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Die EU Kommission hat am 16. Mai 2012 einen wichtigen Beschluss zur Liste mit gesundheitsbezogenen Angaben (sog. Health Claims) auf Lebensmitteletiketten und in der Werbung gefällt. Ab dem 14. Dezember 2012 dürfen nur noch Health Claims verwendet werden, die zugelassen sind oder für die noch ein aktuelles Zulassungsverfahren läuft. Die Lebensmittelhersteller haben sechs Monate Zeit, Anpassungen an die neuen Anforderungen vorzunehmen. Anlässlich dieses Beschlusses nutzen wir die Gelegenheit, einen Blick auf die Rechtslage in der Schweiz zu werfen und stellen Ihnen in einer kurzen Übersicht die aktuelle Revision des schweizerischen Lebensmittelgesetzes (LMG) dar.
Beschluss der EU Kommission zur Liste mit gesundheitsbezogenen Angaben (Health Claims)
Die EU Kommission hat nach langjähriger Prüfung am 16. Mai 2012 eine Liste mit 222 gesundheitsbezogenen Angaben genehmigt (Verordnung (EU) Nr. 432/2012). Diese Liste basiert auf fundierten wissenschaftlichen Untersuchungen und ist in der gesamten EU gültig. Geregelt wird darin beispielsweise, inwiefern man in der Werbung eine Aussage über die Wirkung von Kalzium auf Knochen oder von Vitamin C auf das Immunsystem machen darf. Gesundheitsbezogene Angaben sind ein äusserst wirksames und gleichzeitig sensibles Verkaufsargument. Konsumenten sollen durch die Liste in ihren Kaufentscheidungen sachgerecht unterstützt und vor irreführenden Angaben geschützt werden. Für Hersteller bietet die Liste zudem eine gewisse Rechtssicherheit. Gestützt auf die Liste fallen Entscheidungen leichter, welche Angaben zulässig sind und welche nicht.
Endgültig zugelassene Angaben werden in das Unionsregister der nährwert- und gesundheitsbezogenen Angaben über Lebensmittel aufgenommen (vgl. dazu auch die Verordnung (EG) Nr. 1924/2006). Das Register enthält neben den zugelassenen Angaben und deren Bedingungen für ihre Verwendung auch eine Liste abgelehnter gesundheitsbezogener Angaben und die Gründe für ihre Ablehnung. Das Unionsregister ist eine interaktive Datenbank, die über die Website der Kommission zugänglich ist. Ab dem 14. Dezember 2012 sind alle Health Claims verboten, die nicht zugelassenen sind (Verbotsprinzip mit Erlaubnisvorbehalt) und für die kein aktuelles Zulassungsverfahren läuft.
Die Liste mit den zugelassenen gesundheitsbezogenen Angaben ist noch nicht ganz fertig. Health Claims, für die ein aktuelles Zulassungsverfahren noch nicht abgeschlossen werden konnte, werden auf der Website der Kommission veröffentlicht und dürfen gemäss Artikel 28 Absätze 5 und 6 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 weiter verwendet werden. Die Lebensmittelhersteller haben nun sechs Monate Zeit, Anpassungen an die neuen Anforderungen vorzunehmen.
Besonders interessant ist diese Liste hinsichtlich Werbung und Kennzeichnung von Functional Food, d.h. Lebensmittel mit spezifischem Zusatznutzen, wie beispielsweise Joghurt mit Bakterienkulturen, mit den Vitaminen A-C-E angereicherte Fruchtsäfte, Margarine mit pflanzlichen Sterinen. Kritiker befürchten aber, dass Unternehmen diese Liste sehr gezielt nutzen werden, um Lebensmittel so herzustellen, dass sie mit Health Claims beworben werden dürfen (z.B. Zugabe nur bestimmter Vitamine und Mineralstoffe).
Zulässigkeit von Health-Claims in der Schweiz
Auch in der Schweiz sollen Health Claims selbstverständlich nur erlaubt sein, wenn sie halten, was sie versprechen. Nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben sind in der Verordnung über die Kennzeichnung und Anpreisung von Lebensmitteln (LKV) geregelt. Zulässig sind in der Schweiz grundsätzlich diejenigen gesundheitsbezogenen Angaben, die in Anhang 8 LKV aufgelistet sind. Health Claims, die nicht in Anhang 8 LKV aufgeführt sind, sind aber nicht per se unzulässig, sie bedürfen jedoch einer Bewilligung durch das Bundesamt für Gesundheit (BAG). Die schweizerischen Bestimmungen lehnen sich eng an die EU-Verordnung (EG) 1924/2006. Die Schweiz wird entsprechende Anpassung vornehmen und auch die von der EU veröffentlichte Liste übernehmen.
Revision des Lebensmittelgesetzes in der Schweiz
Am 25. Mai 2011 hat der Bundesrat die Botschaft und den Entwurf des Bundesgesetzes über Lebensmittel und Gebrauchsgegenstände (E-LMG) verabschiedet (BBl 2011 5571). Die Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit des Nationalrates (SGK-NR) ist im Januar 2012 mit 18 zu 7 Stimmen auf den Entwurf eingetreten und führt nun die Detailberatung durch. Mit der Inkraftsetzung ist frühestens 2014 zu rechnen.
Die Revision des LMG dient primär der Harmonisierung mit dem EU-Recht auf Gesetzesstufe und bezweckt die Stärkung des Konsumentenschutzes und den Abbau von Handelshemmnissen. Sie legt die Grundsteine für die Verhandlung über die Teilnahme der Schweiz an internationalen Schnellwarnsystemen (RASFF und RAPEX) und den Zugriff auf die wissenschaftlichen Beurteilungen von Risiken im Zusammenhang mit Lebensmitteln, Gebrauchsgegenständen und Kosmetika.
Eine Anpassung drängt sich auch aufgrund der Einführung des Cassis-de-Dijon-Prinzips auf. Mit Inkrafttreten der Revision des Bundesgesetzes über die technischen Handelshemmnisse (THG) am 1. Juli 2010 sollen Lebensmittel und Gebrauchsgegenstände, die in der EU (bzw. dem EWR) rechtmässig im Verkehr sind, auch in der Schweiz frei zirkulieren können. Lebensmittel bedürfen vorgängig jedoch einer Bewilligung des Bundesamtes für Gesundheit (vgl. dazu auch BR-News vom 10.5.2010). Die Anwendung des Cassis-de-Dijon-Prinzips auf Lebensmittel wird aber teilweise stark kritisiert.
Der Entwurf sieht unter anderem folgende Änderungen vor:
- Übernahme von Begriffen und Definitionen des EU-Rechts
Im Vordergrund steht die Übernahme des Lebensmittelbegriffs nach Artikel 2 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002. Anders als bisher werden die Lebensmittel nicht mehr in Nahrungs- und Genussmittel unterteilt und Tabak und Tabakerzeugnisse gelten nach E-LMG nicht mehr als Lebensmittel (dafür wird ein neues Tabakproduktegesetz erlassen).
- Einführung des Täuschungsverbots für bestimmte Gebrauchsgegenstände
Das Täuschungsverbot gilt nach schweizerischem Lebensmittelrecht bisher nur für Lebensmittel. Neu sollen dem Täuschungsverbot auch Kosmetika und Bedarfsgegenstände unterstellt werden. Bisher war irreführende Werbung zwar auch für diese Produkte nach dem Bundesgesetz gegen unlautere Werbung (UWG) verboten. Verstösse wurden jedoch bis anhin nur ausnahmsweise von Amtes wegen verfolgt, wenn die Werbung heilanpreisende Wirkung bei Krankheiten verspricht (vgl. dazu auch BR-News vom 4.8.2011). Neu würden die mit dem Vollzug des Lebensmittelgesetzes betrauten Behörden somit auch von Amtes wegen gegen jegliche täuschende Werbung für Kosmetika oder Bedarfsgegenstände vorgehen können.
- Explizite Verankerung des Vorsorgeprinzips im Gesetz
Das Vorsorgeprinzip wird im geltenden Lebensmittelgesetz in verschiedenen Bereichen berücksichtigt (vgl. z.B. Art. 30 LMG), wird aber bisher nicht explizit aufgeführt. Im E-LMG wird dieses Prinzip nun explizit verankert.
- Verzicht auf Toleranzwerte für Mikroorganismen, Fremd- und Inhaltsstoffe zugunsten von Höchstmengen
Nach E-LMG wird auf die bisher geltenden Toleranzwerte zugunsten von Höchstwerten analog der EU-Regelung verzichtet. Durch einen Verzicht auf die Erwähnung von Grenz- und Toleranzwerten im E-LMG wird die Umsetzung auf Verordnungsstufe ermöglicht.
- Aufgabe des Positivprinzips
Lebensmittel sind nach E-LMG verkehrsfähig, wenn sie sicher sind und das Täuschungsverbot beachtet wird. Nach dem Positivprinzip mussten Lebensmittel in der Schweiz bisher entweder im Lebensmittelrecht umschrieben oder bewilligt sein, damit sie verkehrsfähig sind.
- Dusch- und Badewasser sollen neu dem Geltungsbereich des LMG unterstellt werden
Die Anforderungen an Dusch- und Badewasser lassen sich bis heute keiner Bundesgesetzgebung zuordnen. Neu sollen sie grundsätzlich als Gebrauchsgegenstände dem Lebensmittelgesetz unterstellt werden.
- Verbesserte Transparenz
Die Transparenz bei der Beachtung der gesetzlichen Vorgaben durch die Lebensmittelbetriebe soll verbessert werden.
Gewisse Abweichungen zum EU-Recht bleiben aber auch nach der geplanten Revision bestehen. Von Bedeutung ist, dass die Schweiz auch im E-LMG Lebensmittel und Gebrauchsgegenstände weiterhin gemeinsam behandelt. In der EU werden diese hingegen getrennt in der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 resp. in der Richtlinie 2001/95/EG geregelt. Im Gegensatz zum EU-Recht werden alsdann Futtermittel nicht vom E-LMG erfasst. Ferner soll an der grundsätzlichen Pflicht zur Angabe des Produktionslandes und der Herkunft des Hauptrohstoffes in der Schweiz nach E-LMG festgehalten werden. In der EU muss die Herkunft hingegen nur bei bestimmten Lebensmitteln angegeben werden (z.B. Rindfleisch und Rindfleischerzeugnisse, frisches Obst und Gemüse, Eier). Bei anderen Lebensmitteln muss die Herkunft nur angegeben werden, wenn Konsumenten ansonsten getäuscht werden könnten.
Während auf Gesetzesstufe derzeit noch grundlegende Abweichungen zum EU-Recht bestehen (die mit der bevorstehenden Revision des Lebensmittelgesetzes reduziert werden sollen), ist das schweizerische Verordnungsrecht für Lebensmittel- und Gebrauchsgegenstände bereits heute zu mehr als 90% identisch mit dem EU-Recht. Mit der aktuellen Gesetzesrevision werden die Grundlagen geschaffen, um das schweizerische Recht auch in den übrigen Bereichen an dasjenige der EU angleichen zu können. Soweit es keine allgemeingültige EU Regelung gibt, wird die Schweiz bei Bedarf aber auch weiterhin spezifische Regelungen einführen können.
Update: Health Claims: Harmonisierung mit dem EU-Recht per 1. Januar 2013
Weitere Informationen:
- Verordnung (EG) Nr. 1924/2006
- Beschluss zur Liste mit gesundheitsbezogenen Angaben
- Verordnung (EU) Nr. 432/2012
- Unionsregister
- Lebensmittelgesetz (LMG)
- Lebensmittel- und Gebrauchsgegenständeverordnung (LGV)
- Verordnung über die Kennzeichnung und Anpreisung von Lebensmitteln (LKV)
- Revisionsentwurf zum LMG
- Botschaft zur LMG-Revision
- BR-News: „Einseitige Schweizer Einführung des «Cassis-de-Dijon-Prinzips»“
- BR-News: „Interview: Irreführende Werbung für Kosmetika mit Julia Roberts“
- BR-News: „BVGer: Konsumentenschutzorganisationen sind nicht zur Beschwerde gegen Cassis-de-Dijon-Allgemeinverfügungen legitimiert“
- BR-News: „BGer zur Kennzeichnung von Lebensmitteln: «Alpen» ≠ «Alp»“