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Schweizer Unternehmen erhalten häufig Abmahnungen von Rechtsvertretern deutscher Fotografen, welche ihre Bilder unter Creative Commons Lizenzen veröffentlichten. Zur rechtlichen Einordnung solcher Abmahnungen besteht in der Schweiz wenig Rechtsprechung. Ein aktuelles Urteil des Handelsgerichts Zürich, das sich mit dem Vorwurf einer Verletzung des deutschen Urheberrechts beschäftigt, zeigt, dass diese Schreiben nicht immer auf einer soliden rechtlichen Grundlage fussen und dass es sich unter Umständen durchaus lohnen kann, sich gegen die teilweise horrenden Forderungen zu wehren. Im vorliegenden Fall hat der abmahnende Fotograf die behaupteten Forderungen nach Ansicht des Gerichts nicht genügend konkret dargelegt. Gemäss Handelsgericht wäre aber ohnehin aufgrund der Kostenlosigkeit der Lizenzen kein Schadersatzanspruch ersichtlich gewesen.
Rechteverletzungen auch bei Bildern mit Creative Commons Lizenzen möglich
Bei der Veröffentlichung von Bildern, sei dies im Internet oder auf Druckerzeugnissen, sind stets Urheberrechte Dritter zu beachten. Da Urheberrechte automatisch mit der Schaffung des Werks entstehen, ist für den Schutz keine Registrierung erforderlich. Werden Urheberrechte ignoriert, indem ein Werk bspw. ohne Erlaubnis auf der eigenen Webseite verwendet wird, kann der Urheber unter anderem auf Unterlassung und Schadenersatz klagen. Mit Inkrafttreten des revidierten Schweizer Urheberrechtsgesetzes wurde der Schutz für Fotografien im Übrigen stark erweitert. Geschützt sind neu auch Fotografien, die keinen individuellen Charakter haben, also auch einfache «Knipsbilder» oder Selfies ohne bewussten Einsatz von Gestaltungsmitteln und ohne geistige Überlegungen (vgl. dazu MLL-News vom 11.5.2020).
In der Praxis führt oft auch die Nutzung und Verbreitung von Fotografien und Bildern, die auf Webseiten wie Flickr durch die jeweiligen Urheber veröffentlicht werden, zu unerwarteten Überraschungen. Solche Abbildungen dürfen zwar oft aufgrund standardisierter Creative Commons Lizenzen (CC-Lizenzen) kostenlos verwendet werden, verpflichten den Lizenznehmer aber je nach Lizenztyp zur Einhaltung der vorgesehenen Einschränkungen. So besteht bei allen CC-Lizenzen die Pflicht, den Urheber zu nennen, und darüber hinaus z.B. die Anforderung, die vom Urheber vorgesehene Bildbeschreibung zu übernehmen.
Abmahnschreiben aus Deutschland vermehrt auch in der Schweiz
Wer diese Vorgaben missachtet, wird oftmals abgemahnt und aufgefordert, eine Unterlassungserklärung zu unterzeichnen. Solche Abmahnungen im Zusammenhang mit der Verwendung von Bildern aus dem Internet kommen vorwiegend aus Deutschland, wo sich der Versand von Abmahnungen zu einem eigenen Geschäftszweig entwickelt hat (vgl. dazu MLL-News vom 30.9.2018). Insbesondere auf Plattformen wie Flickr dürfte oftmals bewusst eine grosse Anzahl von Fotografien und Bildern hochgeladen werden, um später durch das Abmahnen von Nutzern Geld zu verdienen.
Dass diese – immer mehr auch an Schweizer Adressaten versendeten – Abmahnungen vorwiegend aus Deutschland stammen, ist kein Zufall. Denn gemäss deutscher Rechtslage besteht unter gewissen Voraussetzungen ein Anspruch auf vorprozessualen Aufwendungsersatz, d.h. die Anwaltskosten für die Abmahnung können auf den Rechtsverletzer überwälzt werden. Voraussetzung dafür ist unter anderem, dass die Abmahnung berechtigt ist, also mit der Abmahnung ein bestehender und durchsetzbarer Anspruch geltend gemacht wird, und dass sie wirksam ist, d.h. die Abmahnung den im deutschen Urheberrechtsgesetz (§ 97a DE-UrhG) festgelegten formellen Ansprüchen genügt.
Dass Abmahnschreiben aus Deutschland oft auch in die Schweiz versendet werden, lässt sich einerseits damit erklären, dass für die Abmahn-Anwälte bei Adressaten in der Deutschschweiz keine sprachlichen Barrieren bestehen und andererseits damit, dass Schweizer Adressaten im Vergleich zu deutschen Adressaten eine relativ hohe Zahlungsbereitschaft aufweisen. Darüber hinaus zeigt die Praxis, dass in der Schweiz nach wie vor nur wenig über die rechtliche Legitimität entsprechender Schreiben bekannt ist und dass die oft hartnäckigen Abmahnanwälte mit Nachdruck darauf hinweisen, dass es bei Nichtzahlung zu einem gerichtlichen Prozess kommt. Als Folge zahlen viele Schweizer Adressaten die geforderten Beträge nach kurzen Verhandlungen und unterzeichnen sogleich auch eine Unterlassungserklärung. Wird dann in der Zukunft eine solche Unterlassungserklärung verletzt, was in der Praxis relativ rasch der Fall sein kann, drohen weitaus höhere Forderungen.
Abmahnung wegen Verwendung von Bildern unter CC-Lizenz vor Handelsgericht
Für Urheber und Abmahn-Anwälte dienen oft auch Bilder mit den oben erwähnten CC-Lizenzen als Abmahnungsgrundlage. So begründen Urheber ihre Abmahnung in diesem Zusammenhang in der Regel nicht mit der unrechtmässigen Nutzung oder Verbreitung von urheberrechtlich geschützten Werken, sondern mit der Verletzung der Einschränkungen der CC-Lizenz, wie in den nachfolgenden Erläuterungen zu einem aktuellen Urteil des Zürcher Handelsgerichts (HG180107) aufgezeigt wird. Das hier vorgestellte Urteil ist deswegen besonders, weil es im Zusammenhang mit deutschen Abmahnungen bislang selten zu Gerichtsverfahren in der Schweiz gekommen ist. Oft sind die von den Urhebern und Abmahn-Anwälten geforderten Beträge zu tief, als dass sich der in der Schweiz besonders kostenintensive Weg vor Gericht lohnen könnte. Anders verhielt es sich im hier vorgestellten Sachverhalt, wo sich ein Schweizer Medienunternehmen an das Handelsgericht Zürich gewendet hat, um den Nichtbestand der in der deutschen Abmahnung behaupteten Forderung feststellen zu lassen.
Das Schweizer Medienunternehmen hatte zuvor ein Abmahnschreiben aus Deutschland erhalten, in dem gestützt auf das deutsche Urheberrecht EUR 6’127.40 (davon EUR 1’642.40 als Aufwendungsersatz) und die Unterzeichnung einer Unterlassungserklärung gefordert wurden. Das Medienunternehmen hatte zehn unter einer CC-Lizenz kostenlos zur Verfügung gestellte Bilder eines deutschen Fotografen in eigenen Online-Publikationen verwendet, wobei es die gemäss relevanter CC-Lizenz erforderliche Verlinkung zum Original nicht vornahm und bei einem Bild den Urheber komplett unerwähnt liess. Das abgemahnte Unternehmen unterzeichnete zwar freiwillig die Unterlassungserklärung, wollte jedoch den geforderten Betrag nicht zahlen. Vergleichsgespräche blieben erfolglos, so dass das Schweizer Unternehmen Klage auf Feststellung des Nichtbestands der Forderung beim Handelsgericht Zürich erhob.
Taktische Überlegungen hinsichtlich Zuständigkeit und anwendbares Recht
Der Grund, warum das Schweizer Unternehmen selbst Klage erhob, anstatt die Abmahnung zu ignorieren und sich einklagen zu lassen, dürfte insbesondere in einer taktischen Überlegung hinsichtlich des Gerichtsstandorts liegen. Da ein internationaler Sachverhalt zwischen zwei Parteien in Mitgliedsstaaten des Lugano-Übereinkommens (LugÜ) vorlag, kam bei der Bestimmung des zuständigen Gerichts das LugÜ zur Anwendung. Konkret konnte eine Klage im Zusammenhang mit der Streitigkeit aus der angeblichen Urheberrechtsverletzung wahlweise in Zürich oder bei einem deutschen Gericht eingereicht werden. Um nicht vor einem deutschen Gericht prozessieren zu müssen, welches unter Umständen gegenüber Abmahnschreiben positiv(er) gestimmt ist und dessen Urteil in der Schweiz dank dem LugÜ leicht vollstreckbar ist, entschied sich der Kläger dazu, dem Urheber der verwendeten Fotografien zuvorzukommen und eine Klage am Handelsgericht Zürich anhängig zu machen, womit der Schweizer Gerichtsstand «gesichert» werden konnte.
Das Handelsgericht Zürich befasste sich in seinem Urteil mit verschiedenen rechtlichen Fragen und musste je nach zu beurteilendem Aspekt mal deutsches Recht und mal Schweizer Recht anwenden. So kam bspw. in Bezug auf die urheberrechtlichen Fragen dem Schutzlandprinzip folgend das Urheberrecht Deutschlands zur Anwendung. Geklärt wurde somit materiell die Frage, ob durch die Verwendung der Bilder durch den Kläger das deutsche Urheberrecht verletzt worden war. Hingegen kam bei prozessualen Fragen, wozu bspw. auch die Anforderungen an die Substantiierung und den Beweis zählen, dem Grundprinzip des internationalen Rechts folgend Schweizer Recht zur Anwendung.
Die Berechnung des Schadenersatzes bei Urheberrechtsverletzungen
Das Medienunternehmen hatte in der Klageschrift das Vorliegen einer Urheberrechtsverletzung bestritten. Aufgrund der Beweislastverteilung lag es am Fotografen, die im Abmahnschreiben behaupteten Verletzungshandlungen darzulegen und zu belegen. Dem kam der Beklagte aber anscheinend nicht nach. So sind die Ausführungen des Handelsgerichts zur Frage, ob im behandelten Sachverhalt überhaupt Urheberrechtsverletzungen vorliegen, auch relativ kurz gehalten: Das Gericht weist darauf hin, dass der Beklagte keinen genügenden Nachweis für die behaupteten Urheberrechtsverletzungen erbracht hat.
Ungeachtet dieses Fazits zur Urheberrechtsverletzung setzt sich das Gericht mit der Frage auseinander, ob ein Schadenersatzanspruch besteht. Das deutsche Urheberrecht gibt Urhebern, deren Rechte verletzt wurden, bei der Schadensbemessung die Wahlfreiheit zwischen drei Berechnungsarten, wobei in der Praxis meist die Berechnungsart der Lizenzanalogie gewählt wird. Hierbei wird auf eine angemessene Lizenzgebühr, die verständige Vertragspartner untereinander vereinbart hätten, abgestellt. Der Beklagte hatte im vorliegenden Verfahren zur Berechnung des geforderten Schadens auf die Honorarempfehlungen der Mittelstandsgemeinschaft Foto-Marketing zurückgegriffen, ohne darzulegen, wieso diese Empfehlungen für die Beurteilung des vorliegenden Schadens sinnvoll seien. Das Handelsgericht kritisierte dies und stellte unter Hinweis auf die Besonderheit, dass die Bilder unter den Bedingungen der CC-Lizenz kostenlos im Internet angeboten wurden, fest, dass die entsprechenden Honorarempfehlungen für den zu beurteilenden Fall nicht herangezogen werden können.
Gemäss deutschem Recht wird die angemessene Lizenzgebühr unter Berücksichtigung aller Umstände in freier Beweiswürdigung vom Richter geschätzt, wenn, wie im vorliegenden Fall, keine übliche oder vergleichbare Lizenzpraxis herangezogen werden kann. Bei der Schätzung des Schadens handelt es sich nach Ansicht des Handelsgerichts letztlich um eine prozessrechtliche Frage, weswegen für die Schätzung auf Schweizer Recht abgestellt wurde. Da jedoch weder Bestand noch Höhe des Schadens vom Beklagten genügend substantiiert wurden, konnte keine Schätzung nach Art. 42 Abs. 2 OR erfolgen. Das Handelsgericht wies überdies darauf hin, dass selbst bei einer Schätzung des Schadens gestützt auf deutsches Recht ein Schaden in der Höhe von Null resultieren würde. Hierbei stützte das Handelsgericht sich auf ein Urteil des Oberlandesgerichts Köln aus dem Jahr 2018, in dem festgestellt wurde, dass eine angemessene Lizenzgebühr im Sinne der Lizenzanalogie bei kostenlos zur Verfügung gestellten Bildern Null beträgt, da vernünftige Parteien für die Nutzung offensichtlich weder eine Lizenz gefordert noch gezahlt hätten.
Kein voraussetzungsloser Anspruch auf Aufwendungsersatz
Zuletzt beschäftigte das Handelsgericht sich in seinem Urteil mit der Forderung über EUR 1’642.40 für den Aufwendungsersatz im Zusammenhang mit den Kosten des Abmahnschreibens. Hier erinnerte das Gericht an die Voraussetzungen gemäss deutschem Urheberrecht, unter denen ein Anspruch auf solchen Aufwendungsersatz besteht. Konkret muss der Abmahnende in seinem Schreiben unter anderem in klarer und verständlicher Weise genau bezeichnen, auf welche Rechtsverletzungen er sich bezieht. Dies war vorliegend nicht geschehen. Im Abmahnschreiben, welches das Schweizer Medienunternehmen erhalten hatte, wurde generisch eine Bildnutzung ohne Billigung des Urhebers gerügt. Konkrete Ausführungen zu den Rechteverletzungen wurden nicht gemacht und insbesondere wurde mit keinem Wort die Besonderheit gewürdigt, dass es sich um eine CC-Lizenz handelte. Somit erachtete das Gericht auch die Forderung nach einem Aufwendungsersatz als unbegründet, da die Abmahnung die Voraussetzungen nach deutschem Urheberrecht nicht erfülle.
Fazit und Anmerkungen
Das Gericht kam somit zum Schluss, dass der deutsche Abmahner vorliegend in vielerlei Hinsicht seiner «Substantiierungslast» nicht nachgekommen war, konkret weder Bestand noch Höhe der Schadenersatzforderung genügend spezifiziert, begründet und belegt hatte. Das Gericht stellte auch fest, dass der abmahnende Fotograf noch nicht einmal richtig bezeichnet hatte, welche seiner Rechte genau verletzt wurden. Darüber hinaus sah es die Voraussetzungen für einen Aufwendungsersatz nach deutschem Urheberrecht als nicht gegeben an. Somit stellte das Handelsgericht insgesamt dem klägerischen Rechtsbegehren folgend fest, dass die Forderung gemäss Abmahnungsschreiben nicht besteht.
Während dieses Urteil keine allgemeine Aussage über die Rechtmässigkeit von Abmahnungen aus Deutschland erlaubt, bekräftigt das Urteil doch, dass die in Abmahnungen behaupteten Forderungen nicht selten zu Unrecht gestellt werden und dass sich eine rechtliche Prüfung der Voraussetzungen lohnen kann. Gerade bei Abmahnungen zu Werken mit CC-Lizenzen können Abmahnende sich an dem Urteil des Handelsgerichts orientieren, um die rechtliche Legitimität einzelner behaupteter Forderungen zu beurteilen.
Weitere Informationen:
- Urteil des Zürcher Handelsgerichts vom 6. Mai 2020 (HG180107-O)
- MLL-News vom 30.9.2018: «DE: aktuelle Entwicklungen zu missbräuchlichen Abmahnungen»
- MLL-News vom 11.5.2020: «Q&A zum revidierten Urheberrechtsgesetz – Klarere Grundsätze bei Fotografien»
- Urteil des Oberlandesgerichts (OLG) Köln vom 13. April 2018 (6 U 131/17)