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Die drei europäischen Verwertungsgesellschaften GEMA (Deutschland), PRS for Music (Grossbritannien) und STIM (Schweden) planen ein Joint Venture mit dem Ziel, die pan-europäische Verwertung von Musikrechten im Online-Bereich zu vereinfachen. Hierfür wollen sie ihre Repertoires zusammenführen. Die EU-Kommission äussert gegen das Vorhaben der Verwertungsgesellschaften, ein Gemeinschaftsunternehmen zur gründen, kartellrechtliche Bedenken und hat eine umfangreiche Untersuchung eingeleitet. Diese muss bis am 29. Mai 2015 abgeschlossen sein. Die Verwertungsgesellschaften erwarten einen positiven Entscheid. Sie haben ursprünglich geplant, das Gemeinschaftsunternehmen zu Beginn des Jahres 2015 in Betrieb zu nehmen.
Ausgangslage
Will man gegenwärtig auf einer international abrufbaren Website urheberrechtlich geschützte Musik verwenden, braucht man die dafür notwendigen Lizenzen. Diese sind grundsätzlich von jeder nationalen Verwertungsgesellschaft einzuholen. Dieser Tatsache liegt die Verankerung des Territorialitätsprinzips sowohl im schweizerischen Urheberrecht, als auch in dem der europäischen Mitgliedstaaten zugrunde. Bis heute ist die Gültigkeit des Urheberrechts grundsätzlich an die Staatsgrenzen gebunden, es existiert kein europaweit gültiges Urheberrecht. Gegenwärtig ist es zwar grundsätzlich möglich, Mehrgebietslizenzen zu vergeben, viele Verwertungsgesellschaften bieten solche Lizenzen aber nicht an, da sie für eine zusätzliche Verkomplizierung der ohnehin schon langwierigen Verfahren sorgen. In der Praxis waren Mehrgebietslizenzen bis anhin von geringer Bedeutung. Dies sollte sich mit dem Erlass der „Richtlinie über die kollektive Wahrnehmung von Urheber – und verwandten Schutzrechten und die Vergabe von Mehrgebietslizenzen für die Online-Nutzung von Rechten an Musikwerken im Binnenmarkt“ (RL 2014/26/EU) ändern. Mit der Richtlinie sollen zahlreiche Verbesserungen im Bereich der Online-Musikverwertung herbeigeführt werden (vgl. dazu BR-News vom 10. März 2014). Vorderhand sollen Online-Anbieter europaweite Online-Rechte schneller und einfacher erwerben können, Verwertungsgesellschaften sollen strengeren Regeln unterworfen werden und Urheber sollen neue Wahlrechte erhalten.
Einige dieser Verbesserungen versprechen die GEMA, die STIM und die PRS for Music mit der Gründung eines Gemeinschaftsunternehmens herbeizuführen zu wollen. Das Gemeinschaftsunternehmen sollte ursprünglich Anfangs 2015 seinen Betrieb aufnehmen.
EU-Kommission äussert Bedenken
Der Plan der drei europäischen Verwertungsgesellschaften wurden nun aber schon frühzeitig von der EU-Kommission durchkreuzt – zumindest vorläufig. Sie hat eine eingehende Untersuchung zum geplanten Gemeinschaftsunternehmen der Rechtsverwertungsgesellschaften eingeleitet. Im Rahmen dieser Untersuchung soll geprüft werden, ob das Vorhaben mit der EU-Fusionskontrollverordnung vereinbar ist. Denn, in einer vorläufigen Prüfung ist die Kommission zum Ergebnis gekommen, dass die Zusammenlegung des Musikrepertoires der drei Verwertungsgesellschaften zu höheren Gebühren und schlechteren Geschäftsbedingungen für die Anbieter digitaler Dienstleistungen im Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) und damit letztlich zu höheren Preisen und geringerer Auswahl für europäische Konsumenten von Online-Musik führen könnte.
Die vermutete Schwächung des Wettbewerbs auf dem Markt der Verwaltung von Urheberrechten rührt laut EU-Kommission daher, dass die Zahl grösserer Verwertungsgesellschaften durch die Gründung eines Gemeinschaftsunternehmens von vier auf zwei sinken würde. Auch der Markt der Vergabe von Lizenzen für Online-Musik würde laut dem Ergebnis der vorläufigen Prüfung der EU-Kommission beeinträchtigen. Will ein Anbieter Online-Musikwerke zum Download oder Streaming anbieten, braucht er für jedes einzelne angebotene Werk eine Lizenz, die der Online-Dienstleister gegenwärtig bei jener Verwertungsgesellschaft bezieht, welche das entsprechende Werk verwaltet. Nach der Fusion wären die Lizenzen des gesamten Repertoires von GEMA, STIM und PRS for Music, einzig über das Gemeinschaftsunternehmen erhältlich. Die Verhandlungsmacht des Gemeinschaftsunternehmens würde somit erheblich gestärkt. Für Konsumenten digitaler Musik könnte sich dies in höheren Preisen, geringerer Auswahl und weniger innovativen Angeboten niederschlagen.
Aufgrund der wegfallenden Konkurrenz in der Rechteverwaltung sagt die Kommission zudem schlechtere Konditionen für die sog. Option 3-Verlage voraus. Diese sind, dank ihrer Grösse und auf Empfehlung der Kommission hin, vom System der kollektiven Rechteverwertung ausgenommen. Die Lizenzvergabe vollziehen sie selbständig und greifen lediglich in Bezug auf die Rechteverwaltung auf die Dienste der Verwertungsgesellschaften zurück. Nachdem die Rechteverwaltung plangemäss im Gemeinschaftsunternehmen zusammengeführt wird, befürchtet man Einbussen bei der Qualität der Verwaltungsleistungen.
Keine Stellung nimmt die EU-Kommission in ihrer Pressemitteilung indessen dazu, wie sich die Gründung eines Gemeinschaftsunternehmens auf die Stellung der weitaus wichtigsten Marktteilnehmer, namentlich der Urheber von Musikwerken, auswirken würde.
Umsetzung der EU-Richtlinie – Vorteile für die Kleinen
Die Verwertungsgesellschaften geben sich optimistisch und erwarten, den Start des Gemeinschaftsunternehmens, nach erfolgter Prüfung der EU-Kommission, wie geplant umsetzen zu können. Seitens der GEMA wird darauf verwiesen, dass mit die Schaffung des Gemeinschaftsunternehmens ein wichtiger Schritt in Richtung Umsetzung der EU-Richtlinie „über die kollektive Wahrnehmung von Urheber- und verwandten Schutzrechten“ gemacht wird. Die drei Verwertungsgesellschaften betonen, dass die Einführung eines effizienten Lizenzierungs- und Abrechnungssystem dem Musikmarkt zugutekommen wird. Die Lizenzierung wird erheblich vereinfacht werden und Rechteinhabern werden schnellere und präzisere Tantiemen-Abrechnungen in Aussicht gestellt. Laut den drei Partner-Verwertungsgesellschaften bringt das geplante Joint Venture folgende Vorteile:
- Effiziente Zusammenführung von Repertoires für eine pan-europäische Lizenzierung ermöglicht kleinen und innovativen Anbietern eine schnellere und effizientere Marktteilnahme in Europa
- Bessere Datengenauigkeit durch genauere Erfassung der urheberrechtlich geschützte Musikwerke dank neuer Systeme
- Dienstleistungsangebote werden optimiert, indem Partner und Kunden die besten am Markt verfügbaren Systeme erhalten
Fazit
Ob die Inbetriebnahme des geplanten Gemeinschaftsunternehmens die vorhergesagten Vorteile bringt, bleibt abzuwarten. Die EU-Kommission hat nun bis am 29. Mai 2015 Zeit für eine eingehende Prüfung im Rahmen der Fusionskontrolle. Geprüft wird dabei, ob die Umsätze der fusionierenden Unternehmen gewisse Schwellenwerte nach Art. 1 der Fusionskontrollverordnung (EG-Fusionskontrollverordnung) übersteigen und die Fusion folglich zu verbieten ist, weil sie den wirksamen Wettbewerb im EWR oder einem wesentlichen Teil davon erheblich behindern würden. Erfahrungswerte zeigen, dass der weitaus grösste Teil der angemeldeten Zusammenschlüsse wettbewerbsrechtlich unbedenklich sind und nach einer Standardprüfung genehmigt werden.
Weitere Informationen:
- Pressemitteilung der Europäischen Kommission vom 14. Januar 2015
- Pressemitteilung der GEMA vom 14. Januar 2015
- BR-News: „Neue EU-Richtlinie ermöglicht europaweite Lizenzen für Online-Musikangebote“
- EU-Richtlinie über die kollektive Wahrnehmung von Urheber – und verwandten Schutzrechten und die Vergabe von Mehrgebietslizenzen für die Online-Nutzung von Rechten an Musikwerken im Binnenmarkt, (RL 2014/26/EU)
- Verordnung (EG) Nr. 139/2004 des Rates vom 20. Januar 2004 über die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen
Ansprechpartner: Lukas Bühlmann