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Am 20. November 2013 hat der Bundesrat die Verordnung gegen übermässige Vergütungen bei börsenkotierten Aktiengesellschaften (VegüV) auf den 1. Januar 2014 in Kraft gesetzt (der Titel des Entwurfs lautete „Verordnung gegen die Abzockerei“). Die VegüV wird solange gelten, bis das Parlament die neuen Verfassungsbestimmungen der „Minder-Initiative“ auf Gesetzesstufe umgesetzt hat. Der vorliegende Beitrag soll aufzeigen, wo bei den betroffenen Schweizer Aktiengesellschaften, deren Aktien an einer in- oder ausländischen Börse kotiert sind, Handlungsbedarf besteht.
Jährliche Wahl durch die Generalversammlung
Ab 1. Januar 2014 muss die ordentliche Generalversammlung jährlich und einzeln die Mitglieder und den Präsidenten des Verwaltungsrates, die Mitglieder des Vergütungsausschusses (welche Mitglieder des Verwaltungsrates sein müssen) sowie im Hinblick auf die nächste Generalversammlung den unabhängigen Stimmrechtsvertreter wählen. Wer dies als Mitglied des Verwaltungsrates wider besseres Wissen verhindert, kann strafrechtlich verantwortlich gemacht werden. Die Einzelwahl zum Mitglied und Präsidenten des Verwaltungsrats bzw. zum Mitglied des Verwaltungsrats und Mitglied des Vergütungsausschusses kann in einem Schritt erfolgen. Hat die Generalversammlung für die ordentliche Generalversammlung 2014 noch keinen unabhängigen Stimmrechtsvertreter gewählt, so ist dieser vom Verwaltungsrat zu bestimmen. Falls das Amt des Präsidenten vakant wird oder der Vergütungsausschuss nicht vollständig besetzt ist, so ernennt der Verwaltungsrat für den Rest der Amtsdauer einen neuen Präsidenten resp. die fehlenden Mitglieder des Vergütungsausschusses, sofern die Gesellschaft in den Statuten nicht etwas anderes vorsieht.
Die Organ- und Depotstimmrechtsvertretung ist ab dem 1. Januar 2014 nicht mehr erlaubt. Mitglieder des Verwaltungsrates, welche eine solche wider besseres Wissen einsetzen, können sich strafbar machen. Spätestens ab der ordentlichen Generalversammlung 2015 müssen die Aktionäre die Möglichkeit haben, dem unabhängigen Stimmrechtsvertreter auf elektronischem Weg Vollmachten und Weisungen zu erteilen (sog. „indirect voting“). Auch hier können die Mitglieder des Verwaltungsrates strafrechtlich sanktioniert werden, wenn sie die notwendigen Vorkehrungen wider besseres Wissen unterlassen und somit dem unabhängigen Stimmrechtsvertreter keine Vollmachten und Weisungen erteilt werden können. Eine direkte elektronische Stimmabgabe ist zulässig, jedoch nicht zwingend vorgeschrieben.
Abstimmung der Generalversammlung über die Vergütungen
Die Generalversammlung muss jährlich (spätestens an der zweiten ordentlichen Generalversammlung nach Inkrafttreten der VegüV) gesondert über die Gesamtsumme aller Vergütungen des Verwaltungsrats, der Geschäftsleitung und des Beirats abstimmen. Diese Abstimmung hat bindende Wirkung. Mitglieder des Verwaltungsrates können sich strafbar machen, wenn sie die Aktionäre wider besseres Wissen erfolgreich an der Abstimmung hindern. Die Einzelheiten über die Abstimmung muss die Gesellschaft in den Statuten regeln. Die Statutenanpassung hat spätestens an der zweiten ordentlichen Generalversammlung nach Inkrafttreten der VegüV zu erfolgen. Sind die Einzelheiten der Abstimmung an der zweiten ordentlichen Generalversammlung noch nicht in den Statuten geregelt, so werden die Einzelheiten vom Verwaltungsrat festgelegt. Die Abstimmung kann prospektiv, d.h. für die Dauer bis zur nächsten ordentlichen Generalversammlung (oder auch für die Dauer des nächsten Geschäftsjahrs) oder retrospektiv für eine vergangene Referenzperiode erfolgen. Denkbar ist auch eine Mischform, d.h. retrospektiv für die variablen Vergütungen und prospektiv für die fixen Vergütungen. Die gewählte Referenzperiode muss für die Mitglieder des Verwaltungsrats nicht gleich sein wie für die Mitglieder der Geschäftsleitung. In den Statuten ist auch festzulegen, ob die Abstimmung als Genehmigung (ohne Antragsrecht der Aktionäre) oder als Beschluss (mit Antragsrecht der Aktionäre) durchzuführen ist. Werden die Vergütungen von der Generalversammlung abgelehnt, so kann das weitere Vorgehen in den Statuten geregelt werden, z.B. dass der Verwaltungsrat an der gleichen Versammlung einen neuen Antrag stellen kann oder innerhalb einer bestimmten Frist eine ausserordentliche Generalversammlung einzuberufen hat.
Für den Fall, dass die Generalversammlung prospektiv abstimmt, kann die Gesellschaft in den Statuten für die Vergütungen von Mitgliedern der Geschäftsleitung, welche nach der Abstimmung ernannt werden, einen bestimmten oder bestimmbaren Zusatzbetrag vorsehen, welcher den Gesamtbetrag der bereits gutgeheissenen Vergütungen für die Geschäftsleitung erweitert und über dessen Ausrichtung nicht mehr die Generalversammlung abstimmen muss. Dieser Zusatzbetrag darf jedoch nur verwendet werden, wenn der von der Generalversammlung beschlossene Gesamtbetrag bis zur nächsten Abstimmung der Generalversammlung nicht ausreicht.
Der Verwaltungsrat muss für das Geschäftsjahr, das am 1. Januar 2014 oder danach beginnt, einen Vergütungsbericht erstellen. Der Vergütungsbericht gibt die Höhe des Gesamtbetrages für den Verwaltungsrat, die Geschäftsleitung und den Beirat gesondert sowie die Vergütung jedes Mitglieds des Verwaltungs- und Beirats unter Nennung des Namens und der Funktion an. Bei der Geschäftsleitung ist der höchste auf ein Mitglied entfallende Betrag unter Nennung des Namens und der Funktion anzugeben. Die Revisionsstelle hat zu prüfen, ob der Vergütungsbericht dem Gesetz und der VegüV entspricht und erstattet der Generalversammlung schriftlich Bericht über das Ergebnis der Prüfung. Der Bericht ist den Aktionären spätestens 20 Tage vor der ordentlichen Generalversammlung am Gesellschaftssitz aufzulegen und wird auf Verlangen zugestellt.
Unzulässige Vergütungen
Ab 1. Januar 2014 dürfen für Mitglieder des Verwaltungsrates, der Geschäftsleitung und des Beirates keine vertraglich oder statutarisch vorgesehenen Abgangsentschädigungen, Vergütungen im Voraus und Provisionen für konzerninterne Umstrukturierungen entrichtet werden. Wer als Mitglied des Verwaltungsrates, der Geschäftsleitung oder des Beirates wider besseres Wissen solche Vergütungen ausrichtet oder bezieht, kann sich strafbar machen. Von den unzulässigen Vergütungen im Voraus sind die Antrittsprämien zu unterscheiden, welche weiterhin zulässig sind. Antrittsprämien sind Entschädigungen für Ansprüche des Arbeitnehmers gegenüber seinem bisherigen Arbeitgeber, die infolge des Stellenwechsels entfallen. Auch marktgerechte Karenzentschädigungen für nachvertragliche Konkurrenzverbote bleiben weiterhin zulässig. Der Erläuterungsbericht macht jedoch klar, dass solche Karenzentschädigungen sowie befristete langjährige Arbeitsverträge auch verdeckte Abgangsentschädigungen darstellen können. Die Dauer eines befristeten Arbeitsvertrags und die Dauer der Kündigungsfrist eines unbefristeten Arbeitsvertrags darf gemäss VegüV maximal ein Jahr betragen. Die bestehenden Arbeitsverträge müssen bis spätestens 1. Januar 2016 entsprechend angepasst werden. Während dieser Zeit dürfen jedoch vertraglich zugesicherte Vergütungen, welche sich auf im Zeitpunkt des Inkrafttretens der VegüV bestehende Arbeitsverträge stützen, weiterhin ausgerichtet werden. Unzulässig sind, sofern nicht in den Statuten vorgesehen, Darlehen, Kredite, Vorsorgeleistungen ausserhalb der beruflichen Vorsorge und erfolgsabhängige Vergütungen sowie die Zuteilung von Beteiligungspapieren, Wandel- und Optionsrechten. Bis zur zweiten ordentlichen Generalversammlung nach Inkrafttreten der VegüV ist die Ausrichtung dieser Vergütungen jedoch noch ohne verordnungskonforme statutarische Grundlage zulässig.
Vorsorgeeinrichtungen
Vorsorgeeinrichtungen, welche dem Freizügigkeitsgesetz unterstellt sind, unterliegen bei direkt gehaltenen Aktien ab dem 1. Januar 2015 der Stimmpflicht und somit auch der Pflicht, sich ins Aktienregister von börsenkotierten Gesellschaften eintragen zu lassen. Bei indirekt gehaltenen Aktien findet die Stimmpflicht nur Anwendung, wenn der Vorsorgeeinrichtung ein Stimmrecht eingeräumt wird oder die Vorsorgeeinrichtung den Fonds kontrolliert (z.B. Ein-Anleger-Fonds). Die Stimmpflicht bezieht sich auf angekündigte Anträge des Verwaltungsrates betreffend einzelne in der VegüV aufgeführte Punkte (Wahlen, Statutenbestimmungen und Vergütungen). Stimmenthaltung ist zulässig, sofern dies dem Interesse der Versicherten entspricht. Das oberste Organ der Vorsorgeeinrichtung muss die Grundsätze festlegen, welche das Interesse der Versicherten konkretisieren.
Die Vorsorgeeinrichtung muss mindestens einmal jährlich in einem zusammenfassenden Bericht ihren Versicherten Rechenschaft ablegen, wie sie ihrer Stimmpflicht nachgekommen ist. Die Verletzung der Stimmpflicht oder Offenlegungspflicht wider besseres Wissen durch Mitglieder des obersten Organs oder mit der Geschäftsführung betraute Personen einer betroffenen Vorsorgeeinrichtung kann strafrechtlich sanktioniert werden.
Strafbestimmungen: Täterkreis und Strafandrohung
Bei den Strafbestimmungen handelt es sich um Sonderdelikte. Als Täter kommen bezüglich Ausrichtung oder Bezug von unzulässigen Vergütungen primär nur die Mitglieder des Verwaltungsrates, der Geschäftsleitung und des Beirates in Frage. Bei den übrigen Straftatbeständen wird der Kreis der Täter weiter eingeschränkt auf Mitglieder des Verwaltungsrates. Rechtsanwälte, Treuhänder oder die Revisionsstellen können sich jedoch als Anstifter oder Gehilfen strafbar machen. Bei Vorsorgeeinrichtungen kommen die mit der Geschäftsführung betrauten Personen oder Mitglieder des obersten Organs als Täter in Frage. Beruht die Widerhandlung auf einem Gremiumsentscheid (z.B. Beschluss des Verwaltungsrates), so soll jedes Mitglied nach seinem Stimmverhalten beurteilt werden, wobei sich nach dem Zurechnungsprinzip nur die dem Entscheid zustimmenden Mitglieder strafbar machen können.
Die Strafandrohung beträgt bezüglich Ausrichtung oder Bezug von unzulässigen Vergütungen für Mitglieder des Verwaltungsrates, der Geschäftsleitung und des Beirates Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren und Geldstrafe. Bei den übrigen Straftatbeständen ist die Strafandrohung für die Mitglieder des Verwaltungsrates milder und es droht eine Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder eine Geldstrafe. Bei den Vorsorgeeinrichtungen beträgt die Strafandrohung Geldstrafe bis zu 180 Tagessätzen. Sämtliche Widerhandlungen sind nur strafbar, wenn sie wider besseres Wissen, d.h. mit sicherem Wissen (Gewissheit) begangen werden. Eventualvorsätzliches oder fahrlässiges Handeln ist somit nicht strafbar.
Handlungsbedarf insbesondere bei den Statuten und Arbeitsverträgen
Schweizer Aktiengesellschaften, deren Aktien an einer in- oder ausländischen Börse kotiert sind, müssen ihre Statuten und Reglemente spätestens an der zweiten ordentlichen Generalversammlung nach Inkrafttreten der VegüV angepasst haben.
Zu vier Bereichen haben die Statuten zwingend Bestimmungen zu enthalten:
1) zur zulässigen Anzahl der konzernexternen Tätigkeiten der Mitglieder des Verwaltungsrates, der Geschäftsleitung und des Beirates in den obersten Leitungs- oder Verwaltungsorganen von Rechtseinheiten, die verpflichtet sind, sich ins Handelsregister (oder entsprechendes ausländisches Register) eintragen zu lassen;
2) zur zulässigen Dauer der Arbeitsverträge für die Mitglieder des Verwaltungsrates und der Geschäftsleitung (Dauer und Kündigungsfrist dürfen höchstens ein Jahr betragen – die Arbeitsverträge sind bis spätestens 1. Januar 2016 anzupassen);
3) über die Grundsätze zu den Aufgaben und Zuständigkeiten des Vergütungsausschusses; und
4) zu den Einzelheiten zur Abstimmung der Generalversammlung über die Vergütungen, die der Verwaltungsrat, die Geschäftsleitung und der Beirat direkt oder indirekt von der Gesellschaft erhalten.
Wer als Mitglied des Verwaltungsrates wider besseres Wissen verhindert, dass die Statuten Bestimmungen zu Ziff. 1 und 2 oben enthalten, z.B. durch das Nichtstellen des entsprechenden Antrages, kann sich strafbar machen.
Ferner müssen die folgenden Bestimmungen in die Statuten aufgenommen werden, um verbindlich zu sein (sog. bedingt notwendiger Statuteninhalt):
1) über die Höhe allfälliger Darlehen, Kredite und Vorsorgeleistungen ausserhalb der beruflichen Vorsorge für die Mitglieder des Verwaltungsrats, der Geschäftsleitung und des Beirats;
2) über die Grundsätze der erfolgsabhängigen Vergütungen, der Zuteilung von Beteiligungspapieren, Wandel- oder Optionsrechten an die Mitglieder des Verwaltungsrats, der Geschäftsleitung und des Beirats;
3) über die Ermächtigung zur Übertragung der Geschäftsführung (die Übertragung darf jedoch nicht an eine juristische Person erfolgen – mit Ausnahme der Übertragung der Vermögensverwaltung);
4) über den Zusatzbetrag für die Vergütungen von Mitgliedern der Geschäftsleitung, die nach der Abstimmung der Generalversammlung über die Vergütungen ernannt werden;
5) über die Einzelheiten des weiteren Vorgehens bei einer Ablehnung der Vergütungen durch die Generalversammlung;
6) über die Behebung eines Organisationsmangels im Falle einer Vakanz des Präsidenten, eines Mitglieds des Vergütungsausschusses oder des unabhängigen Stimmrechtsvertreters, sofern nicht dem Verwaltungsrat diese Kompetenz zukommen sollte; und
7) über die Vergütungen an Mitglieder des Verwaltungsrates, der Geschäftsleitung und des Beirates für Tätigkeiten in Unternehmen, die durch die Gesellschaft direkt oder indirekt kontrolliert werden.