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Mit dem Inkrafttreten der 10. Ausgabe der internationalen Klassifikation von Waren und Dienstleistungen für die Eintragung von Marken (Nizza-Klassifikation, im Folgenden: NKL 10) zum 1. Januar 2012 wurden nicht nur sprachliche Anpassungen vorgenommen und einige neue Begriffe in die alphabetische Liste der Waren und Dienstleistungen aufgenommen, sondern auch verschiedene Produkte umklassifiziert; das heisst von einer zuvor zugeordneten Klasse in eine andere Klasse verschoben.
Vor allem diese Umklassifizierungen können in der Praxis erhebliche Auswirkungen, sowohl auf das Vorgehen im Rahmen einer Markenanmeldung, als auch auf die Überwachung von eingetragenen Marken haben. Dies gilt umso mehr für international agierende Unternehmen und Markeninhaber, da die verschiedenen Markenämter den Änderungen der Nizza-Klassifikation jeweils unterschiedlich Rechnung tragen. Die weiteren Ausführungen differenzieren zwischen den Auswirkungen der Umklassifizierungen beim Eidgenössischen Institut für Geistiges Eigentum (IGE), beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) und beim für Gemeinschaftsmarken zuständigen Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (HABM).
1. Allgemeine Geltung der NKL 10
Die aktuellen Änderungen der Nizza-Klassifikation wirken sich allgemein vor allem auf aktuelle Markenanmeldungen aus. Bei Marken, die nach dem 1. Januar 2012 zur Anmeldung gebracht werden, sind die beanspruchten Waren und Dienstleistungen nach der NKL 10 zu klassifizieren. Sofern eine Marke noch vor dem 1. Januar 2012 unter Verwendung der 9. Ausgabe der Nizza-Klassifikation (NKL 9) zur Anmeldung gebracht wurde, aber vom entsprechenden Markenamt erst im Jahr 2012 geprüft wird, werden diese Gesuche von den Markenämtern unterschiedlich behandelt. Während beim IGE und DPMA die Prüfung und Eintragung der Marke anhand der NKL 10 durchgeführt wird, prüft das HABM auch nach dem 31. Dezember 2011 die Markenanmeldung nach der zuvor gültigen NKL 9, sofern die Marke noch vor dem 1. Januar 2012 zur Anmeldung gebracht wurde.Beim IGE und DPMA kann die Prüfung der Marken nach der NKL 10, wenn sie vor dem 1. Januar 2012 nach der NKL 9 zur Anmeldung gebracht wurden, Änderungen beim Produktverzeichnis der Marken erforderlich machen. Solche Änderungen der Markenanmeldung können die Eintragung der Marke verzögern und insbesondere beim IGE dazu führen, dass am 1. Januar 2012 hängige Gesuche nicht in den Genuss der vorgezogenen Markenprüfung kommen, obwohl sie nach NKL 9 davon profitiert hätten. In diesem Fall erforderliche Umklassifizierungen haben jedoch weder beim IGE noch beim DPMA nachteilige Auswirkungen auf die Klassengebühren oder das Anmeldedatum der Marke. Beim HABM kommt es durch die Änderungen der NKL 10 zu keinen Verzögerungen, da der Markenprüfung dort auch nach dem 31. Dezember 2011 die zum Zeitpunkt der Anmeldung gültige Auflage der Nizza-Klassifikation zu Grunde gelegt wird.
2. Verlängerung des Markenschutzes
Da beim IGE bei der Verlängerung des Markenschutzes nach Ablauf der 10-jährigen Schutzfrist am Produktverzeichnis von Amts wegen keine Änderungen vorgenommen werden, haben allfällige Verschiebungen bei den beanspruchten Waren und Dienstleistungen auch keine Auswirkungen auf die Verlängerungsgebühren. Demgegenüber werden beim DPMA bei der Verlängerung des Markenschutzes von Amts wegen die Produktverzeichnisse der Marken im Register an die aktuell gültige Ausgabe der Nizza-Klassifikation angepasst. Da dies unter Umständen auch den Schutz einer weiteren Produktklasse erforderlich macht, sofern es zu einer Verschiebung eines Produktes in eine andere Klasse gekommen ist, kann dies auch zu einer Erhöhung der Verlängerungsgebühr führen, sofern nach der aktuellen Nizza-Klassifikation eine weitere Klasse beansprucht werden muss. Beim HABM sind solche Erhöhungen der Verlängerungsgebühren nicht zu befürchten, da keinerlei Änderungen an den Produktverzeichnissen vorgenommen werden.
3. Überwachung und Recherche
Diese unterschiedliche Handhabung durch das IGE, DPMA und HABM hat erhebliche Auswirkungen auf die Recherchen in den jeweiligen Markenregistern. Beim DPMA besteht durch die von Amts wegen durchgeführten Anpassungen der Markenproduktverzeichnisse an die aktuell gültige Fassung der Nizza-Klassifikation zum Zeitpunkt der Verlängerung des Markenschutzes ein geringeres Risiko, beim Blick ins Markenregister eine kollidierende Marke zu übersehen. Demgegenüber muss bei der Handhabung durch das IGE und HABM, wo keine Anpassung an die Änderungen der Nizza-Klassifikation im Markenregister vorgenommen wird, bei jeder Konsultation des Markenregisters damit gerechnet werden, dass Marken, die nicht schon unter der aktuellen Auflage der Nizza-Klassifikation eingetragen wurden, nicht der aktuell gültigen Klassifikation entsprechen und daher übersehen werden können. Dies hat zur Konsequenz, dass bei einer Markenrecherche oder –Überwachung ggf. kollidierende Marken nicht gefunden werden, sofern diese nach einer veralteten Auflage der Nizza-Klassifikation eingetragen wurden und die Suche nicht auch auf die zuvor gültige Klasse ausgedehnt wird.
So ist es beispielsweise möglich, dass eine Marke, die nach der NKL 10 in der Klasse 8 für Bügeleisen geschützt werden soll, unter der Geltung der NKL 9 zuvor schon identisch für Bügeleisen, jedoch in der Klasse 9 eingetragen wurde. Sofern die Recherche nach prioritätsälteren Zeichen, die identisch oder verwechselbar sind, nicht in den Klassen 8 und 9 durchgeführt wird, besteht die Gefahr, dass kollidierende Zeichen übersehen werden und es so zu einem Markenkonflikt kommt, sofern sich der Inhaber des prioritätsälteren Zeichens gegen die Eintragung zur Wehr setzt. Andererseits wird bei der Überwachung einer eingetragenen Marke eine kollidierende Markeneintragung für dasselbe Produkt nicht bemerkt, sofern die jüngere Marke nach einer Verschiebung in der Nizza-Klassifikation, in einer anderen Klasse registriert wird.
4. Schlussfolgerungen
Da die Nizza-Klassifikation bereits in der 10. Auflage herausgegeben wird, kam es bereits in der Vergangenheit zu vielfachen Änderungen und Anpassungen; die Anzahl dieser Änderungen wird in Zukunft weiter zunehmen, da ab dem 1. Januar 2013 jährliche Versionen der Nizza-Klassifikation herausgegeben werden, die neue Einträge oder Streichungen bestehender Einträge vorsehen.
Diese Änderungen zwischen den jeweiligen Auflagen der Nizza-Klassifikationen sind stets im Auge zu behalten. Dies gilt umso mehr, da auch professionelle Anbieter von Markenrecherchen Umklassifizierungen nur dann berücksichtigen, sofern eine Anpassung im Markenregister vom entsprechenden Markenamt publiziert wurde. Da auch im Fall der vom DPMA bei der Verlängerung des Markenschutzes vorgenommenen Anpassungen an die aktuell gültige Fassung der Nizza-Klassifikation nicht im Markenblatt veröffentlicht wird, werden solche Änderungen auch von professionellen Rechercheanbietern nicht berücksichtigt.
Auch geben die professionellen Rechercheanbieter ihren Kunden in der Regel keinen Hinweis auf mögliche Verschiebungen in den Nizza-Klassifikationen, bzw. sind sie dazu auch nicht in der Lage, sofern eine Ähnlichkeitsrecherche oder Markenüberwachung nur pauschal für bestimmte Klassen in Auftrag gegeben wird.
Es ist daher unerlässlich, dass der Markenanmelder bei der Erstellung seines Produktver-zeichnisses, das ohnehin mit grösster Sorgfalt unter anwaltlicher Beratung erstellt werden sollte, zuvor erfolgte Verschiebungen in den Nizza-Klassifikationen im Auge behält und in seine Recherche nach kollidierenden Marken einbezieht bzw. spätere Verschiebungen in weiteren Auflagen der Nizza-Klassifikationen bei der Überwachung einer eingetragenen Marke berücksichtigt.