Irreführende Werbung mit Bewertungen: auch Bewertungen mit Belohnung durch Gewinnspielteilnahme gelten als «erkauft»


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Ein aktuelles Urteil des Oberlandesgericht Frankfurt verdeutlicht, dass die Werbung mit Bewertungen unzulässig ist, wenn diese durch Belohnungen «beeinflusst» wurden: Wird im Gegenzug für die Abgabe einer Kundenbewertung eine Gewinnspielteilnahme bei einem Social-Media-Gewinnspiel in Aussicht gestellt, ist diese Bewertung nicht mehr gänzlich objektiv. Werden solche „beeinflussten“ Bewertungen veröffentlicht, ist diese Werbung irreführend und verstösst gegen die Vorgaben des Lauterkeitsrechts (UWG).

Kundenbewertungen: Grund für rechtliche Auseinandersetzungen

Bewertungen sind für viele Anbieter ein wichtiges Marketingtool und zugleich immer wieder Gegenstand von rechtlichen Auseinandersetzungen. In den meisten Fällen geht es dabei um die Löschung und das Vorgehen gegen unliebsame Bewertungen (vgl. z.B. MLL-News vom 6. Juli 2019 und vom 14. Oktober 2014).

Von grosser Bedeutung sind für die Anbieter aber auch die Vorgaben für die Generierung von Bewertungen und die Werbung mit diesen. Hierzu wurde in Deutschland bereits entschieden, dass die Werbung mit bezahlten Bewertungen unzulässig ist. Von «erkauften» Bewertungen wurde auch ausgegangen, wenn Gutscheine als Belohnung für Kundenrezensionen oder Erfahrungsberichte auf bestimmten Bewertungsplattformen in Aussicht gestellt wurden (vgl. MLL-News vom 14. Januar 2014).

Rechtsstreit zwischen Konkurrenten

Auch das Oberlandesgericht Frankfurt am Main beschäftigte sich in seinem Urteil vom 16. Mai 2019 (6 U 14/19) mit «beeinflussten» Kundenbewertungen. Zu klären war, ob bereits die Belohnung mit einer Gewinnspielteilnahme in diesem Sinne problematisch sein kann.

Auslöser dafür war ein Rechtsstreit zwischen zwei Konkurrenten beim Vertrieb von Whirlpools. Die Antragsgegnerin hatte auf Facebook ein Gewinnspiel angeboten, bei dem ein Whirlpool zu gewinnen war. Sie bewarb das Gewinnspiel folgendermassen:

„Wie kannst Du gewinnen? Ganz einfach: Diesen Post liken, kommentieren, teilen; unsere Seite liken oder bewerten. Jede Aktion erhält ein Los und erhöht so Deine Gewinnchance!“.

Daraufhin gaben zwei Nutzer auf Facebook Bewertungen ab, die ausdrücklich auf dieses Gewinnspiel Bezug nahmen. Die Antragsgegnerin wirbt mit ihren Facebook-Bewertungen nicht nur auf Facebook, sondern auch auf zwei weiteren Plattformen, wo die Anzahl aller Bewertungen sowie deren Gesamtnote angegeben werden.

Die Antragstellerin war der Auffassung, dass die entsprechenden Bewertungen „erkauft“ seien und das Werben mit diesen daher irreführend sei. Sie stellte deshalb den Antrag, der Konkurrentin diese Werbung zu verbieten. Nachdem in erster Instanz ein einstweiliges Verbot ausgesprochen wurde, legte die Antragsgegnerin Berufung beim Oberlandesgericht Frankfurt am Main ein.

Urteil des OLG Frankfurt: veröffentlichte Bewertungen müssen objektiv sein

Das OLG Frankfurt am Main hielt in seinem Urteil einleitend fest, dass die Werbung mit bezahlten Empfehlungen grundsätzlich unzulässig ist. Denn Äusserungen Dritter wirkten in der Werbung objektiv und es werde diesen deshalb allgemein ein höherer Stellenwert zugesprochen als Äusserungen, die der Werbende selbst trifft. Ein zu Unrecht erzeugter Anschein der Objektivität sei irreführend.

Im vorliegenden Fall sei davon auszugehen, dass ein nicht unerheblicher Teil der Bewertungen nur abgegeben wurde, weil die Bewerter durch die Gewinnspielteilnahme „belohnt“ wurden. Es liege ferner auf der Hand, dass die Bewertungen aus Anlass des Gewinnspiels eher positiv ausfallen würden. Bei den Rezensionen handle es sich damit zwar nicht im wörtlichen Sinne um „erkaufte“ Bewertungen. Gleichwohl seien sie nicht als objektiv anzusehen. Besucher, die die jeweiligen Websites, wo die Bewertungen veröffentlicht werden (z.B. auf Facebook), besuchen, dürfen annehmen, dass die Bewertungen objektiv sind, und werden durch die Antragsgegnerin in die Irre geführt werden.

An diesem Fazit änderten auch die Argumente der Antragsgegnerin nichts. So macht es nach Ansicht des Gerichts keinen wesentlichen Unterschied, dass es sich im vorliegenden Fall nicht um die Bewertung eines erworbenen Produktes handle, sondern um die Bewertung der Facebook-Seite der Antragsgegnerin. Der Durchschnittsverbraucher gehe nämlich davon aus, dass nur zufriedene Kunden oder solche Verbraucher, die das gesehene Angebot für überzeugend halten, den Social-Media-Auftritt eines Unternehmens positiv bewerten. Die Anzahl der Bewertungen lasse zudem Rückschlüsse auf die Bekanntheit des Unternehmens und seiner Produkte zu. Die Behauptung, alle Besucher der Seite gingen die Bewertungen inhaltlich durch und könnten daher selbst erkennen, dass sie teilweise nur anlässlich des Gewinnspiels abgegeben wurden, überzeugte das Gericht ebenso wenig.

Weiter könne nicht angenommen werden, den Besuchern von Social-Media-Plattformen seien die (unlauteren) Praktiken bei der Generierung von Bewertungen bereits so geläufig, dass sie den Bewertungen von vornherein keine objektive Aussagekraft zumessen würden. Auch das Argument, dass die Abgabe einer Bewertung für die Teilnahme am Gewinnspiel gar nicht zwingend erforderlich gewesen sei, liess das Gericht nicht gelten. Selbst wenn ein Nutzer u.a. auch durch das Teilen des Posts am Gewinnspiel teilnehmen könne, sei davon auszugehen, dass dieser zur Erhöhung der Gewinnchancen womöglich zusätzlich eine Bewertung abgeben werde.

Fazit und Ausblick

Das OLG Frankfurt am Main kam somit zum Schluss, dass die Werbung mit einer Gesamtnote irreführend ist, wenn in die Note Einzelbewertungen eingeflossen sind, die mit der Aussicht auf eine Gewinnspielteilnahme abgegeben wurde. Das (rechtskräftige) Urteil verdeutlicht, dass die Werbung mit «beeinflussten» Bewertungen unzulässig ist und jegliche Belohnungen für die Veröffentlichung von Bewertungen somit problematisch sind.

Auch der EU-Gesetzgeber hat die grosse Bedeutung von Bewertungen erkannt und hat kürzlich besondere Vorschriften zur Werbung mit Bewertungen erlassen (vgl. MLL-News vom 6. Juli 2019). So müssen Anbieter künftig explizit sicherstellen, dass nur authentische Kundenbewertungen online veröffentlicht werden. Sie müssen zudem darüber informieren, wie die Authentizität sichergestellt wird und darauf hinweisen, ob alle Bewertungen – positive wie negative – veröffentlicht werden und ob diese Bewertungen im Wege eines Vertragsverhältnisses mit einem Unternehmer gesponsert oder beeinflusst wurden.

Blick auf die Rechtslage in der Schweiz

Die Schweizer Gerichte sind zwar gewöhnlich zurückhaltender bei der Bejahung der Unlauterkeit als die deutschen Gerichte. Gleichwohl besteht auch in der Schweiz ein Irreführungsverbot (vgl. Art. 3 Abs. 1 lit. b UWG). Es ist deshalb davon auszugehen, dass die hiesigen Gerichte in einem ähnlichen Fall zum gleichen Schluss gelangen würden. Folglich sind auch in der Schweiz tätige Unternehmen gut beraten, auf Belohnungen jeglicher Art für die Veröffentlichung von Bewertungen zu verzichten.

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