Kopplungsverbot Gratisdienst Einwilligung

Italiens Kassationsgericht zum Kopplungsverbot bei Gratisdiensten: Freiwilligkeit der Einwilligung fehlt nur bei unverzichtbaren Diensten


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In einem aktuellen Urteil befasst sich das oberste Gericht Italiens (Corte di Cassazione) mit der zentralen Frage, wann eine Einwilligung in die Verarbeitung personenbezogener Daten als freiwillig gilt und inwieweit ein sog. Kopplungsverbot besteht. Das Gericht gelangt dabei – entgegen einer verbreiteten Ansicht – zum Ergebnis, dass es durchaus zulässig sein kann, die unentgeltliche Erbringung von Dienstleistungen von einer Einwilligung in die Verwendung personenbezogener Daten zu Werbezwecken abhängig zu machen. An der Freiwilligkeit der Einwilligung könnte es nach Ansicht des Gerichts dann fehlen, wenn die betroffene Dienstleistung unersetzbar oder unverzichtbar sei. Im vorliegenden Fall wurde dies in Bezug auf einen Newsletter für Finanz- und Steuerinformationen jedoch verneint, weil die Nutzer «ohne ernsthafte Nachteile» auf den Dienst verzichten könnten, da es sich eindeutig um Informationen handle, die leicht auf andere Weise erworben werden können, möglicherweise über kostenpflichtige Websites, wenn nicht gar durch die Verwendung von Printveröffentlichungen.

Newsletter-Anmeldung nur mit Einwilligung in Datenschutzerklärung

In seinem Urteil vom 2. Juli 2018 (Nr. 17278/2018) hatte sich das Gericht mit dem folgenden Sachverhalt auseinander zu setzten: Eine Website eines Anbieters, welche es Nutzern erlaubt, einen Newsletter-Service zu Fragen betreffend Finanzen, Steuerwesen und ähnlichen Themen zu abonnieren, verlangte von den Usern am Ende des Datenerfassungsformulars die Einwilligung «zur Verarbeitung personenbezogener Daten». Diese Einwilligung konnte durch das Anklicken einer Checkbox abgegeben werden.

Wurde das Feld nicht angeklickt, konnte der Newsletter nicht abonniert werden. Dabei war auf derselben Seite nicht hervorgehoben, was die genaue Bedeutung «Verarbeitung personenbezogener Daten» ausmacht. Die Datenschutzerklärung war über einen Hypertext-Link einsehbar. Nach Anklicken dieses Links wurde den Nutzern auf einer externen Seite angegeben, dass die von ihnen erhobenen Daten nicht nur für die Bereitstellung dieses Dienstes, sondern auch für den Versand von Werbematerial und kommerziellen Informationen durch Dritte verwendet werden können.

Freiwilligkeit einer Werbe-Einwilligung bei Gratisdiensten

In einem ersten Schritt prüfte das Gericht, ob im vorliegenden Fall von einer freiwillig erteilten Einwilligung in die Datenverarbeitung ausgegangen werden kann. Es erstaunt, dass sich das Gericht hier im Wesentlichen mit den Vorgaben der neuen EU-Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) auseinandersetzt (vgl. dazu allgemein MLL-News vom 14.1.2016) – war doch diese zum Zeitpunkt des umstrittenen Sachverhalts noch nicht in Kraft getreten und daher noch die EU-Datenschutzrichtlinie (Richtlinie 95/46/EG) anwendbar. Ausgehend davon ist die Beurteilung des Gerichts aber jedenfalls umso interessanter.

Das Gericht vertritt die Auffassung, dass es für die Beurteilung der Freiwilligkeit entscheidend ist, wie unersetzbar oder unverzichtbar der angebotene Dienst für den Betroffenen ist. Ist es einem User, wie im zugrundeliegenden Fall, problemlos möglich, die angesprochenen Informationen auch auf andere Weise zu erlangen, also beispielsweise mit Hilfe von zahlungspflichtigen Websites oder anderen Informationsdiensten jeglicher Art, muss die Kopplung von Einwilligung und Nutzung des Dienstes erlaubt bleiben. In solchen Fällen könne auf einen spezifischen Dienst dementsprechend ohne die Erbringung eines «ernsthaften Opfers» verzichtet werden.

Im Ergebnis könne es also einem Portalbetreiber nicht zugemutet werden, den wirtschaftlichen Nutzen, den er aus den durch die Erfassung der personenbezogenen Daten entstehenden Werbeaktivitäten ziehen kann, komplett aufzugeben. Nichts hindere einen Dienstleistungsbetreiber daran, sofern, wie erwähnt, der angebotene Dienst nicht unentbehrlich ist, ihn für diejenigen zu verweigern, die den Empfang von Werbebotschaften verweigern. Daran ändere sich auch nichts, wenn die Werbeeinwilligung, für die Erfüllung des Vertrages, also der Gewährleistung eines Dienstes, nicht erforderlich ist.

Informierte und spezifische Einwilligung

In einem nächsten Schritt gelangt das Gericht aber gleichwohl zum Schluss, dass es im vorliegenden Fall an einer gültigen Einwilligung fehlte. Er betont dabei, dass eine «informierte Einwilligung» erforderlich sei, damit das Recht auf informationelle Selbstbestimmung der User bestmöglich geschützt werden kann. Darüber hinaus müsse die Einwilligung auch spezifisch, d.h. auf einen bestimmten Zweck bezogen sein.

Im vorliegenden Fall hätten die bei der Anmeldung erhobenen personenbezogenen Daten auch für die Versand von „Werbung“ Dritter verarbeitetet werden sollen. Eine gültige Einwilligung hierfür würde aber nach Ansicht des Gerichts zumindest voraussetzen, dass zumindest die betreffenden Produkt- oder Dienstleistungsbereiche konkret bezeichnet würden. Im vorliegenden Fall fehlte eine solche Präzisierung, weshalb nicht von einer gültigen Einwilligung ausgegangen werden könne

Fazit und Anmerkungen

In Bezug auf die Anforderungen an die Freiwilligkeit von Einwilligung ist das Urteil insbesondere deshalb interessant, weil das Gericht damit einer verbreiteten Ansicht widerspricht, die von einem relativ strengen Kopplungsverbot ausgeht. Denn die DSGVO enthält in Art. 7 (Bedingungen für die Einwilligung) den folgenden umstrittenen Absatz:

(4) Bei der Beurteilung, ob die Einwilligung freiwillig erteilt wurde, muss dem Umstand in größtmöglichem Umfang Rechnung getragen werden, ob unter anderem die Erfüllung eines Vertrags, einschließlich der Erbringung einer Dienstleistung, von der Einwilligung zu einer Verarbeitung von personenbezogenen Daten abhängig ist, die für die Erfüllung des Vertrags nicht erforderlich sind.

Obwohl im vorliegenden Fall, die Datenverarbeitung für die Zustellung von Werbung für den Versand des Newsletters nicht erforderlich war, hat das Gericht diese Kopplung nicht beanstandet. Gestützt auf die Argumentation des Gerichts, könnte man auch bei ähnlichen Konstellationen, wie z.B. bei Gewinnspielen, davon ausgehen, dass eine Kopplung der Teilnahme mit der Werbe-Einwilligung erlaubt ist.

Ob sich diese Auffassung durchsetzen wird, ist nach aktuellem Stand jedoch fraglich. So vertreten zwar selbst die EU-Datenschützer den Standpunkt, dass das Kopplungsverbot keine allgemeine Geltung hat. Die DSGVO belasse insofern Raum für Abweichungen von diesem Grundsatz. Gleichwohl wird hervorgehoben, dass solche Fälle die absolute Ausnahme darstellen. Bis zur Klärung der Rechtslage durch ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) ist die Kopplung der Erbringung von Diensten mit einer Werbeeinwilligung daher mit erheblichen Risiken verbunden.

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