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In einem kürzlich veröffentlichten Entscheid lehnt das Handelsgericht Zürich ein vorsorgliches Vertriebsverbot für parallelimportierte Haarpflegemittel ab. Der Anbieter, der für diese Produkte ein selektives Vertriebssystem betreibt, beantragte das Verbot unter anderem deshalb, weil die Produkte mit einem Aufkleber verkauft wurden, der eine Übersetzung der originalen Gebrauchshinweise enthielt. Nach Ansicht des Handelsgerichts hat der Beklagte mit dieser Vorgehensweise weder Markenrechte des Klägers verletzt noch unlauteren Wettbewerb begangen. Daher bestehe keine Grundlage für das beantragte Vertriebsverbot.
Verkauf parallelimportierter Haarpflegemittel mit eigenen Gebrauchshinweis-Klebern
Ein Hersteller von Haarpflegemitteln stellte Ende 2013 fest, dass seine Produkte in den Regalen eines führenden Schweizer Kaufhauses verkauft wurden. Diese hatte der Betreiber der Kaufhäuser nicht im Rahmen des selektiven Vertriebssystems vom Schweizer Alleinvertreter erworben, sondern offenbar aus Italien und anderen Ländern parallel in die Schweiz importiert. Teilweise wurden die Produkte im Vergleich zum empfohlenen Verkaufspreis um 30 Prozent günstiger angeboten.
Auf der Rückseite der Produkte bzw. der Verpackung war jeweils ein weisser Aufkleber mit Gebrauchshinweisen angebracht. Bei den Texten auf den Aufklebern handelte es sich um Übersetzungen der Originalhinweise. Beispielsweise war gemäss Urteil ein Haaröl mit folgendem Text versehen:
„Behandlung für alle Haartypen. Dieses einzigartige mit dem Antioxidanz…öl angereicherte Formel wird sofort vom Haar aufgenommen. Das Produkt sorgt umgehend für optimierte Frisierbarkeit, Glanz und langanhaltende Pflege, ohne einen Film im Haar zu hinterlassen. Anwendung: Eine kleine Menge im feuchten oder trockenen Haar verteilen. Anschliessend wie gewohnt frisieren. Achtung: Produkt nur wie in der Anwendung beschrieben verwenden. Augenkontakt vermeiden. Nur zur äusserlichen Anwendung bestimmt.“
Hersteller beantragt vorsorgliches Verkaufsverbot
Der Hersteller war der Ansicht, dass der Sticker nicht nur wichtige Kundeninformationen verdecke, sondern auch den einheitlichen Produkteauftritt und die Ausstattung verunstalte. Auf der Verpackung sei ferner eine italienische Hotline-Nummer angegeben, welche für deutschsprachige Kunden nutzlos sei. Schliesslich werde bereits durch den Umstand, dass die seine Luxusprodukte in einer Warenhauskette angeboten werden, die gemeinhin nicht als Anbieter von edlen Luxusprodukten wahrgenommen werde, das Image seiner Marke und Produkte geschädigt. Der Hersteller verlangte daher vor dem Handelsgericht Zürich gestützt auf seine Markenrechte und auf das Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb (UWG) den Vertrieb der Produkte (vorsorglich) zu verbieten.
Grundsatz der internationalen Erschöpfung im Markenrecht
In seinem Urteil stützt sich das Handelsgericht zunächst auf den Grundsatz der internationalen Erschöpfung im Markenrecht. Dieser besagt, dass der Markeninhaber, der dem Inverkehrbringen eines Produkts mit seiner Marke in irgendeinem Land zugestimmt hat, sich grundsätzlich nicht mehr gestützt auf sein Markenrecht gegen eine Weiterverbreitung dieses Produkts, insb. gegen deren Parallelimport, zur Wehr setzen kann. Mit anderen Worten ist sein ausschliessliches Verbreitungsrecht (Art. 13 MSchG) mit dem Inverkehrbringen erschöpft.
Ohne weitere Auseinandersetzung verweist das Handelsgericht darauf, dass dieser Grundsatz der Rechtsprechung der Schweizer Gerichte entspreche und auch von der Literatur getragen werde. Gemäss Handelsgericht ist daher von einem Anspruch auf die Inverkehrsetzung parallelimportierter Markenprodukte auszugehen.
Anbringen von Warnhinweis-Aufklebern im vorliegenden Fall zulässig
Dem Hersteller schwebte nach Ansicht des Handelsgerichts offensichtlich eine Abschottung des Schweizer Marktes vor. Richtig sei, dass auch der Parallelimporteur an die Gesetze gebunden ist, insbesondere an die Regeln des Marken- und des Lauterkeitsrechts. Allerdings dürften diesen Gebieten keine übersteigerten Schutzgedanken entnommen werden, die dann doch wieder zu stossenden Beschränkungen führen könnten.
Im vorliegenden Fall sei der Kaufhausbetreiber vor dem Problem gestanden, dass die parallelimportierten Haarpflegemittel keine Angaben in deutscher Sprache enthielten. Dieses Problem sei ein ernsthaftes, weil damit zu rechnen war, dass nicht alle Kunden die aufgedruckten fremdsprachigen Texte lesen können. Zur Lösung dieses Problems habe eine andere als die Textform nicht nahegelegen. Praktikabel sei die Lösung mit einem Aufkleber, der eine Übersetzung des Originaltextes enthielt. Dieses Vorgehen des Beklagten erachtete das Gericht daher als sachlich geboten und deshalb auch vertretbar (die Qualität der Übersetzung wurde vom Hersteller nicht kritisiert).
Die Aufkleber befanden sich ferner jeweils auf der Rückseite der Produkte bzw. der Verpackung. Die Vorder- oder Hauptseite werde nicht tangiert. Daher seien die Vorwürfe des Herstellers betreffende Rufschädigung, Verunstaltung, Beeinträchtigung der Unterscheidungsfunktion und Schaffung eines minderwertigen Erscheinungsbildes haltlos. Der Aufkleber verdecke keine wichtigen Kundeninformationen, sondern liefere sie. Wer ein Produkt ohne Aufkleber wolle, müsse die Ware nicht beim Beklagten kaufen. Zudem werde die Parfümerieabteilung der Beklagten, immerhin ein führendes schweizerisches Kaufhaus, mindestens so gepflegt geführt wie ein Coiffeur-Salon. Schliesslich sei auch nicht ersichtlich, inwiefern der Beklagte eine Geschäftsbeziehung mit dem Hersteller vortäusche. Es liege weder eine Herabsetzung noch die Schaffung einer Verwechslungsgefahr vor (Art. 3 Abs. 1 lit. a und b UWG). Wer nach erlaubtem Import fehlende deutschsprachige Hinweise durch entsprechende Aufkleber liefert, verstosse jedenfalls nicht gegen Treu und Glauben im Wettbewerb und handle damit auch nicht unlauter (Art. 2 UWG). Gesamthaft bestehe offensichtlich weder im Markenrecht noch im Lauterkeitsrecht eine Grundlage für das beantragte Vertriebsverbot. Das Begehren des Herstellers wurde daher abgewiesen.
Anmerkungen
Der Entscheid betrifft eine für die Praxis wichtige Fragestellung: inwiefern dürfen parallelimportierte Produkte vom Wiederverkäufer verändert werden? In Bezug auf die Produktinformationen kann dies gerade auch deshalb relevant sein, weil für das Inverkehrbringen bestimmter Produkte sogar gesetzlich erforderlich sein kann, dass die Gebrauchs- oder Warnhinweise in der Amtssprache am Ort des Verkaufspunkts verfasst sind. Dieser Umstand wird im Entscheid nicht näher erläutert.
Jedenfalls werden Produktveränderungen im Markenrecht teilweise zumindest dann als unproblematisch eingestuft, solange die produktspezifischen Eigenschaften und Merkmale nicht wesentlich verändert werden. Das Handelsgericht geht in seiner Begründung auf diese Lehrmeinung nicht ein, was unter Umständen darauf zurückgeführt werden kann, dass es sich „nur“ um einen Entscheid über vorsorgliche Massnahmen handelt und insofern kein abschliessendes Urteil über die Rechtmässigkeit abgegeben wird.
Der Aufkleber ist nach Ansicht des Gerichts aber ein Bestandteil, der schwergewichtig lauterkeitsrechtliche Bedeutung haben könnte. Möglicherweise ging das Gericht daher implizit davon aus, dass es sich bei den Produktinformationen bzw. Gebrauchshinweisen nicht um ein spezifisches Merkmal der Haarpflege-Produkte handelt und ein Verbot gestützt auf das Markenrecht deshalb nicht in Frage kommt. Die parallel importierten Produkte waren im Übrigen offensichtlich identisch mit den vom Hersteller für die Schweiz bestimmten Produkten. Folglich erübrigte sich auch eine Stellungnahme zu der noch nicht abschliessend geklärten Frage, ob ein Markeninhaber gegen den Parallelimport seiner Produkte vorgehen kann, wenn sich das ausländische Produkt von dem unter der schweizerischen Marke vertriebenen unterscheidet.
Weitere Informationen:
Ansprechpartner: Lukas Bühlmann