Freispruch für die teilweise geständigen Ex-Fussballer im Schweizer Fussball-Manipulations- und Wettskandal


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Im vergangenen November hat das Bundesstrafgericht zwei Urteile zum Fussball-Manipulations- und Wettskandal in der Schweiz gefällt und die angeklagten Ex-Fussballer von allen Anklagepunkten freigesprochen. Mittlerweile liegt die schriftliche Begründung der beiden Entscheidungen vor. Nach Ansicht des Gerichts können nur Menschen getäuscht werden, nicht aber eine Firma. Da die Bundesanwaltschaft nicht ausreichend dargelegt hatte, dass die manipulierten Wetten bei den betroffenen Online-Anbietern nicht automatisch, d.h. ohne Mitwirkung einer natürlichen Person, abgewickelt wurden, waren die Voraussetzungen für eine Verurteilung wegen Betrugs nicht gegeben. Das Bundesstrafgericht musste die Angeklagten deshalb freisprechen, obwohl diese teilweise geständig waren. Um diese Lücke im geltenden Recht zu schliessen und auch gegen Online-Wettspielmanipulationen wirksam vorgehen zu können, hat der Bundesrat im November 2012 die Schaffung eines neuen Straftatbestands „Sportbetrug“ in die Wege geleitet. Wann dieser allenfalls in Kraft treten könnte, ist bisher noch nicht bekannt.

Spielmanipulationen und andere Probleme des Fussballsports

Der Fussballsport hat weltweit mit zahlreichen Problemen zu kämpfen, die seine Glaubwürdigkeit bis in die Grundfesten erschüttern könnten. Zu nennen sind beispielsweise die Korruptions-Polemik rund um die Wahl des FIFA-Präsidenten oder der immer grösser werdende (mediale) Druck auf die Schiedsrichter. Dieser wird nun voraussichtlich mit der Einführung neuer technologischer Hilfsmittel etwas abgeschwächt. Das wohl bedeutendste derzeit noch ungelöste Problem stellen aber Wetten über den Ausgang und den Verlauf von Fussballspielen dar. Mit der weltweiten Verbreitung und Weiterentwicklung des Internets hat sich die Möglichkeit, an solchen Wettspielen teilzunehmen, deutlich vereinfacht. Während es seriöse Online-Wettspielanbieter gibt, welche Frühwarnsysteme einsetzen, auffälliges Wettverhalten systematisch kontrollieren und bei Verdacht auf Spielmanipulationen rigoros eingreifen, existieren – wohl insbesondere im asiatischen Raum – zahlreiche Online-Anbieter, die über keine oder nur ungenügende Kontrollen der Wettspielaktivitäten verfügen. Nicht überraschend war deshalb die Nachricht der europäischen Polizeibehörde Europol, die im Februar 2013 bekanntgab, dass ein asiatisches Verbrechersyndikat zwischen 2008 und 2011 weltweit rund 680 Partien manipuliert haben soll. In Europa seien 380 Partien betroffen, darunter 70 Spiele in Deutschland und etwa ein Dutzend Partien in der Schweiz. Der Verdienst der Wettspielbande allein in Europa betrage rund 8 Mio EUR (vgl. Pressemitteilung der Europol vom 6. Februar 2013).

Absprache mit Wettspielanbietern und (versuchte) Spielmanipulationen in der Schweiz

Im Zusammenhang mit solchen Spielmanipulationen hatte das Schweizer Bundesstrafgericht am 13. November 2012 über zwei Fälle zu entscheiden, bei denen drei Schweizer Fussballspielern vorgeworfen wurde, sich im Jahre 2009 mit der asiatischen Wettspielbande abgesprochen und Spiele der zweithöchsten Spielklasse (Challenge League) manipuliert zu haben, um hohe Wettgewinne zu erzielen. Konkret ging es im ersten Fall vereinfacht dargestellt um einen ehemaligen Fussballer, der einigen Spielern des FC Gossau – unter anderem dessen Torhüter – Geldbeträge angeboten haben soll, damit diese während bestimmter Spiele auf einen Sieg des gegnerischen Teams hinwirken (vgl. Bundesstrafgerichtsurteil SK.2011.21 vom 13. November 2012). Bei diesen Spielen seien bei ausländischen Online-Wettanbieterfirmen jeweils grössere Summen auf eine Niederlage des FC Gossau gesetzt worden. Der zweite Fall betrifft einen ehemaligen Stürmer des FC Thun, der sich auf ähnliche Weise an den Spielmanipulationen beteiligt haben soll (vgl. Bundesstrafgerichtsurteil SK.2011.33 vom 13. November 2012).

In einigen Fällen verloren der FC Gossau bzw. der FC Thun tatsächlich wie vereinbart, so dass Teile der Gewinnsummen unter den involvierten Personen aufgeteilt wurden. In anderen Fällen misslang die Manipulation, in einem Fall deshalb, weil der Trainer den mangelnden Einsatz des involvierten Feldspielers bemerkte und ihn vorzeitig auswechselte, so dass dieser nicht mehr aktiv ins Spielgeschehen eingreifen konnte.

Bundesanwaltschaft erhebt Anklage wegen Betrugs

Aufgrund ihres fehlbaren Verhaltens standen die drei Spieler unter Verdacht, die Tatbestände des gewerbsmässigen Betruges, der Gehilfenschaft zu gewerbsmässigem Betrug und/oder der Gehilfenschaft zu versuchtem gewerbsmässigem Betrug erfüllt zu haben.

Nach Art. 146 Abs. 1 StGB liegt ein Betrugsfall vor, wenn eine Person „in der Absicht, sich oder einen andern unrechtmässig zu bereichern, jemanden durch Vorspiegelung oder Unterdrückung von Tatsachen arglistig irreführt oder ihn in einem Irrtum arglistig bestärkt und so den Irrenden zu einem Verhalten bestimmt, wodurch dieser sich selbst oder einen andern am Vermögen schädigt“. Das Strafmass beträgt Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe. Liegt zusätzlich ein gewerbsmässiges Handeln vor, so kann eine Freiheitsstrafe bis zu zehn Jahren oder eine Geldstrafe nicht unter 90 Tagessätzen verhängt werden.

Die Schweizer Bundesanwaltschaft war in den beiden beschriebenen Fällen zur Ansicht gelangt, die Beschuldigten hätten die betroffenen Online-Wettspielanbieter arglistig irregeführt, denn diese seien von nicht manipulierten Fussballspielen ausgegangen. Entsprechend forderte die Bundesanwaltschaft, die Beschuldigten strafrechtlich zur Zahlung von Geldstrafen zu verurteilen (wobei diese mit einer Probezeit von 2 Jahren aufgeschoben werden sollten). Darüber hinaus standen zivilrechtliche Schadenersatzansprüche der betroffenen Fussballvereine und Online-Wettspielanbieter im Raum.

Freisprüche durch das Bundesstrafgericht

Das Bundesstrafgericht hielt demgegenüber in seinen Anfang März im Volltext veröffentlichten Urteilen fest, dass nur ein Mensch sich irren könne, nicht aber eine Firma. Die Anklageschriften würden keine oder nur unklare Hinweise dafür enthalten, dass Menschen getäuscht worden seien. Es fänden sich keine hinreichenden Hinweise darüber, ob bei der Abwicklung der Wetten Menschen auf Seiten der Online-Wettspielfirmen involviert waren oder ob der ganze Prozess von der Entgegennahme der Wette bis zur Auszahlung des Wettgewinns rein maschinell ablief. Die Einwirkung auf eine Datenverarbeitung, bei der keine Person involviert sei, erfülle mangels Täuschung nicht den Tatbestand des Betrugs von Art. 146 StGB, so das Bundesstrafgericht. Dies gelte insbesondere für Wettspielmanipulationen, die über das Internet automatisch, d.h. ohne Mitwirkung einer natürlichen Person, abgewickelt würden (mit Hinweis auf BGE 129 IV 315 E. 2 und auf den Bericht des Bundesrates zur Korruptionsbekämpfung und Wettkampfmanipulation im Sport).

In beiden Entscheiden führt das Bundesstrafgericht weiter aus, es habe Akten zu einem ähnlich gelagerten Fall beigezogen, der im Jahre 2011 vom Landgericht Bochum beurteilt worden war. Das Landgericht hatte den geständigen Hauptbeschuldigten im Mai 2012 wegen gewerbsmässigen Betrugs zu fünfeinhalb Jahren Haft verurteilt. Wegen Verfahrensfehlern hiess der Bundesgerichtshof in Karlsruhe aber im Dezember 2012 die dagegen ergriffene Revision gut, so dass das Landgericht nochmals über den Fall befinden muss. In diesem Fall aus Deutschland befänden sich Aussagen eines Sachverständigen, wonach Online-Wettanbieter über Abteilungen bzw. Mitarbeiter zur Erkennung und Abwehr von Manipulationen verfügen würden. Beim Online-Wettspiel würden auffällige Wetten, namentlich solche auf unterklassige Begegnungen mit hohen Einsätzen, vor deren Bestätigung überprüft werden. Bei einzelnen oder kumulierten Wetteinsätzen ab EUR 5’000.– sei gemäss dem Sachverständigen von einer persönlichen Gegenprüfung auszugehen. Das Bundesstrafgericht erwog dazu, aus diesen Aussagen des Sachverständigen gehe nicht klar hervor, dass er konkrete Kenntnisse über die Organisation und Geschäftsabläufe der Wettspielanbieter gehabt habe, die im Schweizer Strafverfahren betroffen seien. Seine Aussagen würden sich nicht direkt auf diese beziehen. Das Gericht erachtete deshalb die Aussagen des Sachverständigen nicht als genügende Beweisgrundlage dafür, dass zweifelsfrei Menschen im konkreten Wettspielprozess beteiligt gewesen seien. Selbst wenn Menschen beim Wettspielanbieter involviert gewesen seien, wäre nicht ausgeschlossen gewesen, dass auch diese Kenntnisse der Manipulationen gehabt haben konnten, womit die Täuschung von Drittpersonen entfiele. Im Ergebnis entschied daher das Bundesstrafgericht zu Gunsten der Beschuldigten und sprach sie von den Betrugsvorwürfen frei. Durch die mutmassliche Spielmanipulation auf dem Fussballfeld wurden zwar durchaus Personen wie bspw. die Zuschauer, Fans oder Vereinsmitglieder getäuscht. Doch diese Frage war nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens.

Kein Weiterzug der Urteile ans Bundesgericht

Gegen die Urteile des Bundesstrafgerichts wäre eine Beschwerde beim Bundesgericht innert 30 Tagen möglich gewesen. Die Bundesanwaltschaft verzichtete indes aufgrund der eingeschränkten Überprüfungsbefugnis des Bundesgerichts in beiden Fällen darauf, diese weiterzuziehen. Die Entscheide des Bundesstrafgerichts sind damit rechtskräftig geworden und nicht mehr anfechtbar. Die Bundesanwaltschaft erklärte, sie konzentriere sich derzeit auf einen weiteren ähnlich gelagerten Wettskandal-Fall, bei dem sie ergänzende Beweise in Bezug auf den Verlauf der Wettabschlüsse erheben werde. Ziel der Bundesanwalt sei es weiterhin, einen Grundsatzentscheid zu erwirken, wonach die Manipulation von Sportereignissen für Wettspiele den Betrugstatbestand nach Schweizer Recht erfülle.

Vorschlag des Bundesrats: neuer Gesetzesartikel zum „Sportbetrug“

Die Lücken im Strafrecht, die zum Freispruch der (teilweise geständigen!) Beschuldigten führten, will der Bundesrat schliessen. Bereits bevor die hier besprochenen Urteile gefällt wurden, hatte er angekündigt, den Erlass eines neuen Straftatbestands „Sportbetrug“ zu prüfen. Mit diesem soll gegen Wettkampfmanipulationen wirksam vorgegangen werden können. Die heutigen Regeln genügen offensichtlich nicht, um die Kriminellen zur Verantwortung zu ziehen. Bestätigt haben dies nicht zuletzt auch die Freisprüche des Bundesstrafgerichts.

Im konkreten Fussball-Wettskandal besteht zur Abwehr von Spielmanipulationen neben dem Betrugstatbestand einzig Art. 16 des Wettspielreglements des Schweizerischen Fussballverbands, der „das Versprechen, Anbieten, Leisten, Fordern sowie das Entgegennehmen irgendwelcher Zuwendungen, sonstiger Vorteile oder Geschenke, sei es in Bargeld oder anderen Werten, zum Zwecke der Beeinflussung oder Verfälschung des Ausgangs eines Wettspiels“ verbietet (sog. Fremdprämienverbot). Zulässig sind einzig erlaubte Leistungen eines Vereins an seine eigenen Spieler und Funktionäre, unter Berücksichtigung der einschlägigen Reglemente. Alle, die auf die Verbandsvorschriften verpflichtet sind, haben der Klubleitung unverzüglich Meldung zu erstatten, wenn sie von einem Verstoss Kenntnis erhalten.
 Gemäss dem letzten Absatz von Art. 16 des Wettspielreglements hat ein Spieler, der ein verbotenes Angebot während eines Spiels erhält, „sofort seinen Spielführer und den Schiedsrichter zu verständigen, welcher dies in seinem Bericht festzuhalten hat.“ 
Die Klubleitungen sind darüber hinaus verpflichtet, Verstösse, von denen sie auf irgendeine Weise Kenntnis erhalten, dem zuständigen Komitee sofort zu melden.

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