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Am. 25. Dezember 2014 ist die Richtlinie über Schadensersatzklagen bei Verstößen gegen das Kartellrecht (Richtlinie 2014/104/EU) in Kraft getreten. Dies nachdem der EU-Ministerrat dem Vorschlag der Europäischen Kommission am 10.11.2014 zugestimmt hat und die Richtlinie am 5.11. 2014 im Amtsblatt der europäischen Union veröffentlicht wurde. Die Richtlinie soll es den EU-Bürgern und Unternehmen erleichtern, Ersatz für einen Schaden zu erhalten, der ihnen aufgrund einer Zuwiderhandlung gegen das EU-Kartellrecht entstanden ist.
Die Ausgangslage
Die Richtlinie ist das Resultat einer langwierigen Debatte, die durch die Europäische Kommission bereits vor zehn Jahren entfacht wurde. Ausgangspunkt der Problematik war die schwierige Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen aufgrund grosser Unterschiede zwischen den nationalen Vorschriften der EU-Mitgliedstaaten und der damit verbundenen Rechtsunsicherheit. Zusätzlich erschwert wurde die Durchsetzung von verfahrensrechtlichen Hindernissen auf nationaler Ebene.
Inhalt der Richtlinie und angestrebte Verbesserungen
Die Richtlinie nimmt nun die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) auf, wonach jedem von einem Verstoss gegen Wettbewerbsrecht Betroffenen das Recht auf vollständigen Schadensersatz zustehen soll. Anspruchsberechtigt sind somit auch Abnehmer in der weiteren Vertriebskette sowie die Endverbraucher von Produkten, die von einer Kartellabrede betroffenen sind. Konkret sollen mit der Richtlinie folgende Verbesserungen herbeigeführt werden:
- Mit der Richtlinie soll das Zusammenspiel von privaten Schadenersatzklagen und öffentlicher Rechtsdurchsetzung verbessert werden, ohne dass die Instrumente der Wettbewerbsbehörden an Bedeutung verlieren (beispielsweise wird die Möglichkeit eines Vergleichs oder der privilegierten Behandlung von Kronzeugen weiterbestehen).
- Der Zugang zu Beweismitteln für Opfer einer Zuwiderhandlung gegen das Kartellrecht soll erleichtert werden: So können nationale Gerichte fortan die beklagte Partei oder Dritte anweisen, Beweismittel vorzulegen.
- Gerichte des jeweiligen Mitgliedstaats können nunmehr die Feststellung eines Verstosses durch eine nationale Wettbewerbsbehörde als Beweismittel würdigen.
- Durch die Erleichterung von Vergleichsverfahren soll eine raschere und kostengünstigere Beilegung von Streitigkeiten ermöglicht werden.
- Die Richtlinie gibt neuerdings eine Verjährungsfrist von mindestens fünf Jahren ab Kenntnis des kartellrechtswidrigen Verhaltens für die Erhebung von Schadensersatzklagen vor. Hier gilt es zu beobachten, ob eine derart grosszügig bemessene Verjährungsfrist im Hinblick auf die Rechtssicherheit sinnvoll ist.
Alle Beteiligten sind haftbar – Ausnahmen für KMU und Kronzeugen
Dem Grundsatz nach haften Unternehmen bei einer Zuwiderhandlung gegen das Kartellrecht gemäss Art. 11 der Richtlinie im Aussenverhältnis solidarisch. Im Innenverhältnis stellt die Richtlinie auf den Verantwortungsbeitrag für den verursachten Schaden ab. Ausnahmen von der Solidarhaftung gelten sowohl für Kronzeugen, als auch für KMU. Beide werden lediglich gegenüber ihren unmittelbaren oder mittelbaren Abnehmern oder Lieferanten haftbar.
Die Privilegierung der Kronzeugen wird jedoch dahingehend präzisiert, dass diese gegenüber anderen Geschädigten dennoch haften, wenn von den anderen Kartellbeteiligten kein vollständiger Schadenersatz geleistet werden kann. Für KMU dagegen werden die Voraussetzungen für die Privilegierung noch höher angesetzt: So darf der Marktanteil des KMU in der Zeit des Verstosses nicht mehr als 5% betragen haben und eine solidarische Haftung müsste sich so drastisch auf die finanziellen Mittel der KMU auswirken, dass die wirtschaftliche Existenzfähigkeit gefährdet wäre. Weiter darf das KMU die Zuwiderhandlung weder organisiert noch andere Unternehmen zur Teilnahme gezwungen und auch nicht bereits früher gegen das Wettbewerbsrecht verstossen haben.
Weiteres Verfahren – Umsetzung der Richtlinie
Die Richtlinie sieht für die EU-Mitgliedstaaten eine Umsetzungsfrist von zwei Jahren nach Inkrafttreten vor. Je nach Mitgliedsstaat wird dabei der innerstaatliche Umsetzungsbedarf unterschiedlich hoch sein. Inwiefern die Bestimmungen der Richtlinie zu einer verbesserten Rechtslage im Rahmen der Durchsetzung von EU-Kartellrecht beitragen können, wird nicht zuletzt von der Umsetzung in den Mitgliedsstaaten und insbesondere auch von der Auslegung durch die nationalen Gerichte abhängig sein.
Blick auf die Schweiz
Auf schweizerische Unternehmen könnte sich die Richtlinie insofern auswirken, als dass ein Verstoss gegen europäisches Kartellrecht durch die Vereinfachung von Schadenersatzklagen empfindlichere Folgen als bisher nach sich ziehen. Des Weiteren ist anzunehmen, dass sich die Erfahrungen der EU-Staaten mit der Richtlinie auch auf die aktuell diskutierte Revision des Kartellgesetzes (KG) auswirken. Der Entwicklung der europäischen Gesetzgebung soll in der Schweiz Rechnung getragen werden, wie der Bundesrat in der Botschaft zur Revision des KG vom Februar 2012 betonte.
Weitere Informationen:
- Richtlinie 2014/104/EU des Europäischen Parlaments und des Rates über bestimmte Vorschriften für Schadensersatzklagen nach nationalem Recht wegen Zuwiderhandlungen gegen wettbewerbsrechtliche Bestimmungen der Mitgliedstaaten und der Europäischen Union
- Bundesgesetz über Kartelle und andere Wettbewerbsbeschränkungen (Kartellgesetz, KG)
- Botschaft zur Änderung des Kartellgesetzes und zum Bundesgesetz über die Organisation der Wettbewerbsbehörde vom 22. Februar 2012
- Der Europäische Gerichtshof
- Die Europäische Kommission
- Der Rat der Europäischen Union
Ansprechpartner: Lukas Bühlmann






