Gentests GUMG

Gentests: Eckpunkte der geplanten Totalrevision des GUMG – Ausbau des Datenschutzes und Regelung des Online-Vertriebs


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Als Teil der Strategie „Gesundheit2020“ hat der Bundesrat eine Totalrevision des Gesetzes über genetische Untersuchungen beim Menschen (GUMG) vorgeschlagen. Anlass hierzu geben vor allem die rapid fortschreitenden technologischen und gesellschaftlichen Entwicklungen seit Inkrafttreten des GUMG am 1. Januar 2007. Vor allem die vereinfachte Zugänglichkeit zu genetischen Untersuchungen für ein breites Publikum aufgrund von innovativen kommerziellen Angeboten, wie zum Beispiel Online-Gentests, werfen neue Regelungsproblematiken auf. Eine der wichtigsten Zielsetzungen der Revision ist ferner die Stärkung des Selbstbestimmungsrechts und die Gewährleistung des Datenschutzes.

Umfangreiche Ausdehnung des Geltungsbereichs

Ein zentraler Punkt des vom Bundesrat im Juni verabschiedeten Revisionsentwurfs betrifft den Geltungsbereich des GUMG. Dieser ist im geltenden Recht stark eingeschränkt und soll durch die Revision umfassend erweitert und künftig in 4 Fachkategorien aufgeteilt werden:

  • Genetische Untersuchungen im medizinischen Bereich;
  • genetische Untersuchungen ausserhalb des medizinischen Bereichs;
  • genetische Untersuchungen bei Arbeits- und Versicherungsverhältnissen sowie Haftpflichtfällen;
  • DNA-Profile zur Klärung der Abstammung oder zur Identifizierung.

„Lifestyle-Untersuchungen“ künftig explizit vom GUMG erfasst

Als genetische Untersuchungen ausserhalb des medizinischen Bereichs sind vor allem sog. „Lifestyle-Untersuchungen“ zu verstehen, welche keine Aussage über Krankheitsveranlagungen oder -risiken machen, sondern vielmehr Analysen zu sportlichen Veranlagungen oder zum äusseren Erscheinungsbild zum Gegenstand haben. Unter der geltenden Rechtslage ist die Erfassung dieser Untersuchungen vom Geltungsbereich des GUMG umstritten. Dies führte vermehrt, vor allem in Bezug auf Apotheken, welche genetische Tests für die Gesundheitsoptimierung anbieten, zu Rechtsunsicherheit und Missbrauchspotenzial.

Indem nun Untersuchungen ausserhalb des medizinischen Bereichs ausdrücklich vom Gesetz erfasst werden sollen, werden auch in diesem Bereich der Schutz der Persönlichkeitsrechte sowie der Schutz vor missbräuchlicher Verwendung der Daten erheblich ausgebaut. Darüber hinaus wird die Abgabe solcher Tests ausdrücklich geregelt (vgl. dazu unten „Regelung für Direktabgabe…“).

Verhältnis zum Datenschutzgesetz (DSG)

Auch wenn im Gesetzes-Entwurf verstärkt datenschutzrechtliche Aspekte geregelt werden, bleibt das Datenschutzgesetz (DSG) grundsätzlich weiterhin parallel anwendbar. Wie bisher wird denn auch für die Bearbeitung von genetischen Daten auf die Datenschutzbestimmungen des Bundes und der Kantone verwiesen (Art. 10 Abs. 2 E-GUMG).

Daten aus genetischen Untersuchungen können unter Umständen als besonders schützenswerte Daten im Sinne des DSG gelten und somit strengeren Anforderungen unterliegen. Insbesondere bei Daten aus Lifestyle-Untersuchungen ist dies jedoch grundsätzlich nicht der Fall. Im Rahmen der Revision des Totalrevision des DSG (vgl. dazu MLL-News vom 14. Februar 2017) soll sich dies jedoch ändern, indem genetische Daten generell als besonders schützenswert bezeichnet werden. Zudem ist aber zu beachten, dass das GUMG als spezifischer Erlass verschiedene Regelungen des DSG, auch solche betreffend besonders schützenswerter Daten, verdrängt und durch strengere ersetzt. Dies gilt unter anderem für das Erfordernis der Einwilligung, die Aufklärung sowie die Aufbewahrung bzw. Löschung der Daten.

Verschärfung des Zustimmungserfordernisses

Das bereits in Art. 5 des geltenden GUMG enthaltene Zustimmungserfordernis der betroffenen Person zur Durchführung einer genetischen Untersuchung stellt eines der Kernelemente des GUMG zur Gewährleistung der Persönlichkeitsrechte dar. Dieses Erfordernis wird im Entwurf nun dahingehend verstärkt, dass es sich um eine ausdrückliche Zustimmung des Betroffenen handeln muss. Ausdrücklichkeit ist gemäss Botschaft des Bundesrates vom 5. Juli 2017 bereits gegeben, wenn eine „nonverbale Äusserung mittels eines im konkreten Kontext klaren Zeichens oder einer entsprechenden Bewegung“ vorliegt.

Mit dieser Ergänzung passt der Gesetzgeber das GUMG den momentan (nach richtiger, aber strittiger Auffassung) geltenden Anforderungen des Datenschutzrechts an eine gültige Einwilligung an (vgl. Art. 4 Abs. 5 DSG). Ob die so festgelegten Voraussetzungen jedoch auch nach vollzogener Totalrevision des DSG (siehe MLL-News vom 14. Februar 2017; vgl. insb. Neuformulierung Art. 4 Abs. 6 VE-DSG) mit den Vorgaben des DSG übereinstimmen werden, wird sich zeigen. Denn die entsprechenden Erläuterungen des Bundesrats zum DSG-Vorentwurf sind unklar.

Schliesslich ist zu beachten, dass die Einwilligung in besonderen Fällen schriftlich zu erfolgen hat (vgl Art. 25,Art. 46 und Art. 49-51 E-GUMG).

Grundsatz der Vermeidung von Überschussinformationen

Der Entwurf enthält explizite Regelungen zu sog. Überschussinformationen. Dabei handelt es sich um Ergebnisse einer genetischen Untersuchung, die für deren Zweck nicht benötigt werden. Aufgrund neuer Untersuchungsmethoden, wie zum Beispiel die Hochdurchsatzsequenzierung, ist die Häufigkeit der Generierung von Überschussinformationen stark angestiegen. Hierfür bekräftigt Art. 9 E-GUMG das Verhältnismässigkeitsprinzip spezifisch für genetische Untersuchungen, indem Überschussinformationen grundsätzlich so weit als möglich zu vermeiden sind. Konkret führt dies dazu, dass wenn verschiedene Untersuchungsmethoden vorliegen, zwingend die Methode zu wählen ist, welche keine bzw. weniger Überschussinformationen generiert. Darüber hinaus gilt es bereits im Rahmen der Aufklärung gemäss Art. 6 E-GUMG auf die Möglichkeit der Generierung von Überschussinformationen hinzuweisen, als auch auf die verschiedenen Arten von Informationen.

Nichtsdestotrotz lässt sich in vielen Fällen die Entstehung von Überschussinformationen nicht verhindern. Ausserhalb des medizinischen Bereichs dürfen diese Informationen dem Betroffenen gemäss Entwurf gleichwohl nicht bekanntgegeben werden. Denn nach Art. 33 E-GUMG dürfen nur Ergebnisse der Untersuchung mitgeteilt werden, die deren Zweck entsprechen. Dient ein Test etwa der Abklärung einer sportlichen Veranlagung, so dürfen mit dem Testresultat nur Aussagen zu dieser Veranlagung gemacht werden, selbst wenn die dafür verwendete Methode auch weitere Resultate liefert, bspw. zum Verletzungsrisiko. Diese Einschränkung der Information muss bereits im Rahmen der Aufklärung dargelegt werden (vgl. Art. 6 Bst. d). Überschussinformationen dürfen nur im medizinischen Bereich im Ergebnisbericht thematisiert werden (vgl. Art. 27 E-GUMG).

Zulässige Dauer der Aufbewahrung von Proben und Daten

Ausgehend vom datenschutzrechtlichen Verhältnismässigkeitsprinzip regelt der neu beigefügte Art. 11 E-GUMG die erlaubte Dauer der Aufbewahrung für Proben und genetische Daten für den gesamten Geltungsbereichs des Gesetzes. Grundsätzlich dürfen Proben und Daten nur so lange aufbewahrt werden, als dies für den damit verfolgten Zweck erforderlich ist.

  • Proben und Daten im medizinischen Bereich: Es wird keine fixe Maximaldauer festgelegt, um eine möglichst hohe Anpassungsfähigkeit zu wahren. Da die Adressaten meist Laboratorien sind, welche unter Aufsicht stehen, lässt sich dies ohne gröbere Bedenken vertreten.
  • Proben und Daten ausserhalb des medizinischen Bereichs: Art. 11 Abs. 2 E-GUMG legt die maximale Aufhebungsdauer auf 2 Jahre. Der Grund für die strengere Regelung ist auf die meist fehlende behördliche Aufsicht der Adressaten dieser Bestimmung zurückzuführen.

Eine längere Aufbewahrung ist in beiden genannten Fällen zulässig, sofern das Einverständnis des Betroffenen zur Verwendung zu einem anderen Zweck nach Art. 12 E-GUMG vorliegt. Dieser Vorbehalt dient der stärkeren Umsetzung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung.

Ausführliche Regelung der Auskunftspflicht

Der Entwurf enthält ausserdem in Art. 6 neu eine nicht abschliessende Auflistung der wesentlichen Punkte, über welche der Betroffene einer Untersuchung aufzuklären ist (u.a. Zweck, Risiken, Aufbewahrung, Überschussinformationen, Rechte der Betroffenen). Darüber hinaus gelten zusätzlich spezifische Anforderungen für die verschiedenen Kategorien von Untersuchung.

Aus datenschutzrechtlicher Sicht bestehen gewisse Anforderungen an den nötigen Umfang der Mindestaufklärung. Als Massstab hierfür dient die Konvention 108 des Europarats, welche die Schweiz aufgrund völkerrechtlicher Verpflichtung zu erfüllen hat. Diese Voraussetzungen sind in Art. 6 E-GUMG nun konform umgesetzt.

Regelung für Direktabgabe und Online-Vertrieb von Gentests

Der Entwurf sieht weiterhin vor, dass genetische Untersuchungen im medizinischen Bereich nur durch Ärzte veranlasst werden dürfen. Eine direkte Abgabe an Konsumenten, namentlich im Online-Vertrieb, soll demnach auch künftig verboten sein. Nach der aktuellen Praxis des Bundesamts für Gesundheit (BAG) ist es jedoch ausserhalb des medizinischen Bereichs grundsätzlich erlaubt, Gentests direkt an Kunden zu verkaufen.

Geht es nach dem Entwurf soll dies allerdings künftig nur noch für nicht-medizinische Gentests gelten, welche nicht der Abklärung von besonders schützenswerter Eigenschaften der Persönlichkeit dienen (vgl. Art. 13 und Art. 31 E-GUMG). Hierzu zählen unter anderem Untersuchungen, welche über physiologische Eigenschaften oder die körperliche Verfassung Auskunft geben. Als Beispiel nennt der Bundesrat Untersuchungen zur Abklärung des Stoffwechseltyps, um in der Folge mittels geeigneter Ernährung oder sportlicher Aktivität das Gewicht zu optimieren, oder Abklärungen zur Eignung für bestimmte Sportarten. Auch Gentests, welche Aufschluss über persönlichen Eigenschaften wie Charaktereigenschaften oder Verhalten (z. B. Intelligenz oder Aggressionspotenzial) oder die Herkunft (z.B. Ahnenforschung) geben, zählen hierzu. Solche Tests dürfen gemäss Entwurf nur noch von spezifischen Gesundheitsfachpersonen veranlasst werden (Art. 34 E-GUMG). Nur für die übrigen genetischen, nicht-medizinischen Untersuchungen soll eine direkte Abgabe an Konsumenten erlaubt sein.

In der Praxis sind es allerdings vor allem Unternehmen aus dem Ausland, welche eine Vielzahl von Tests im Internet anbieten. Deren Angebot beschränkt sich keineswegs auf Gentests ausserhalb des medizinischen Bereichs, sondern umfasst oftmals „heimliche“ Vaterschaftstests oder Tests zu Krankheitsveranlagungen. Der Entwurf enthält deshalb zwar erweiterte Strafbestimmungen, jedoch wird die Durchsetzung der Vorgaben auf internationaler Ebene weiterhin nur schwer möglich sein, handelt es sich doch dabei um einseitige, nationale Regelungen.

Rechtslage in der EU

Die Schweiz war bereits mit der Verabschiedung des geltenden GUMG im Jahre 2004 eine Vorreiterin im Rechtsbereich der genetischen Untersuchungen; zu diesem Zeitpunkt kannten lediglich zwei weitere Länder in Europa Regelungen in diesem Gebiet. Obwohl die meisten Staaten Europas mittlerweile gewisse Vorgaben für genetische Untersuchungen aufgestellt haben, beschränkt sich deren Geltungsbereich, wie das gegenwärtige GUMG, auf Untersuchungen im medizinischen Bereich.

Auf Ebene der Europäischen Union bestehen keine spezifischen Regelungen betreffend genetische Untersuchungen. Hinsichtlich datenschutzrechtlicher Vorgaben zum Umgang mit und zur Verwendung von genetischen Daten sei jedoch auf die EU-Datenschutzgrundverordnung (EU-DSGVO, Verordnung 2016/679/EU; vgl. dazu MLL-News vom 14.1.2016) hingewiesen, welche in Art. 4 Ziffer 13 den Begriff „genetische Daten“ definiert und diese sodann den besonderen Datenkategorien zuordnet, für welche strengere Schutzanforderungen gelten.

Fazit

Zusammenfassend ist festzustellen, dass sich vor allem die Verstärkung des Selbstbestimmungsrechts als auch des Datenschutzes als roter Faden durch sämtliche neuen Bestimmungen zieht. Die vorgeschlagenen Klarstellungen dürften die Rechtsunsicherheit hinsichtlich verschiedener Punkte verringern und sind deshalb zu begrüssen. Inwiefern die neue Regelung allerdings flexibel genug ist, um zukünftigen Entwicklungen ausreichend Rechnung zu tragen und sich in einem Gebiet, welches von technischem Fortschritt beherrscht wird, durchzusetzen vermag, bleibt abzuwarten. Zunächst muss der Entwurf ohnehin noch vom Parlament beraten werden.

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