Gefahrenabwehr

Inkrafttreten des neuen Produktesicherheitsgesetzes und des revidierten Bundesgesetzes über technische Handelshemmnisse


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1. Einleitung – gesetzliche Grundlagen

Das Bundesgesetz über die Produktesicherheit (PrSG) und die dazugehörige Verordnung über die Produktesicherheit (PrSV) sind auf den 1. Juli 2010 in Kraft getreten. Das PrSG revidiert das Gesetz über die Sicherheit von technischen Einrichtungen und Geräten (STEG) grundlegend. Durch das PrSG erfolgt namentlich eine Anpassung an die internationalen Gegebenheiten, indem die Europäische Richtlinie über die allgemeine Produktsicherheit in wesentlichen Teilen übernommen wurde. Mit dem PrSG wird die Voraussetzung geschaffen, dass die Schweiz an RAPEX (Rapid Alert System for non-food consumer products) teilnehmen kann, dem Schnellwarnsystem der EG für gefährliche Konsumgüter im Nicht-Lebensmittelbereich.

Die zahlreichen bereits bestehenden sektoriellen «Produktsicherheitsgesetze» und Verordnungen wie etwa das Bauprodukte-, Chemikalien- oder das Lebensmittelgesetz, bleiben vorderhand in Kraft. Diese gehen dem PrSG vor, soweit sie dasselbe Ziel wie das PrSG verfolgen. Dies macht eine schwierige Prüfung von PrSG und jeweiligem Sektorerlass notwendig. Eine Vernehmlassungsgrundlage zur Bereinigung der bestehenden Spezialgesetzgebung dürfte erst etwa gegen Ende 2010 zu erwarten sein.

Das PrSG sagt nichts über die Produkthaftung. Diesbezüglich gelten die Regelungen des Produktehaftpflichtgesetzes (PrHG). Noch ungeklärt ist in diesem Zusammenhang, ob die erweiterten Pflichten und Anforderungen an Produkte eine Erweiterung der Haftung gemäss PrHG nach sich ziehen werden.

Gleichzeitig mit dem PrSG trat das revidierte Bundesgesetz über die technischen Handelshemmnisse (THG) in Kraft. Das THG hat zum Ziel, technische Handelshemmnisse zu vermeiden, zu beseitigen oder abzubauen.

2. Inhalt des PrSG
2.1 Übersicht Internetportal Produktsicherheit

Das Staatssekretariat für Wirtschaft SECO und das Eidgenössische Büro für Konsumentenfragen BFK unterhalten unter www.produktsicherheit.admin.ch ein Internetportal mit Informationen über allgemeine Aspekte des PrSG. Zudem werden Informationen zu den spezialrechtlichen Sicherheitsvorschriften für Produkte und den für die Marktüberwachung zuständigen Bundesstellen angeboten.

2.2 Zweck und Kernbereiche des PrSG

Gemäss Zweckartikel sollen mit dem PrSG die Sicherheit von Produkten gewährleistet und der grenzüberschreitende Warenverkehr erleichtert werden. Aufgrund übereinstimmender Sicherheitsanforderungen soll künftig nach einheitlichen Sicherheitsstandards für den EU- und den Schweizer Markt produziert werden können. Das PrSG implementiert weitreichende Pflichten mit zum Teil noch nicht abschätzbaren Folgen.

Geregelt werden einerseits die Sicherheitsanforderungen beim Inverkehrbringen von Produkten. Andererseits werden Produktbeobachtungspflichten während der gesamten angegebenen oder voraussichtlichen Gebrauchsdauer eines Produkts statuiert. Die erforderlichen organisatorischen Vorkehren sollen den im PrSG vorgesehenen Meldepflichten an die Vollzugsorgane bei festgestellten oder vermuteten Gefahren eines Produkts zum Durchbruch verhelfen. Das PrSG sieht für Produkte, welche die Anforderungen nach bisherigem Recht, jedoch noch nicht diejenigen des neuen Rechts erfüllen, eine Übergangsfrist bis zum 31. Dezember 2011 vor.

2.3 Produkte und deren Sicherheit

Es sollen nur Produkte in Verkehr gebracht werden dürfen, welche bei normaler oder vernünftigerweise vorhersehbarer Verwendung die Sicherheit und Gesundheit der Verwender und Dritter höchstens geringfügig gefährden. Eine geringfügige Gefährdung kann somit in Kauf genommen werden; ein absolutes Nullrisiko muss nicht gewährleistet sein. Gefährliche Konsumentenprodukte aber sollen weder im Markt noch bei den Verwendern verbleiben dürfen.

Ein Produkt nach PrSG ist eine verwendungsbereite, neue, gebrauchte, wiederaufbereitete oder wesentlich veränderte bewegliche Sache, auch wenn sie Teil einer anderen beweglichen oder unbeweglichen Sache bildet. Im Zeitpunkt des Inverkehrbringens gilt das PrSG nebst den Konsumentenprodukten auch für gewerblich oder industriell verwendete Produkte, nach dem Inverkehrbringen nur noch für Konsumentenprodukte.

2.4 Inverkehrbringen – Sicherheits- und Gesundheitsanforderungen

Als Inverkehrbringen gilt das entgeltliche oder unentgeltliche Überlassen eines Produkts. Das Gesetz gilt für das gewerbliche oder berufliche Inverkehrbringen von Produkten durch den Hersteller, den Importeur, den Händler und den Erbringer von Dienstleistungen. Damit werden neben Produktherstellern oder Importeuren zahlreiche weitere Unternehmen betroffen. Dem Inverkehrbringen gleichgestellt werden ferner auch die Verwendung oder Anwendung eines Produkts im Rahmen der Dienstleistungserbringung oder das Bereithalten eines Produkts zur Benutzung durch Dritte. Es stehen also z.B. auch Fitnessstudios in der Pflicht und mit diesen viele weitere Dienstleistungsunternehmen.

Soweit der Bundesrat nicht spezielle Sicherheits- und Gesundheitsanforderungen festlegt, müssen sie dem Stand des Wissens und der Technik entsprechen. Wer ein Produkt in Verkehr bringt, muss nachweisen können, dass es die grundlegenden Sicherheits- und Gesundheitsanforderungen erfüllt, namentlich durch Konformitätsnachweise. Birgt ein Produkt mehr als nur geringfügige Gefahren oder Risiken, sind die Benutzer vor dem Gefährdungspotential entsprechend zu warnen. Dies hat etwa durch eine spezifische Kennzeichnung oder Aufmachung des Produkts zu erfolgen, durch seine Verpackung und durch Anleitungen für den Zusammenbau und die Installation sowie die Wartung, ferner durch entsprechende Warn- und Sicherheitshinweise oder durch die Gebrauchs- sowie Bedienungsanleitung. Betriebs-, Bedienungs- und Wartungsanleitungen sowie Informationsbroschüren müssen gemäss PrSV in der schweizerischen Amtssprache (gemäss PrSV Deutsch, Französisch und Italienisch) desjenigen Landesteils abgefasst sein, in dem das Produkt voraussichtlich verwendet wird. Warn- und Sicherheitshinweise müssen in allen schweizerischen Amtssprachen abgefasst sein, wobei aber auch Symbole verwendet werden können, sofern diese eine genügende Information sicherstellen.

2.5 Nach dem Inverkehrbringen geht’s weiter – Nachmarktpflichten

Das PrSG auferlegt Herstellern oder Importeuren, in gewissem Ausmass sogar auch Händlern bezüglich Produkten, die für Konsumenten bestimmt sind oder von solchen vernünftigerweise benutzt werden könnten, weit reichende zusätzliche Pflichten. Diese sog. Nachmarktpflichten schliessen unmittelbar an das Inverkehrbringen an. So sind während der angegebenen oder der voraussichtlichen Gebrauchsdauer eines Produkts Massnahmen zu treffen, um die von einem Produkt bei normaler oder bei vernünftigerweise vorhersehbarer Verwendung allfällig ausgehenden Gefahren erkennen zu können und auch abzuwenden. Insbesondere sind auch Massnahmen zu treffen, welche die Rückverfolgbarkeit eines Produktes gewährleisten. Beispielhaft werden als Massnahmen zur Gefahrenabwendung Warnungen, Verkaufsstopps, die Rücknahme eines Produkts vom Markt oder der Produktrückruf genannt. Hersteller oder Importeure werden ferner angehalten, sicherheitsrelevante Beanstandungen eines Produkts sorgfältig zu prüfen und nötigenfalls Stichproben durchzuführen. Die Einhaltung all dieser Pflichten kann somit teuer werden.

2.6 Meldepflichten und Kontrollmassnahmen

Stellt ein Hersteller oder ein anderer Inverkehrbringer fest oder hat er Grund zur Annahme, dass von einem Produkt eine Gefahr ausgeht, ist den zuständigen Behörden grundsätzlich unverzüglich Meldung zu erstatten. Die für die Produktsicherheit und den Vollzug des PrSG zuständigen Behörden (Vollzugsorgane) erhalten die Kompetenz, die geeigneten Massnahmen zu verfügen, wenn eine Kontrolle ergibt, dass ein Produkt den grundlegenden Sicherheits- und Gesundheitsanforderungen oder dem Stand des Wissens und der Technik nicht entspricht und dies zum Schutz der Sicherheit oder Gesundheit von Konsumenten oder Dritten erforderlich ist. Die Vollzugsorgane können insbesondere das weitere Inverkehrbringen eines Produkts verbieten, das Aussprechen einer Warnung, die Rücknahme oder den Rückruf eines Produkts anordnen resp. dies nötigenfalls gar selbst vollziehen. Ferner können die Vollzugsorgane die Ausfuhr eines Produkts verbieten oder ein Produkt, von dem eine unmittelbare und ernste Gefahr ausgeht, einziehen und vernichten oder unbrauchbar machen.

2.7 Strafbestimmungen

Das vorsätzliche aber auch das fahrlässige Inverkehrbringen von Produkten, die den vom Bundesrat festgelegten grundlegenden Sicherheits- und Gesundheitsanforderungen oder, wenn solche fehlen, dem Stand des Wissens und der Technik nicht entsprechen und dadurch die Sicherheit oder Gesundheit von Konsumenten oder Dritten gefährden, steht unter Strafe.

3. Übersicht Revision THG

Das THG hat zum Ziel, technische Handelshemmnisse zu vermeiden, zu beseitigen oder abzubauen. Dieses Ziel soll insbesondere mit den neu verankerten Instrumenten der Harmonisierung der schweizerischen technischen Vorschriften mit denjenigen der EU und der autonomen Anwendung des «Cassis de Dijon»-Prinzips erreicht werden. Wir verweisen auf den separaten Artikel von S. Holzer im vorliegenden Newsletter.

Ferner soll der Beseitigung bzw. dem Abbau technischer Handelshemmnisse auch dadurch zum Durchbruch verholfen werden, indem der Bundesrat ermächtigt wird, zur Beseitigung oder zum Abbau von technischen Handelshemmnissen internationale Abkommen abzuschliessen. Dies betrifft namentlich – wie etwa im vorliegenden Kontext von Relevanz – Abkommen über die gegenseitige Anerkennung von Konformitätsbewertungen, sog. Mutual Recognition Agreements oder MRA’s.

4. Verhältnis PrSG und THG

Das THG und das PrSG stellen grundsätzlich komplementäre Rahmenerlasse dar. In gewissen Bereichen hat sich das Zusammenspiel der beiden Erlasse in der Praxis jedoch noch zu entwickeln. So soll etwa der schweizerische Markt mit der Verankerung des «Cassis de Dijon»-Prinzips im THG grundsätzlich für Produkte geöffnet werden, die den schweizerischen technischen Vorschriften nicht vollumfänglich entsprechen. Mit dem PrSG – ebenfalls auf eine Marktöffnung abzielend – wird das Schutzniveau angehoben. Zu denken ist hierbei etwa an die gemäss PrSV noch relativ eng gefassten Sprachvorschriften bezüglich Warn- und Sicherheitshinweise.

5. Handlungsbedarf

Das PrSG erweitert das Pflichtenheft von Herstellern, Importeuren und sogar auch Händlern. Diese haben dem Sicherheitsaspekt der zu vertreibenden Produkte grösste Aufmerksamkeit zu schenken und die Sicherheit der Produkte mit grösster Sorgfalt zu prüfen, nachzuprüfen und zu beobachten.

Es sind Massnahmen zu treffen, die es ihnen als Hersteller, Importeure oder Händler von Konsumentenprodukten erlauben, der gesetzlich geforderten Produktbeobachtung nachzukommen. Hierbei sind insbesondere organisatorische Massnahmen zu erwähnen, die es ermöglichen, umgehend auf eine festgestellte oder vermutete Gefahr eines Produkts richtig und angemessen zu reagieren, d.h. die entsprechenden Massnahmen wie etwa Warnungen, Verkaufsstopps oder Rückrufe zu treffen und den zuständigen Behörden Meldung zu erstatten. In solchen Situationen drängt die Zeit oft sehr, die zu treffenden Massnahmen können einen enormen Reputationsschaden zur Folge haben und es besteht – last but not least und bei zu langem Zuwarten – die Gefahr, dass die Vollzugsorgane Massnahmen auf Kosten der Verantwortlichen selbst vollziehen. Es ist daher zu empfehlen, die Abläufe und namentlich die Kommunikationsgrundsätze resp. -kanäle für solche Fälle klar und detailliert zu definieren. Entsprechende Szenarien sind vorzubereiten und die allenfalls betroffenen Mitarbeiter entsprechend zu schulen. Ferner sind insbesondere die bestehenden Warnhinweise und die Gebrauchs-/Bedienungsanleitungen auf deren Angemessenheit hinsichtlich des spezifischen Gefährdungspotentials des jeweiligen Produkts und auf deren einfache Verständlichkeit sowie darauf hin zu überprüfen, ob diese in der bzw. den richtigen Landessprachen verfasst sind.

Das PrSG verlangt kein absolutes Nullrisiko. Bei einem spezifischen Gefährdungspotential werden gewisse Anforderungen an Aufmachung oder Präsentation der Produkte gestellt. Selbst wenn alle grundsätzlich erforderlichen Massnahmen getroffen wurden, kann etwas passieren. Es ist daher insbesondere auch sinnvoll, die Versicherungssituation und -deckung im Hinblick auf die durch das PrSG neu eingeführten Pflichten zu überprüfen und gegebenenfalls anzupassen. Da es sich beim PrSG um einen Rahmenerlass handelt, müssen im Einzelfall allfällige spezialgesetzliche Vorschriften zusätzlich beachtet werden.


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