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Der Bundesgerichtshof (BGH) befasste sich auf Revision hin mit einer Herstellerpreisempfehlung auf Amazon. In seinem Urteil vom 3. März 2016 kam der BGH zum Schluss, dass keine missbräuchliche Abmahnung vorlag und dass der Händler für irreführende Herstellerpreisempfehlungen verantwortlich ist, auch wenn diese durch Amazon aufgeschaltet werden (Urteil BGH vom 3. März 2016, I ZR 110/15).
Verkauf von Uhren der Marke CASIO auf Amazon.de
Die Beklagte hat auf der Plattform www.amazon.de eine Uhr der Marke CASIO für EUR 19,90 angeboten. Über der Preisangabe war der Hinweis:Unverb. Preisempf. und dahinter durchgestrichen EUR 39,90 angebracht.
Die Plattform www.amazon.de vergibt für jedes gelistete Produkt eine Identifikationsnummer („ASIN“). Jeder Händler der ein Produkt anbieten will, für welches bereits eine solche Nummer besteht, muss sein Angebot unter dieser Nummer auflisten.
Bei der Angebotserstellung kann der Händler den eigenen Verkaufspreis angeben. Unverbindliche Herstellerpreisempfehlungen kann dagegen nur der Plattformbetreiber, d.h. Amazon, angeben und verändern.
Die Klägerin beanstandet, dass die angegebene Herstellerpreisempfehlung im Angebotszeitpunkt nicht mehr bestanden habe. Die Klägerin hat die Beklagte abgemahnt und nachher eine einstweilige Verfügung erwirkt. Die Verfügung wurde zunächst aufgehoben, vom Berufungsgericht mit Urteil vom 28. Mai 2014 allerdings wieder neu erlassen. Die ordentliche Klage der Klägerin wurde gutgeheissen und eine Berufung dagegen beim OLG Köln (OLG Köln vom 24. April 2015, 6 U 175/14) blieb ohne Erfolg. Gegen den Entscheid des OLG Köln erhob die Beklagte, d.h. der Händler, Revision beim BGH.
Keine Missbräuchlichkeit der Abmahnung
Ist eine vorgerichtliche Abmahnung im Sinne von § 8 Abs. 4 dUWG rechtsmissbräuchlich erfolgt, so sind nachfolgende gerichtliche Anträge auf Unterlassung oder Beseitigung unzulässig.
Die Beklagte machte geltend, dass die vorgerichtliche Abmahnung der Klägerin rechtsmissbräuchlich erfolgte. Gemäss BGH liegt ein Rechtsmissbrauch nach § 8 Abs. 4 dUWG vor, wenn das beherrschende Motiv bei der Geltendmachung der Ansprüche sachfremde, für sich genommen nicht schutzwürdige Interessen und Ziele sind. Es reicht hierzu aus, dass die sachfremden Motive überwiegen. Ein Anhaltspunkt für eine missbräuchliche Rechtsverfolgung kann sich daraus ergeben, dass die Abmahntätigkeit in keinem vernünftigen wirtschaftlichen Verhältnis zur gewerblichen Tätigkeit des Abmahnenden steht, der Anspruchsberechtigte die Belastung des Gegners mit möglichst hohen Kosten bezweckt oder der Abmahnende systematisch überhöhte Abmahngebühren oder Vertragsstrafen verlangt.
Gemäss OLG Köln lagen keine Anhaltspunkte für eine Missbräuchlichkeit vor. Der BGH bestätigte dies. Der BGH hielt jedoch im Gegensatz zum OLG Köln fest, dass zeitlich nach der Abmahnung auftretende Umstände bei der Beurteilung der Frage, ob die gerichtliche Durchsetzung des mit der Abmahnung verfolgten Anspruchs missbräuchlich ist, berücksichtigt werden müssen. Diese Unstimmigkeit zwischen den Gerichten hatte vorliegend keine Auswirkung.
Irreführende Preisempfehlung
Der BGH stützte auch hier das Urteil des OLG Köln. Das OLG Köln hielt fest, dass die beanstandete Herstellerpreisempfehlung irreführend im Sinne von § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 dUWG sei, weil sie im Zeitpunkt der Werbung nicht mehr bestand. Nach § 23 Abs. 1 Nr. 2 GWB setzt eine zulässige unverbindliche Preisempfehlung voraus, dass sie in der Erwartung ausgesprochen wird, der empfohlene Preis entspreche dem von der Mehrheit der Empfehlungsempfänger geforderten Preis. Dies war vorliegend im Zeitpunkt des Angebotes nicht mehr der Fall bzw. davon durfte nicht mehr ausgegangen werden. Das angebotene Uhrenmodel war im Angebotszeitpunkt weder in den Fachhandels- und Endkundenportalen, noch in den geltenden Fachhandelspreislisten des Herstellers aufgeführt. Gemäss OLG Köln handelt es sich um ein Auslaufmodell mit entfallener Preisempfehlung des Herstellers. Dies, obwohl der Hersteller schriftlich bestätigte, dass das Modell nachwievor zu seinem Produktsortiment gehört.
Der BGH hielt fest, dass kartellrechtlich erlaubte Preisempfehlungen grundsätzlich auch lauterkeitsrechtlich zulässig seien. Preisempfehlungen können jedoch lauterkeitsrechtlich irreführend sein. Irreführung liegt vor, wenn:
- Nicht klargestellt wird, dass es sich bei der Herstellerpreisempfehlung um eine unverbindliche Preisempfehlung handelt;
- Wenn die Empfehlung nicht auf der Grundlage einer ernsthaften Kalkulation als angemessener Verbraucherpreis ermittelt wurde, oder
- Wenn sie im Zeitpunkt der Bezugnahme nicht mehr gültig ist.
Die Beklagte machte geltend, die Marktbedeutung der Herstellerpreisempfehlung habe im Zeitpunkt des Angebots fortbestanden. Die Mehrzahl der bei Amazon vertretenen Händler hätten das Uhrenmodell zum Preis von EUR 39,90 verkauft.
Der BGH hielt fest, dass die tatrichterliche Würdigung des OLG Köln nicht zu beanstanden ist. Es sei insbesondere nicht zu beanstanden, dass das OLG Köln den Handelsunterlagen des Herstellers mehr Gewicht beigemessen habe als dessen nachträglich von einer Prozesspartei eingeholten Auskunft.
Passivlegitimation des Händlers gegeben
Die Beklagte hat die Passivlegitimation bestritten. Dies deshalb, weil die Preisempfehlung von Amazon angebracht wird und der Händler diese Angabe nicht verändern kann.
Nach § 8 Abs. 1 dUWG ist jeder passivlegitimiert, der durch sein Verhalten den objektiven Tatbestand einer Zuwiderhandlung selbst, durch einen anderen oder gemeinschaftlich mit einem anderen adäquat kausal verwirklicht oder sich als Teilnehmer an der deliktischen Handlung eines Dritten beteiligt.
Gemäss OLG Köln und BGH ist das Verhalten der Beklagten vorliegend adäquat kausal. Die Einstellung des Angebotes der Uhr durch den Beklagten auf der Plattform sei adäquat kausal für die Irreführung des Publikums. Mit der Nutzung der Plattform lässt der Händler im eigenen Namen ein Angebot veröffentlichen, obwohl er dessen inhaltliche Gestaltung nicht vollständig beherrscht. Bei wertender Betrachtung liege es keinesfalls ausserhalb der Lebenserfahrung, dass es zur Einstellung falscher Preisempfehlungen kommen könne. Ein entsprechender Fehler des Plattformbetreibers ist nicht als völlig ungewöhnliche und unsachgemässe Handlungsweise anzusehen, welche die Adäquanz entfallen lässt. Der Plattformbetreiber halte fehlerhafte Informationen selbst für möglich. In den AGB werde den Händlern die Pflicht auferlegt, die für sein Angebot angezeigten Produktinformationen und deren Rechtmässigkeit regelmässig zu kontrollieren.
Die Zurechnung der Gefahr, für falsche Angaben Dritter zu haften, stelle in der vorliegenden Konstellation keine vollständig unvorhersehbare Rechtsfolge dar. Sie sei vielmehr die Kehrseite der von den Händlern in Anspruch genommenen Vorteile einer internetbasierten, allgemein zugänglichen und eine weitgehende Preistransparenz vermittelnden Plattform.
Die Beklagte machte geltend, dass selbst bei Löschung der Preisempfehlung für das eigene Angebot, weitere irreführende Preisempfehlungen für identische Angebote bestehen bleiben würden. Der BGH hielt fest, dass dieses Argument keinen Einfluss auf die adäquate Verursachung der Irreführung durch die Beklagte habe.
Gemäss BGH hat die Beklagte dadurch, dass sie dem Plattformbetreiber Einfluss auf die Gestaltung ihres Angebotes gegeben hat, ohne sich ein vertragliches Entscheidungs- und Kontrollrecht vorzubehalten, die Gewähr für die Richtigkeit der vom Plattformbetreiber vorgenommenen Angaben übernommen.
Kritische Bemerkungen
Die letzte Erwägung des BGH zeigt die Problematik des Entscheides deutlich. Die vertraglichen Beziehungen zwischen Online-Plattformen und den beteiligten Händlern basieren auf AGB, welche von den Plattformbetreibern einseitig festgelegt werden. Die Händler haben weder rechtlich noch faktisch die Möglichkeit, sich Entscheid- oder Kontrollrechte vorzubehalten. Sie können sich faktisch nur entscheiden, ob sie ein Angebot zu den Allgemeinen Geschäftsbedingungen aufschalten wollen oder nicht.
Es stellt sich auch die Frage, ob nicht der Plattformbetreiber der bessere Risikoträger ist. Er schaltet die unverbindliche Preisempfehlung auf. Damit die Angabe der Preisempfehlung zulässig ist, muss er diese von einem Hersteller erhalten oder einem Katalog entnehmen. Der Plattformbetreiber kann natürlich argumentieren, dass die Preisempfehlungen für alle Produkte mit derselben ASIN-Nummer automatisch angegeben werden. Selbst dann dürfte der Plattformbetreiber immer noch in der besseren Position sein, um die Angaben zu kontrollieren.
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