HGer ZH: Namensanmassung durch Verwendung der Kurzbezeichnung einer Kantonalbank im Domain-Namen – Verbot der Nutzung des Zeichens und Übertragung der Domain-Namen als Folge


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Mit einem Widerklagebegehren forderte eine Kantonalbank das Handelsgericht Zürich auf, es sei festzustellen, dass die widerbeklagte Partei, ein Medienunternehmen aus demselben Kanton, die Namesrechte der Bank durch die Benutzung von Domain-Namen mit demselben Kurzzeichen verletzt. Das Handelsgericht anerkannte die Anträge der Kantonalbank vollumfänglich, nachdem es, auf erstaunlich einfache Art, festgestellt hatte, das die Namenskürzel von Kantonalbanken namensrechtlichen Schutz geniessen. Es liegt ein umstrittenes Urteil vor, nicht zuletzt darum, weil lauterkeitsrechtliche und markenschutzrechtliche Fragestellungen gänzlich ausgeblendet wurden.

Sachverhalt

Mit einem Widerklagebegehren hat eine Kantonalbank als Beklagte und Widerklägerin in einem Streit um die Domain-Namen „…-blog.ch“, „…-online.ch“ und „…24.ch“ vor dem Zürcher Handelsgericht obsiegt. Vor Gericht verlangte sie die Unterlassung des Gebrauchs des Kennzeichens „………“ durch die Klägerin und Widerbeklagte, ein Medienunternehmen aus demselben Kanton. Beim streitigen Kennzeichen handelt es sich um eine für Kantonalbanken übliche Namenskurzbezeichnung (ZKB, GKB, SGKB,…). Weiter sollte die Widerbeklagte angewiesen werden, die fraglichen Domain-Namen an die Widerklägerin zu übertragen. Ihren Antrag stützte die Kantonalbank auf Art. 29 Abs. 2 ZGB (Namensschutz) respektive Art. 9 Abs. 1 UWG (Abwehr von Wettbewerbsverstössen). Im vorherigen Klagebegehren verlangte das Medienunternehmen vom Handelsgericht, dass es als Eigentümerin der Domain-Namen festzustellen sei und dass es durch den Besitz oder das Eigentum an den Domain-Namen die Rechte der beklagten Kantonalbank nicht verletze. Das Handelsgericht folgte in seinem Urteil fast vollständig den Anträgen der widerklagenden Kantonalbank und verbot der Widerbeklagten die fraglichen Domain-Namen in der Schweiz zu benutzen. Weiter wurde die Widerbeklagte angewiesen, die Domain-Namen innert Frist von 30 Tagen an die Kantonalbank zu übertragen. Sein Urteil begründet das als ausserordentlich bankenfreundlich bekannte Handelsgericht Zürich einzig durch die Anwendung der Namensschutzbestimmung in Art. 29 Abs. 2 ZGB.

Anspruch aus Namensschutz – Art. 29 Abs. 2 ZGB

Das Handelsgericht Zürich hält in seinen Erwägungen zunächst fest, dass in der Schweiz keine verbindlichen Spezialvorschriften für Domain-Namen existieren. Trotzdem sei es unbestritten, dass Domain-Namen gegenüber absolut geschützten Kennzeichen Dritter genug Abstand einzuhalten haben, damit keine Verwechslungsgefahr entsteht. Wird dieser Abstand nicht eingehalten, indem sich jemand den Namen eines anderen anmasst, so kann unter Umständen auf Unterlassung dieser Anmassung nach Art. 29 Abs. 2 ZGB geklagt werden. Eine Namensanmassung ist schon dann gegeben, wenn der kennzeichnende Hauptbestandteil des Namens übernommen wird.

Laut dem Handelsgericht ist die Verwechslungsgefahr das entscheidende Kriterium bei der für die Beurteilung der Namensanmassung nach Art. 29 Abs. 2 ZGB. Insbesondere muss geprüft werden ob durch die Verwendung des gleichen oder ähnlichen Namens durch die Widerbeklagte für ihre Internetseite die Gefahr von Fehlzurechnungen geschaffen wird. Diese ist laut dem Gericht schon dann gegeben, wenn Personen die die Homepage der Kantonalbank besuchen wollen, fälschlicherweise auf der Seite der Klägerin landen.

Vorbringen der Kantonalbank

Die Kantonalbank macht geltend, dass die Kurzbezeichnungen für Kantonalbanken im Geschäftsverkehr seit jeher, sowohl durch sie selber als auch durch Dritte benutz werden und deshalb gut etabliert seien. Weiter stelle die Verwendung von Kurzbezeichnungen in Form von drei oder vier Buchstaben eine gängige Usanz der Kantonalbanken dar. Dementsprechend verwenden Personen, welche die Internetseite der Kantonalbank suchen, die Kurzbezeichnung und geraten damit aber auf die Internetseite der Klägerin. Schon deshalb liege eine ungerechtfertigte Namensanmassung vor. Die Verwechslungsgefahr werde zudem noch zusätzlich erhöht, weil die Inhalte der beiden Internetseiten ähnliche Informationen enthalten.

Diese Vorbringen bestätigt das Zürcher Handelsgericht indem es insbesondere die Kurzbezeichnungen für Kantonalbanken (beispielsweise ZKB = Zürcher Kantonalbank, OWKB = Obwaldner Kantonalbank) als gerichtsnotorisch bezeichnet. Hieraus wird geschlossen, dass die Kurzbezeichnung der Kantonalbank im Verkehr als unterscheidungskräftiger Name aufgenommen wird, womit die geforderte Individualisierungsfunktion gegeben ist.

Die Kantonalbank lancierte ihren Webauftritt im Jahr 2001, wohingegen die Klägerin den strittigen Domain-Namen erst im Jahr 2012 registrierte. Das Gericht sieht hiermit auch das Kriterium der Alterspriorität erfüllt.

Aus den Erwägungen des Gerichts ist nicht klar zu entnehmen, ob die Domain-Namen, sowohl der Klägergin als auch der Beklagten als Kennzeichen ins Markenregister eingetragen wurden. Träfe dies z. B. für die Kennzeichen der Klägerin zu, hätte sich das Gericht mit der Frage befassen müssen, wie die mit der Eintragung erworbenen Schutzrechte in diesem Zusammenhang zu werten sind.

Beurteilung der Verwechslungsgefahr

Die Verwechslungsgefahr muss nicht tatsächlich nachgewiesen werden, es genügt nachzuweisen, dass eine solche Gefahr geschaffen wurde. Um dies beurteilen zu können, müssen die fraglichen Zeichen miteinander verglichen werden und zwar aus der Sicht der beteiligten Verkehrskreise (hier wohl die jeweilige Kundschaft der Parteien).

Würdigung des Handelsgerichts

Die umstrittenen Domain-Namen, „…-blog.ch“, „…-online.ch“ und „…24.ch“, setzen sich aus zwei Elementen zusammen.

  • Das erste Element (Element 1) enthält die namensrechtlich geschützte Bezeichnung der Bank (z.B. ZKB, OWKB).
  • Das zweite Element (Element 2) beschreibt jeweils ein Tätigkeitsfeld (z.B. …-blog.ch, …-online.ch).

Dem Element 2 kommt jeweils nur eine beschreibende Funktion zu, folglich besitzen sie eine äusserst geringe Kennzeichnungskraft. Das Handelsgericht konzentriert sich darum auf das Element 1. Laut seinen Erwägungen ist es das prägende Element für den Gesamteindruck der massgebenden Verkehrskreise. Das Gericht nimmt an, dass das Kurzzeichen (Element 1) namensrechtlich geschützt ist. Darum liegt hier, nach handelsgerichtlicher Meinung, eine Namensanmassung vor.

Juristische Personen sind Träger von Namensrechten. Das Namensrecht entsteht mit dem Erwerb der Rechtspersönlichkeit. Neben dem gesetzlichen Namenserwerb, können Namensrechte auch durch einen rechtserzeugenden Namensgebrauch begründet werden. Im Falle von Abkürzungen von Kantonalbanken sieht das Handelsgericht die Voraussetzungen für einen solchen Rechtserwerb grundsätzlich als gegeben an: „Überdies ist es gerichtsnotorisch dass […] Kantonalbanken ihre Namen derart abkürzen […]. Damit ist erstellt, dass das Kurzzeichen […] im Verkehr als Name aufgefasst wird.

Voraussetzung für einen durch den Gebrauch begründeten Namenserwerb ist die dauerhafte Verkehrsgeltung. Diese ist an ein hohes Mass an Zeichenoriginalität und/oder einen verkehrsdurchsetzenden Zeichengebrauch gebunden. Ob das Kurzzeichen der Kantonalbank diese Voraussetzungen erfüllt, ist durchaus fraglich und bedürfte einer umfangreichen Prüfung. Es erstaunt, wie salopp das Gericht unter Hinweis auf angebliche Gerichtsnotorietät auf diese allgemeine Verkehrsdurchsetzung der Abkürzungen der Kantonalbanken geschlossen hat. Beide Parteien haben ihren Sitz am gleichen Ort. Hieraus schliesst das Gericht, dass der Tätigkeits- und Wirkungsbereich der Parteien zusammenfallen, sich die Parteien folglich an den gleichen Adressatenkreis richten. Da die Widerbeklagte die Kurzbezeichnung (Element 1) der Widerklägerin ihrerseits als prägenden Hauptbestandteil der Domain-Namen übernommen hat, ist die Gefahr nicht abzuwenden, dass die Klägerin von einem Nutzer (Adressat) mit der Kantonalbank verwechselt wird. Die beschreibenden Elemente (Element 2) vermögen überdies, laut Gericht, nicht genügen Abstand zur Homepage der Kantonalbank schaffen, da sie schlicht zu allgemein sind (…online, …blog, …24).

Entscheid des Gerichts

Gestützt auf diese Erwägungen zur Namensanmassung nach Art. 29 Abs. 2 ZGB gibt das Handelsgericht Zürich der Wiederklägerin bezüglich den Anträgen auf Unterlassung der Nutzung und Übertragung der Domain-Namen durch die Klägerin vollständig recht. Einzig die Ausdehnung des Urteils, weg vom Internet, hin zu allen anderen Situationen des alltäglichen Geschäftsverkehrs wird der Beklagten verwehrt. Die Widerbeklagte wird unter Strafandrohung nach Art. 292 StGB angewiesen, die Nutzung der Domain-Namens zu unterlassen und die Domain-Namen innert einer Frist von 30 Tagen an die Kantonalbank zu übertragen.

Ob die Widerbeklagte mit ihrem Handeln auch gegen Lauterkeitsrecht verstösst, konnte das Handelsgericht aufgrund der erkannten Namensanmassung offen lassen.

Kommentar

Das Handelsgericht Zürich nimmt an, dass die Namensabkürzung der Kantonalbank namensrechtlich geschützt ist. Dabei stellte es auf das Vorbringen der Kantonalbank, ihr Zeichen sei gut etabliert und werde im Geschäftsverkehr seit jeher so gebraucht, und darauf ab, dass es „gerichtsnotorisch“ sei, dass Kantonalbanken ihre Namen auf diese Weise abkürzen. Angesichts der geringen Zeichenoriginalität des Kurzzeichens (drei Buchstaben) wäre es jedoch angezeigt gewesen, den verkehrsdurchsetzenden Gebrauch des Zeichens umfassend zu prüfen.

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