Ihr Kontakt
Werbungen mit den Mundart-Formulierungen „die Beschte“, „de Bescht» oder „s’git nüt Bessers“ sind nicht in jedem Fall lauterkeitsrechtlich unzulässig. Sie sind namentlich dann nicht unlauter, wenn sie in Würdigung aller Umstände so zu verstehen sind, dass es sich beim beworbenen Produkt nur um ein „sehr gutes“ Produkt handle. Dies treffe insbesondere dann zu, wenn von vornherein erkennbar sei, dass es sich bei den Werbespot-Formulierungen um marktschreierische Übertreibungen handle, die von den Konsumenten von Anfang an nicht ernst genommen würden. Dies entschied das Handelsgericht Zürich in einem vor kurzem veröffentlichten Urteil. Besonderes Gewicht komme bei der Würdigung der Gesamtumstände vorliegend dem Produktsegment zu, zu welchem das beworbene Produkt zählt: Gerade im Bereich der Reinigungsmittel werde in zahlreichen Werbespots mit marktschreierisch übertriebenen Formulierungen geworben. Die Durchschnittskonsumenten wüssten deshalb, dass die Realität anders aussehe und solche Werbungen in der Regel völlig überzeichnet seien.
Werbespots für Entkalker – unlautere Aussagen?
Zu beurteilen hatte das Handelsgericht einen Streit zwischen zwei Herstellern von Haushaltreinigungsmitteln, insbesondere Produkten zur Wasserenthärtung und Entkalkung sowie zur Verhinderung von Kalkablagerungen bei der Maschinenwäsche von Textilien. Zwei Werbespots für ein solches Produkt waren Grund für den Rechtsstreit, über den das Handelsgericht zu befinden hatte. Eines der beiden Unternehmen (A) schaltete im Jahr 2010 verschiedene TV-Spots für sein Produkt C. Zwei der verwendeten Werbetexte lauteten wie folgt: „C i de Wäschchuchi, ja, das isch au für mich neu. Debi sind’s sit eh und je die Beschte, wänn’s um de Chalch gaht. C schützt d’Maschine und d’Wösch. Und drum: au wänn’s um s’Wäsche gaht – es git nüt Bessers gege de Chalch.“ (Werbespot 1) sowie „Logisch, dass mir nur de Bescht a d’Wösch gaht. Drum C, dä Wasserenthärter. C – gut für mini Wösch, gut für mini Maschine. Au wänn’s um s’Wäsche gaht – s’git nüt Bessers geg de Chalch.“ (Werbespot 2).
Das Konkurrenzunternehmen (B) erachtete diese Werbespots bzw. die darin getätigten Aussagen als unlauter und klagte vor dem Handelsgericht des Kantons Zürich. B forderte, es sei A zu verbieten, dessen Produkte mit den in den Werbespots verwendeten oder sinngemässen Angaben zu bewerben. B beanstandete, die Werbetexte seien unlauter, da sie grob irreführend seien (vgl. Art. 3 Abs. 1 lit. b UWG). Es handle sich um Alleinstellungswerbung, die voraussetzen würde, dass das Produkt von A mit einigem Abstand besser sei als die weiteren am Markt erhältlichen Produkte, was nicht zutreffe.
Frage: Angabe oder marktschreierische Äusserung?
Nach schweizerischem Recht unzulässig bzw. unlauter ist insbesondere, unrichtige oder irreführende Angaben über seine Waren oder Leistungen zu machen (vgl. Art. 3 Abs. 1 lit. b UWG). Nicht unter die genannte Bestimmung fallen jedoch Formulierungen, die reine marktschreierische Äusserungen sind. Als solche gelten Werturteile oder subjektive Meinungsäusserungen, sofern sie von den Adressaten der Werbung ohne weiteres als solche erkennbar sind und vom Publikum deshalb auch nicht ernst genommen werden.
Das Handelsgericht hatte folglich im vorliegenden Fall in erster Linie zu beurteilen, ob es sich bei den verwendeten Werbeaussagen um objektiv überprüfbare Angaben oder rein marktschreierische Äusserungen (also Werturteile) handle. Zu beurteilen waren dabei nur die Aussagen, die Superlative (sog. Alleinstellungs- bzw. Spitzengruppenbehauptungen) enthielten, also namentlich die Sätze mit den Bestandteilen „die Beschte“, „es git nüt Bessers“ und „de Bescht“. Die anderen Aussagen seien allgemeine Aussagen und könnten daher nicht verboten werden, so das Handelsgericht.
Schweizerdeutscher Text massgebend – Dialekt entschärft Aussagen
Das Gericht hielt vorerst fest, dass bei der Beurteilung der Aussagen primär der schweizerdeutsche Text heranzuziehen sei – nicht die hochdeutsche Übersetzung, die B vorgelegt hatte. Die vorliegenden Formulierungen bedeuteten zwar wörtlich genommen eine Anpreisung mit Superlativgehalt. Dies bestätige auch eine Konsultation des Dudens zum Stichwort „beste“. Es sei aber zu beachten, dass das Schweizerdeutsche nicht dieselbe präzise Ausdrucksweise wie das Hochdeutsche habe. Dass die Werbespots im Dialekt gesprochen werden, entschärfe daher die Bedeutung der Superlative.
Im Werbespot fehle zudem die Behauptung der Alleinstellung mit Bezug auf eine bestimmte Eigenschaft eines Produktes. Auch eine Gegenüberstellung zu namentlich bezeichneten Produkten anderer Hersteller oder ein sonstiger konkreter Vergleich finde nicht statt. Im Vordergrund stehe in den beiden Werbespots somit die eigene Leistung von A bzw. dessen Produkt. Die zentralen Aussagen der beiden Werbefilme seien, dass das Produkt C die Waschmaschine und die Wäsche schütze bzw. dass C sowohl für die Wäsche als auch für die Waschmaschine gut sei. Die Aussage der Werbespots sei demnach gesamthaft betrachtet nicht so zu verstehen, dass das beworbene Produkt das Beste im Sinne einer Qualifikation sei, sondern lediglich, dass es sich um ein sehr gutes Produkt handle.
Übertreibungen gerade in Werbung für Reinigungsprodukte sehr häufig
Nach Ansicht des Handelsgerichts ist zudem zu berücksichtigen, dass gerade im Bereich der Reinigungsmittelwerbung in zahlreichen Spots mit marktschreierisch übertriebenen Formulierungen für die verschiedensten Produkte geworben werde. In diesem Produktsegment würden häufig Superlative verwendet, als ob es keine Alternativen gäbe. Bekannt seien beispielsweise diverse Werbespots, in welchen extrem verschmutzte Oberflächen nach nur einem Wisch mit dem beworbenen Reinigungsprodukt wieder in strahlendem Glanz erscheinen. Auch in der Waschmittelwerbung werde häufig dargestellt, wie äussert stark verschmutzte Wäsche wieder vollkommen sauber und rein werde. Die Adressaten solcher Werbung seien sich Übertreibungen deshalb gewohnt. Normalbegabte Durchschnittsverbraucher wüssten folglich, dass die Realität anders aussehe und eine solche Werbung völlig überzeichnet sei. Entsprechend würden Werbespots mit übertriebenen Aussagen in diesem Bereich nüchtern und objektiv betrachtet. Der Konsument nähme sie in keiner Weise für voll.
Die zu beurteilenden Werbespots würden bei den Kunden folglich keine falschen Erwartungen wecken. Zu bedenken sei dabei insbesondere auch, dass es sich um Werbespots handle, die im Rahmen von Werbeblöcken ausgestrahlt würden, welche das eigentliche Fernsehprogramm unterbrechen. Diesen werde in der Regel nur geringe Aufmerksamkeit geschenkt.
Urteil: Werbespots sind nicht unlauter
Darüber hinaus ist es gemäss Handelsgericht für die Konsumenten klar erkennbar, dass die Personen in den Werbespots bezahlte Darsteller seien, die lediglich die Werbeaussagen von A bekanntgeben. Auch dies spreche dafür, dass die Aussagen nicht ernst genommen würden. Besonders gut erkennbar sei dies im Werbespot, in welchem der scherzhafte Ton der zweideutigen Anspielung „Logisch, dass mir nur de Bescht a d‘Wösch gaht“ eine allenfalls ernsthafte Aussage relativiere.
Zusammenfassend hielt das Handelsgericht schliesslich fest, dass die zu beurteilenden Werbespots in Würdigung aller Umstände nicht als ernsthafte Alleinstellungsberühmungen verstanden würden. Die Formulierungen werden gemäss Urteil des Handeslgerichts in dem Sinne verstanden, dass das beworbene Produkt ein „sehr gutes“ Produkt ist. Für die Konsumenten sei dabei von vornherein erkennbar, dass es sich bei den betroffenen Werbespots um masslose (marktschreierische) Übertreibungen handelt. Diese werden von Anfang an nicht ernstgenommen. Die Werbeaussage sei als subjektives Werturteil von A anzusehen, das sich jeder objektiven Nachprüfung entziehe.
Kommentar
Eine marktschreierische Äusserung (und daher nicht eine lauterkeitsrechtlich relevante „Angabe“) liegt – wie oben dargelegt – nach allgemeiner Auffassung dann vor, wenn es um Werturteile oder subjektive Meinungsäusserungen geht, sofern sie vom Adressaten der Werbung ohne weiteres als solche erkennbar sind und von diesen daher auch nicht ernst genommen werden. Die beiden vom Handelsgericht zu beurteilenden Werbetrailer beinhalten die Äusserungen zweier vermeintlicher, jedenfalls zufriedener Konsumenten, die offensichtlich ihre Meinung zu dem von der Beklagten vertriebenen Entkalkungsmittel zum Besten geben. Wenn das Handelsgericht in pauschaler Weise feststellt, dass Werbung namentlich für „Wasch- oder Reinigungsmittel bzw. Zusätze wie Wasserenthärter“ von jedem „normalbegabten Durchschnittsverbraucher“ regelmässig nicht „für voll“ genommen werde, dann vermag diese Begründung für die fehlende Ernsthaftigkeit nicht zu überzeugen: Liest man das Urteil, kann man sich nicht dem Eindruck entwehren, dass sich das Handelsgericht zwar mit der Transkription der Aussagen, nicht aber mit der visuellen Ausgestaltung der Spots auseinandergesetzt hat: Im Gegensatz und im Vergleich zu den hinlänglich bekannten Waschmittelwerbungen, in denen tatsächlich in offensichtlich übertriebener Weise die vermeintlichen Wirkungen der Produkte demonstriert werden (der berühmte Glanz nach einer einzigen Wischbewegung) oder vermeintliche, typischerweise in weisse Kittel gekleidete Experten in offensichtlich karikaturierter Weise zu Wort kommen, ist u.E. im hier interessierenden Fall zumindest nicht auszuschliessen, dass die beiden Protagonisten vom Durchschnittsadressaten durchaus als authentisch aufgefasst werden: Es handelt sich um Personen „wie du und ich“, die ihre (vermeintlichen) Erfahrungen mit dem Entkalkungsmittel der Beklagten schildern.
Vollends, zumindest aber in ihrer pauschalen Bedeutung, nicht nachvollziehbar ist schliesslich die handelsgerichtliche Erwägung, wonach das Schweizerdeutsche nicht dieselbe präzise Ausdrucksweise wie das Hochdeutsche besitze und dass im Dialekt gesprochene Werbespots die Bedeutung von Superlativen entschärfen: U.E. ist nicht auszuschliessen, dass gerade in Mundart gesprochene Werbeaussagen vom hiesigen Publikum regelmässig als authentischer aufgefasst werden als solche auf Hochdeutsch (zu denken ist an die Werbespots eines grossen Brillenhändlers, in denen (vermeintlich) Passanten spontan ihre Erfahrungen mit jenem Händler schildern). Es wäre zu wünschen gewesen, wenn sich das Handelsgericht eingehender und konkreter mit den streitgegenständlichen Trailern und namentlich auch deren visueller Ausgestaltung auseinandergesetzt hätte, statt schwergewichtig und in pauschaler Weise auf die fehlende Ernsthaftigkeit von Waschmittelwerbung und die „dämpfende“ Wirkung des Dialekts zu verweisen: Eine solche Argumentation trägt klar zur Aufweichung der ohnehin schwer zu ziehenden Abgrenzung zwischen lauterkeitsrechtlich relevanter „Angabe“ und bloss marktschreierischer Anpreisung bei.
Weitere Informationen:
- Urteil HG110005-O des Handelsgerichts Zürich vom 12. Juli 2012
- Werbespot 1 (Mann)
- Werbespot 2 (Frau)
- Art. 3 Abs. 1 lit. b UWG
- BR-News: „ DE: Werbung mit «CE-geprüft» ist irreführend“
- BR-News: „ BGer: Farbbezeichnung „silber“ für Alu-Bilderrahmen ist zulässig“
- BR-News: „ Interview: Irreführende Werbung für Kosmetika mit Julia Roberts“
- BR-News: „Gastbeitrag: Die (un-)zulässige Werbung mit Kundenäusserungen aus einem Bewertungsportal“
Ansprechpartner: Lukas Bühlmann & Michael Schüepp