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Das Bundesgericht hatte sich im Entscheid vom 6. September 2016 mit der Frage zu befassen, ob im Kanton Genf superprovisorische bzw. provisorische Massnahmen gegen Google Inc. wegen Mitwirkung bei Persönlichkeitsverletzungen erlassen werden können (BGer, 5A_812/2015, vom 6. September 2016). Das Bundesgericht hatte sich nicht mit der Frage der Mitwirkung oder des Vorliegens einer Persönlichkeitsverletzung zu befassen. Im Entscheid ging es einzig um die internationale Zuständigkeit der Genfer Gerichte.
Politically Exposed Person
Im Mittelpunkt der Angelegenheit steht A. Bei A. handelt es sich um eine „Politically Exposed Person“. Das Vermögen von A. wird auf mehrere Milliarden geschätzt. A. besitzt die Staatsangehörigkeit verschiedener Staaten. Er besitzt im Staat S. eine Bank und ist an verschiedenen Unternehmen beteiligt. A. war auch politisch tätig. Zwischen März 2014 und 2015 war er Gouverneur von W., einem Gliedstaat von S. Er ist nach einem Konflikt mit dem Staatschef von S. von dieser Funktion zurückgetreten. Gemäss Migrationsamt des Kantons Genf besitzt A. seit 2010 eine Aufenthaltsbewilligung im Kanton Genf in V. Mit dieser Aufenthaltsbewilligung darf A. im Kanton Genf keine „lukrative“ Geschäftstätigkeit ausüben. A. ist Mieter einer Wohnung in V. Seine Frau und seine Kinder sowie seine Schwester leben in V.
In mehreren Zeitungsartikeln der Genfer Lokalpresse wurde darauf hingewiesen, dass A. zwar eine Aufenthaltsbewilligung in V. besitze, aber wirtschaftlich und politisch vorwiegend in S. tätig sei. A. wurde zudem vom RTS interviewt. Im Beitrag wurde A. als eine der politisch einflussreichsten, aber auch kontroversesten Figuren in S. bezeichnet. In verschiedenen Berichten von ausländischen Staaten wurde A. zudem der Beteiligung an einem Flugzeugabsturz einer Boeing D. der Fluggesellschaft E. beschuldigt. A. bestreitet diese Vorwürfe. In einem weiteren Beitrag des Tagesanzeigers wird darauf hingewiesen, dass A. sich seit 2014 mehrheitlich im Staat S. aufhalte und daher seinen Lebensmittelpunkt nicht mehr in der Schweiz habe.
Mitwirkung von Google an Persönlichkeitsverletzung?
Vorweg ist festzuhalten, dass das Bundesgericht nicht prüfen musste, ob Google an einer Persönlichkeitsverletzung mitwirkt und ob eine solche Persönlichkeitsverletzung überhaupt gegeben ist. Das Bundesgericht musste sich mit der Frage befassen, ob Google Inc. mit Sitz in den USA vor den Gerichten des Kantons Genf beklagt werden kann.
Am 18. November 2014 hat A. beim erstinstanzlichen Gericht in Genf ein Gesuch um Erlass vorsorglicher Massnahmen gegen Google Switzerland GmbH und Google Inc. eingereicht. Er verlangte, dass die beiden Unternehmen bei der Google Suchmaschine das Zeichen „D.“ in Verbindung mit dem Namen von A. auf verschiedenen Google-Webseiten unterdrücken müssten. Es geht dabei um die Suchvorschläge („Google Suggest“), welche bei der Google Suchmaschine nach Eingabe eines Wortes in die Suchleiste jeweils vorgeschlagen werden. Wenn jemand z.B. A. eingab, kam als Vorschlag auch der Absturz des Fluges D. bzw. umgekehrt. Zudem verlangte A., dass die beiden Unternehmen eine bestimmte Seite auf Youtube beseitigen müssten. Des Weiteren müssten sie den Link auf die betreffende Youtube-Seite auf „Google Search“ beseitigen, wie auch verschiedene konkret spezifizierte andere Links oder Referenzen, mit denen A. mit dem Absturz des Fluges D. in Verbindung gebracht wird.
A. machte geltend, dass Google an der Persönlichkeitsverletzung partizipiere, weil deren Suchmaschine A. mit dem Flugzeugabsturz in Verbindung bringe und damit eine irreparable Vorverurteilung erwirke.
Die Zuständigkeit des Genfer Gerichts begründete A. damit, dass er einen grossen Teil des Jahres im Kanton Genf in V. leben würde, dass seine Familie dort lebe und dass er in diesem Ort bekannt sei, weil mehrere Artikel über ihn in Westschweizer Zeitungen erschienen sind. Der Erfolg des Deliktes wirke sich daher in V. im Kanton Genf aus.
Am 11. Dezember 2014 hat A. ein Gesuch auf Erlass superprovisorischer Massnahmen mit vergleichbarem Inhalt beim Gericht in Genf gestellt. Das Gericht in Genf hat diesem Gesuch am 12. Dezember 2014 stattgegeben und die verlangten Massnahmen gegen Google Switzerland und Google Inc. superprovisorisch angeordnet. Am 21. Mai 2015 hat dasselbe Gericht den Erlass vorsorglicher Massnahmen abgelehnt und die superprovisorischen Massnahmen zurückgezogen. Das Gericht kam zur Auffassung, dass es nicht zuständig sei.
Mit Entscheid vom 11. September 2015 hat das obere kantonale Gericht (Cour de la justice) den Entscheid vom 21. Mai 2015 aufgehoben und die Angelegenheit zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückgewiesen. Eine internationale Zuständigkeit sei zu bejahen. Gegen diese Verfügung haben die beiden Google-Unternehmen beim Bundesgericht Beschwerde eingereicht.
Internationale Zuständigkeit bei Internetdelikten – blosse Abrufbarkeit der Webseite nicht ausreichend
Das Bundesgericht hat sich in den Urteilserwägungen mit der Bestimmung der internationalen Zuständigkeit bei Internetdelikten auseinandergesetzt und dabei die bisherige Rechtsprechung sowie die herrschende Lehre zusammengefasst. Folgende Erwägungen sind hierbei wichtig:
- Par lieu du résultat, la jurisprudence entend le lieu où s’est produit le dommage initial, à savoir la lésion directe et immédiate du bien ou de l’intérêt juridique protégé (ATF 125 III 103 consid. 2b/aa; arrêt 4A_620/2014 du 19 mars 2015 consid. 2.2.1). La doctrine a néanmoins relevé que cette jurisprudence était inappropriée en cas d’atteinte à la personnalité commise par le biais d’Internet: la localisation du dommage initial devenait en effet multiple dès lors qu’elle se concrétisait en tous les lieux où il était possible d’accéder aux informations illicites (…).
- Pour la plupart des auteurs, l’exigence d’un lien de rattachement supplémentaire avec la Suisse est ainsi necessaire (…). La doctrine retient toutefois que le for du dommage économique, subi d’ordinaire au domicile ou à la résidence habituelle du lésé – et donc en règle générale unique -, doit également être retenu comme étant constitutif du lieu du résultat (…).
Das obere kantonale Gericht hatte für die Annahme einer internationalen Zuständigkeit der Genfer Gerichte zwei verschiedene Anknüpfungspunkte erwähnt: gewöhnlicher Aufenthalt in V. und regelmässiger Aufenthalt in V. sowie eine gewisse Bekanntheit in der betreffenden Region. Beim letzteren Anknüpfungspunkt wurde der Erfolgsort damit begründet, dass aufgrund des regelmässigen Aufenthaltes und der Bekanntheit von A. in V. durchaus ein Interesse bestünde, den Ruf in V. zu verteidigen.
Das Bundesgericht hat die Beschwerde gegen diese beiden Begründungen gutgeheissen.
Ausländische Unternehmen können in der Schweiz eingeklagt werden!
Ausländische Unternehmen können von Geschädigten Personen bei Persönlichkeitsrechtsverletzungen im Internet in der Schweiz belangt werden, wenn hier nebst der Abrufbarkeit der Webseite ein weiterer starker Anknüpfungspunkt gegeben ist (z.B. Wohnsitz und gewöhnlicher Aufenthalt).
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