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Aufgrund des zunehmend online stattfindenden Vertriebs von Lebensmitteln und insbesondere Gebrauchsgegenständen bzw. kosmetischen Mitteln verschärfen die Behörden ihr Überwachungsverhalten betreffend zweckwidrige Werbehinweise im Kontext der Produktklassifizierung.
Im Rahmen des schweizerischen Lebensmittelgesetzes (LMG) besteht ein allgemeines Täuschungsverbot, anwendbar auf die Kennzeichnung von Lebensmitteln und kosmetischen Mitteln (vgl. Art. 18 LMG). Präzisiert werden die Vorgaben nach Art. 18 LMG durch das Verordnungsrecht gemäss der Lebensmittelverordnung (LGV; vgl. Art. 12 LGV).
Das Täuschungsverbot bezweckt vor allem den Schutz der Konsumentinnen und Konsumenten vor falschen Vorstellungen über die Herstellung, Zusammensetzung, Beschaffenheit, Produktionsart, Haltbarkeit und die besonderen Wirkungen des Produktes, welche aufgrund der Angaben auf dem Produkt bzw. der Verpackung sowie auch durch Werbung bei den Adressatinnen und Adressaten hervorgerufen werden können.
In der produkteregulatorischen Klassifizierungspraxis der Vollzugsbehörden kommt es bei der Unterscheidung von Lebensmitteln und Gebrauchsgegenständen bzw. kosmetischen Mitteln sodann regelmässig zu Problemen im Zusammenhang mit den Angaben und der Werbung zum (Anwendungs-)Zweck. Kurz gesagt sind Lebensmittel zur (oralen) Einnahme bestimmt, während Gebrauchsgegenstände bzw. kosmetische Mittel (lediglich) zur äusserlichen Anwendung, im Besonderen bei kosmetischen Mitteln am menschlichen Körper, bestimmt sind, wobei eine orale Anwendung – im Gegensatz zur oralen Einnahme – durchaus möglich bleibt (z.B. Zahnpasta, Mundpflegespülung, etc.).
Für die jeweiligen Produkteklassen – d.h. Lebensmittel und kosmetische Mittel – gelten aus sachlogischen Gründen (d.h. vor allem das Gefahrenpotenzial) unterschiedliche Voraussetzungen. Folglich ist die behördliche Klassifizierung eines jeweiligen Produktes von grosser Relevanz für dessen Verkehrsfähigkeit.
Auf Online-Verkaufsplattformen, insbesondere für kosmetische Mittel, bestehen – wie in den meisten anderen Branchen – Kommentarfunktionen für Konsumentinnen und Konsumenten. Dadurch wird diesen das Erfassen und Hinterlassen von Erfahrungsberichten und Bewertungen zu einem oder mehreren Produkten ermöglicht. Die Konsumentinnen und Konsumenten sind diesbezüglich in aller Regel frei (zumindest bis zu einem gewissen Grad), den Inhalt solcher Erfahrungsberichte zu bestimmen und diesen ohne Zensur des Herstellers oder Vertreibers auf dessen Online-Plattform zu hinterlassen. Ein solcher Inhalt – in Form eines Kommentars – ist oft unmittelbar im Kontext oder in der Nähe des betreffenden Produktes, bspw. auf der Online-Verkaufsplattform, wo das Produkt zum Warenkorb hinzugefügt werden kann, zu finden.
Ein solcher Kundenkommentar kann einen rechtlichen Konflikt zwischen der beabsichtigten und der wahrgenommenen Klassifizierung durch den Hersteller bzw. Vertreiber und der Vollzugsbehörde hervorrufen. Streitig kann mit anderen Worten sein, ob ein betreffendes Produkt als Lebensmittel oder als kosmetischen Mittels einzustufen ist. So kann etwa ein Hersteller ein bestimmtes Produkt für eine rein äusserliche Anwendung und somit als kosmetisches Mittel vorsehen, während die von Kundinnen und Kunden verfassten Erfahrungsberichte eine orale Einnahme indizieren und somit auf eine Qualifikation des Produktes als Lebensmittel hindeuten. Es stellt sich folglich die Frage, inwiefern sich der Hersteller und Vertreiber eines Produktes von Konsumentinnen und Konsumenten bzw. von Dritten erstellte Kommentare auf das von ihm beworbene Produkt anrechnen lassen muss.
Das Gesetz selbst schweigt sich über dieses praktische Problem aus. Allerdings ist wohl davon auszugehen, dass sich die Thematik in Richtung einer unwahren Produkteanpreisung bewegt – insbesondere bezüglich des Anwendungszweckes, welcher im Einzelnen für die konkrete Produktequalifikation von grosser Bedeutung ist.
Ein Beispiel in Form des multifunktional einsetzbaren Stoffs des sog. CBD-Öls soll das Ausgeführte illustrieren:
Ein Hersteller und Vertreiber von CBD-Ölen, welcher ein Produkt mit dem Anwendungszweck zur äusserlichen Behandlung und Auftragung zur Pflege der Haut und folglich mit entsprechenden Angaben und Warnhinweisen eines kosmetischen Mittels anpreist, verkauft dieses Produkt über seine Online-Verkaufsplattform. Es besteht unmittelbar auf derselben Seite der Online-Verkaufsplattform – also räumlich unmittelbar zum beworbenen (kosmetischen) CBD-Öl – die Möglichkeit, Erfahrungsberichte, Kommentare und Bewertungen zum Öl zu hinterlassen. Ein Teil der Konsumentinnen und Konsumenten dieses Produkts hinterlässt Hinweise zu einem pharmakologischen Effekt, welcher durch eine zweckwidrige orale Einnahme des Produktes erfolgen kann. Ein anderer Teil hingegen hinterlässt Hinweise zum zweckgerichteten Pflegeeffekt, welcher sich bei der äusserlichen Anwendung des Produkts eingestellt hat.
Die Behörden gehen in ihrer Praxis teilweise davon aus, dass sich aus solchen unzulässigen und zweckwidrigen Hinweisen zum Produkt, d.h. anders als für die Klassifizierung des Produkts zulässigen Anwendungsformen eine unwahre und damit täuschende Produktanpreisung ergibt. Für den notwendigen Täuschungsschutz ist, wie eingangs erwähnt, der Hersteller und Vertreiber des betroffenen Produktes verantwortlich und verpflichtet. Obwohl hierzu keine explizite Regulierung bezüglich der Verwendung von Drittkommentaren, d.h. Konsumentenmeinungen im Kontext von Werbung und Vertrieb von Kosmetika oder Lebensmitteln besteht, besteht in Bezug auf die Wirkung solcher Kommentare Rechtsunsicherheit (insbesondere hinsichtlich der tatsächlichen Produktequalifikation). Es ist aus diesem Grund den Herstellern und Vertreibern angrenzungskritischer Produkte zu empfehlen, ein periodisches Überwachungssystem für Kommentare zu implementieren. Begründen lässt sich die Verantwortlichkeit für Kundenkommentare dadurch, dass mittels solcher Kommentare – bei bewusstem Stehenlassen – sehr wohl eine absatzfördernde Wirkung erzielt werden kann und somit solche Inhalte als Form der Werbung zu erachten sind. Zumindest mittelfristig (z.B. monatlich) sollten daher entsprechende Kommentierungen von Konsumentinnen und Konsumenten inhaltlich geprüft und – wo nötig – beseitigt werden. Die Implementierung eines entsprechenden Überwachungsprozesses kann denn auch Gegenstand des sog. Selbstkontrollkonzepts bilden, welches gegenüber den Behörden auf deren Verlangen ausgehändigt werden kann.
Erfahrungen aus der streitigen Auseinandersetzung mit Vollzugsbehörden haben gezeigt, dass – so die Vollzugsbehörden – ein Dulden oder Zulassen von zweckwidrigen Hinweisen und Kommentaren – selbst, wenn diese von Dritten stammen – dem Hersteller und Vertreiber potenziell zugerechnet werden dürfe, was wiederum eine formelle Umqualifikation des Produktes rechtfertige. Im Ergebnis könnte dies entsprechend bedeuten, dass ein Produkt von den Behörden umklassifiziert wird und dieses daher den Anforderungen einer anderen Produktklasse entsprechen müsste. Eine Umqualifikation bedeutet in den meisten Fällen, dass das betreffende Produkt rechtswidrig im Umlauf ist bzw. dass die zugehörigen Kennzeichnungs- und Werbevorschriften nicht eingehalten sind. Unliebsame Vollzugsfolgen resultieren.
Um solche negativen (Vollzugs-)Folgen vermeiden zu können, besteht nach hier vertretener Ansicht die Möglichkeit (wie bereits oberhalb kurz angesprochen), geeignete Massnahmen über das Selbstkontrollkonzept festzuhalten. Generell besteht die Pflicht zur Selbstkontrolle bezüglich der Herstellung und dem Inverkehrbringen von Lebensmitteln und Gebrauchsgegenständen, was sich aus Art. 26 LMG und Art. 73 LGV ff. ergibt. Der zwingende Inhalt von Selbstkontrollkonzepten wird in Art. 75 LGV konkretisiert. Vergleichbare Pflichten gelten sodann auch für Betriebe, die mit Lebensmitteln oder Gebrauchsgegenständen ausschliesslich Handel betreiben, d.h. nicht selber herstellen.
Wegen der besonderen Schnelllebigkeit des Online-Handels scheint es unrealistisch, Aufsichts- und Kontrollmassnahmen auf täglicher Basis, bspw. das Filtern von unzulässigen und zweckwidrigen Hinweisen in Kommentarspalten, zu verlangen. Es würde zum einen die Ressourcen der Hersteller und Anbieter belasten und einen unnötig strengen Massstab für den (Online-)Handel einführen. Allerdings sei an dieser Stelle angemerkt, dass das blosse Abstellen auf einen Disclaimer, welcher die Haftung für den Inhalt der Kommentare von Konsumentinnen und Konsumenten aufgrund von Meinungsfreiheit abzuwehren versucht, nicht erfolgreich geltend gemacht werden kann, widrigenfalls Kommentarspalten etwa durch Anbieter missbräuchlich zur Schaltung von unzulässiger Werbung verwendet werden könnten.
Gleichzeitig kann von den Anbietern nur die Umsetzung solcher Massnahmen verlangt werden, durch welche in verhältnismässiger Weise eine inhaltliche Kontrolle von Kundenkommentaren ermöglicht wird. Im Ergebnis ist daher zu empfehlen, im Rahmen der Selbstkontrolle ein periodisches Kontrollsystem für Kommentarinhalte einzuführen, welche bspw. alle zwei Wochen oder jeden Monat stattfindet. Alternativ könnte gänzlich auf eine Kommentarfunktion verzichtet und lediglich eine Bewertungsmöglichkeit per Skala angeboten werden.