Unter dem geltenden Recht ist es Kunden von FDA nicht möglich, in Erfahrung zu bringen, ob die FDA bei der Übertragung von Informationen Einschränkungen und Differenzierung anwenden. Oder ob z.B. ein angeschautes Video aus anderen Gründen in schlechter Qualität bei ihnen ankommt.
Der Bundesrat sah in seinem Entwurf vor, dass hinsichtlich der Netzneutralität Transparenz geschaffen werden solle (Art. 12a Abs. 2 E-FMG). Die FDA sollten demnach öffentlich darüber informieren, welche Daten sie beim Transport differenzieren, d.h. technisch oder wirtschaftlich unterschiedlich behandeln. Damit würde die Informationsasymmetrie zwischen FDA und Konsumenten verringert, was Konsumenten bessere Kaufentscheidungen ermögliche. Von einer strengeren Regulierung wollte der Bundesrat absehen, weil es sich Anbieter ohnehin nicht erlauben könnten, Dienste wie etwa Netflix oder Skype zu verlangsamen. Durch die Transparenz könnten sich Kunden sodann von Anbietern abwenden, welche die von ihnen gewünschte Inhalte verlangsamen.
Der Nationalrat sprach sich aber für eine gesetzliche Verankerung der Netzneutralität und einer dahingehenden Verpflichtung für die FDA aus. Der Ständerat schlug in der Folge als Kompromiss vor, Ausnahmen bei der Netzneutralität zuzulassen. Weiter soll es Anbietern möglich sein, bei den Spezialdiensten Angebote flexibel gestalten können, solange das die Qualität der Internetverbindung nicht verschlechtert. Spezialdienste sind von Providern zusätzlich zum Internetanschluss angebotene Dienste, welche über dieselbe Leitung übertragen werden – etwa die Sprachtelefonie über Mobilfunk der vierten Generation (VoLTE) und bestimmte Fernsehdienste (IPTV). Der Nationalrat stimmte diesem Kompromiss zu.
So sieht das revidierte FMG nun vor, dass FDA grundsätzlich zur Netzneutralität verpflichtet sind. Das bedeutet, dass sie Informationen übertragen müssen, ohne dabei zwischen Sendern, Empfängern, Inhalten, Diensten, Dienstklassen, Protokollen, Anwendungen, Programmen oder Endgeräten technisch oder wirtschaftlich zu unterscheiden (Art. 12e Abs. 1 nFMG). Die unterschiedliche Übertragung von Informationen ist aber ausnahmsweise zulässig. Nämlich, wenn sie erforderlich ist, um das Gesetz oder einen Gerichtsentscheid zu befolgen, die Integrität und Sicherheit des Netzes oder der daran angeschlossenen Endgeräte zu gewährleisten, einer ausdrücklichen Aufforderung von Kunden nachzukommen oder Netzwerküberlastungen zu bekämpfen (Art. 12e Abs. 2 nFMG). Auf Verordnungsebene wurde nun konkretisiert, dass die Aufforderung des Kunden «nicht standardmässig Gegenstand eines Angebots» sein darf, das über die AGB oder ein Standardangebot akzeptiert wird.
FDA dürfen neben dem Zugang zum Internet über denselben Anschluss andere Dienste anbieten, die für bestimmte Inhalte, Anwendungen oder Dienste optimiert sein müssen, um die Qualitätsanforderungen der Kunden zu erfüllen. Diese anderen Dienste dürfen aber nicht als Ersatz für Internetzugangsdienste nutzbar sein oder angeboten werden, und sie dürfen nicht die Qualität der Internetzugangsdienste verschlechtern (Art. 12e Abs. 3 nFMG). Behandeln FDA Informationen bei der Übertragung technisch oder wirtschaftlich unterschiedlich, müssen sie die Kunden und die Öffentlichkeit darüber informieren (Art. 12e Abs. 4 nFMG).
Weitere ausgewählte Änderungen
- Kein Zugang auf die «letzte Meile» bei Glasfaseranschlüssen
Der Bundesrat wollte in seinem Entwurf (Art. 11c E-FMG) marktbeherrschende Anbieter (namentlich die Swisscom) verpflichten, anderen Anbietern gegen eine angemessene Entschädigung den Zugang zu den gebäudeinternen Fernmeldeinstallationen (sog. «letzte Meile») unabhängig von der Technologie zu gewähren; d.h. auch dann, wenn es sich um Glasfaseranschlüsse handelt. Nach bisherigem Recht muss der Zugang zur letzten Meile nämlich nur bei Kupferleitungen gewährt werden (vgl. dazu auch MLL-News vom 21.7.2018). Dieser Zugang ist aus Sicht des Bundesrates eine essenzielle Voraussetzung für den Wettbewerb und die Wahlfreiheit der Konsumenten.
Diesen Kernartikel des bundesrätlichen Entwurfs haben die beiden Räte aber bereits in der ersten Beratungsrunde gestrichen. Die Swisscom soll nicht verpflichtet werden, anderen Anbieterinnen technologieneutral Zugang zu den Teilnehmeranschlüssen zu gewähren. Begründet wurde dies unter anderem damit, dass eine solche Regelung die Investitionen in den Netzausausbau gefährden würden, besonders in Randregionen. Die Entbündelung der letzten Meile bleibt somit auf Kupferleitungen beschränkt und der Bundesrat soll nicht zu einer Regulierung ermächtigt werden. Um dem Interesse des wirksamen Wettbewerbs gerecht zu werden, soll der Bundesrat alle drei Jahre Bericht erstatten über die Entwicklung der Kosten und der Gewährung Zuganges unabhängig von der Technologie (Art. 3a Abs. 1 lit. e nFMG).
- Abschaffung der allgemeinen Meldepflicht
Die bisher geltende Meldepflicht für alle Anbieter von Fernmeldediensten wird abgeschafft. Grund dafür ist die exponentielle Zunahme von sog. OTT (over-the-top)-Diensten, durch die Kunden via Internet telefonieren (z.B. Skype), Nachrichten verschicken (z.B. WhatsApp) oder fernsehen (z.B. Zattoo) können. Der mit der Meldepflicht verbundene Aufwand steht wegen der starken Zunahme an OTT-Diensten sowohl für die Anbieterinnen als auch die Verwaltung in keinem Verhältnis mehr zu ihrem Nutzen. Gewisse FDA sollen jedoch registriert bleiben (Art. 4 Abs. 1 nFMG). Es handelt sich dabei um Anbieterinnen, die konzessionierungspflichtige Funkfrequenzen oder von der ComCom bzw. dem BAKOM zugewiesene Adressierungselemente nutzen. Allerdings unterliegen FDA, ob sie nun registriert sind oder nicht, den gleichen fernmelderechtlichen Pflichten und der Aufsicht des BAKOM. Die Aufhebung der allgemeinen Meldepflicht ist nach der Abschaffung der Konzession für Fernmeldedienste in der Revision von 2007 ein weiterer Schritt in Richtung Deregulierung des Marktzuganges.
- Sitzpflicht in der Schweiz für Anbieterinnen von Mehrwertdiensten
Unter dem bisherigen Recht galt, dass Anbieterinnen von Mehrwertdiensten ihre Dienste von einem Sitz oder einer Niederlassung einem Vertragsstaat des Lugano-Übereinkommens betreiben müssen (Art. 37 FDV). Aus Sicht der Konsumenten sind solche Anbieterinnen von Mehrwertdiensten im Ausland bei Rechtsverstössen aber nicht greifbar (komplizierte Rechtslage, Anwaltskosten und Prozessrisiko stehen in keinem Verhältnis zu geringen Forderungen). Damit wiederum rechnen Anbieterinnen von betrügerischen Mehrwertdiensten und spekulieren darauf, dass Schweizer Konsumenten den Rechtsweg gar nicht erst beschreiten.
Die Voraussetzung einer Sitzpflicht in der Schweiz trägt insofern zur Verhinderung von irreführenden und betrügerischen Geschäftspraktiken bei, als sie die Anbieterinnen von Mehrwertdiensten für Konsumenten greifbar macht. Sie kann irreführende und betrügerische Geschäftspraktiken daher deutlich reduzieren. Das revidierte FMG sieht deshalb vor, dass der Bundesrat für Mehrwertdienste unter Beachtung internationaler Verpflichtungen einen Sitz oder eine Niederlassung in der Schweiz vorschreibt (Art. 12b lit. d nFMG).
- Pflicht der FDA zur Bekämpfung von Cyber-Angriffen
Im Bereich der Sicherheit werden FDA verpflichtet, Cyber-Angriffe zu bekämpfen (Art. 48a Abs. 1 nFMG). Als Cyber-Angriffe gelten ausschliesslich Manipulationen durch fernmeldetechnische Übertragungen wie etwa das Verteilen von Schadsoftware oder die Beeinträchtigung von Webdiensten (sog. DDoS-Attacken). Nicht erfasst werden der physische Zugriff und Backdoors in Hard- und Software. Für den Fall, dass die Vorkehrungen der Anbieterinnen nicht greifen sollten, wird dem Bundesrat die Kompetenz eingeräumt, detailliertere Bestimmungen zu erlassen (Art. 48a Abs. 2 nFMG). Die Einführung einer gesetzlichen Grundlage schafft Rechtssicherheit, weil FDA bei der Bekämpfung von Cyber-Angriffen sich nicht mehr dem Risiko eines Strafverfahrens wegen «Unterdrückung von Informationen» (Art. 49 FMG) ausgesetzt sehen. Die effektive Bekämpfung von Cyber-Angriffen kann die Sicherheit bei der Nutzung von Fernmeldediensten, insb. dem Internet, erhöhen und damit das Vertrauen in die Nutzung stärken.
- Verbot der Änderung von TV-Programmen beim Replay-TV
Der Nationalrat hat ferner auch eine Anpassung des Radio- und TV-Gesetzes (RTVG) vorgeschlagen, die das sog. Replay-TV betrifft. Die Regelung hätte nach Ansicht des Ständerats aber so verstanden werden können, dass es beim „zeitversetzten Fernsehen“ generell verboten sei, eine andere Werbung als in der ursprünglichen Austragung der Sendung zu schalten. Aus diesem Grund wurde die Regelung (61a Abs. 2 nRTVG) so angepasst, dass beim zeitversetzten Fernsehen ohne Zustimmung der Programmveranstalter keine Änderungen an den von diesen verbreiteten und aufgezeichneten linearen Fernsehprogrammen vorgenommen werden dürfen. Insofern ist die Schaltung von anderer Werbung möglich, muss aber zwischen den Parteien ausgehandelt werden.
Weitere Regelungen in den neuen Ausführungsverordnungen
Der Bundesrat hat im November 2020 auch zahlreiche neue Ausführungsbestimmungen in insgesamt sieben Verordnungen verabschiedet. Es geht dabei zum einen um die Verordnung zum Fernmeldegesetz, die Fernmeldeverordnung (FDV), welche zahlreiche bereits erwähnte neue Vorschriften enthält. Zum anderen wurden aber mehrere weitere Verordnungen überarbeitet. Hervorzuheben ist dabei die Verordnung über Internet-Domains (VID) mit neuen Regeln über die Whois-Datenbank, welche für die Rechtsdurchsetzung im Online-Kontext von grosser Bedeutung ist.
Weitere Informationen:
- Änderung des Fernmeldegesetzes vom 22. März 2019 (nFMG)
- Fernmeldegesetz (FMG)
- Entwurf zu Änderung des Fernmeldegesetzes (E-FMG)
- Bundesgesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG)
- Botschaft des Bundesrates zur Revision des Fernmeldegesetzes
- Geschäft Fernmeldegesetz Revision
- MLL-News vom 19.9.2017: «Revision FMG: Netzneutralität und Konsumentenschutz»