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Vor kurzem hat das Handelsgericht St. Gallen in einem vorsorglichen Massnahmeverfahren entschieden, dass die Nespresso-kompatiblen Kaffeekapseln von Denner die Markenrechte von Nestlé nicht verletzen. Gestützt auf ein Expertengutachten kam der Handelsgerichtspräsident zwar zum Schluss, dass die Formmarke Nestlés (Form einer Kaffeekapsel) markenschutzfähig ist. Nur der Flansch, der Rand der Kapsel, sei technisch notwendig, nicht die Form an sich. Darüber hinaus entscheid der Handelsgerichtspräsident aber, dass Nestlé Denner nicht gestützt auf diese Formmarke verpflichten kann, eine andere – für Kaffeekapseln ungewöhnliche – Form zu verwenden, selbst wenn solche Formen technisch möglich wären. Für ein solches Verbot bestehe keine Grundlage. Denn eine Verwechslungsgefahr zwischen den beiden Kapseln erscheine nicht glaubhaft, da die Denner-Kapsel sich genügend von Nestlés Formmarke unterscheide.
Grundsatz im Markenrecht: technisch bedingte Formen sind nicht schutzfähig
Im Markenrecht gilt der Grundsatz, dass dreidimensionale Zeichen (sog. Formmarken) insbesondere dann nicht als Marken eingetragen werden können, wenn sie technisch notwendig sind oder das Wesen der Ware ausmachen, d.h. mit dem Erscheinungsbild der Ware zusammenfallen (vgl. Art. 2 lit. b MSchG). Denn in solchen Fällen würde die Monopolisierung der Form durch ein Markenrecht sämtliche Wettbewerber ausschliessen, da diesen die Verwendung einer gleichen oder ähnlichen Form untersagt werden könnte. Vor einiger Zeit hat das Bundesgericht beispielsweise die Form der Lego-Bausteine als technisch notwendig bezeichnet (vgl. Urteil 4A_20/2012; BR-News vom 22.08.2012).
Vor diesem Hintergrund hatte das Handelsgericht St. Gallen kürzlich im schweizweit Aufsehen erregenden „Kaffeekapselstreit“ zwischen Denner und Nestlé bzw. Nespresso zu entscheiden, ob es sich auch bei der als Marke eingetragenen Form der Nespresso-Kapseln um eine nicht monopolisierbare Form handelt.
Vorgeschichte und Prozessverlauf
Beim vom Handelsgerichtspräsidenten entschiedenen Fall handelte es sich um ein Verfahren um Erlass vorsorglicher Massnahmen. Eingeleitet wurde dies durch ein gemeinsames Gesuch der Nestlé Nespresso SA und der Société des Produits Nestlé SA (nachfolgend für beide: Nestlé) im Januar 2011. Nachdem Denner Ende 2010 eine Kaffeekapsellinie lancierte, die sie insbesondere damit bewarb, dass die Kapseln auch in Nespresso-Kaffeemaschinen verwendet werden können, gelangte Nestlé an das Handelsgericht St. Gallen. Der Nahrungsmittelkonzern forderte in diesem Gesuch, es sei Denner vorsorglich zu verbieten, die mutmasslich markenverletzenden Kaffeekapseln weiter zu verkaufen. Darüber hinaus forderte Nestlé, dass es Denner verboten werden solle, den Slogan „Denner – was suscht?“ zu verwenden und die fraglichen Kaffeekapseln mit dem Hinweis auf die Kompatibilität zu Nespresso-Maschinen zu bewerben. Der Handelsgerichtspräsident ordnete diese Verbote in einem ersten Schritt superprovisorisch (ohne Anhörung Denners) an (vgl. Urteil vom 10. Januar 2011). Am 4. März 2011 hob er das Verkaufsverbot wieder auf. Am Verbot der Verwendung des Slogans hielt er aber fest. Zudem schränkte er den zulässigen Gebrauch des Kompatibilitätshinweises ein. Dieser dürfe auf der Verpackung oder in der Werbung nur noch dann verwendet werden, wenn der Schriftzug klein sei.
Diesen Entscheid zog Nestlé ans Bundesgericht weiter, welches die Beschwerde teilweise guthiess und die Rechtssache zur Neubeurteilung ans Handelsgericht zurückwies. Das höchste Gericht beauftragte das Handelsgericht damit, die mutmassliche technische Notwendigkeit der Form der Nespresso-Kapseln durch ein Expertengutachten untersuchen zu lassen, denn der Handelsgerichtspräsident könne die technische Notwendigkeit der Form nicht selbst beurteilen. Weiter sei ergänzend zu prüfen, ob die Form der Kapseln das Wesen der Ware ausmache und ob die Ähnlichkeit der Formen zu einer Verwechslungsgefahr führe (vgl. BGE 137 III 324).
Nur Flansch technisch notwendig – Form macht nicht das Wesen der Ware aus
Das Expertengutachten, welches das Handelsgericht daraufhin in Auftrag gab, kam zum Schluss, dass in Bezug auf die Form nur der Flansch (Rand der Kapsel) technisch notwendig sei. Die Form des Kegelstumpfs hingegen könne innerhalb gewisser Grenzen (Mindestvolumen, Form des „Kapselkäfigs“) frei gewählt werden. Die konische Form der Nespresso-Kapel sei keineswegs zwingend. Somit sei die Kapsel als Ganzes grundsätzlich markenschutzfähig.
Denner machte darüber hinaus geltend, die Marke sei deshalb nicht schutzfähig, weil die Form das Wesen der Ware ausmache. Gemäss Denner sei dabei nicht relevant, dass es sich vorliegend nicht um die Form der Waren handle, für die Schutz beansprucht werde (namentlich Kaffee), sondern um deren Verpackung. Denn Gegenstände „ohne eigene Konsistenz“ wie Flüssigkeiten oder Pulver würden ausschliesslich aufgrund der Verpackung wahrgenommen, in denen sie enthalten sind.
Dem stimmte das Gericht zumindest teilweise zu. Das Publikum erwarte vorliegend eine Ware, mit der sich in einer Nespresso-Maschine Kaffee zubereiten lasse, d.h. grundsätzlich eine Kapsel. Das Handelsgericht prüfte deshalb, ob die Formmarke von Nestlé das Wesen einer Kaffeekapsel ausmacht, die in einer Nespresso-Maschine funktioniert. Bei dieser Prüfung verwies es wieder auf die Ergebnisse des Gutachtens, wonach nur der Flansch zwingend notwendig ist, damit eine Kapsel in einer Espresso-Maschine verwendet werden kann, nicht jedoch die Form der restlichen Kapsel. Somit bestehe genügend Freiraum zur Gestaltung der Kapselform. Folglich mache die Form nicht das Wesen der Ware aus.
Da die Form auch nicht zum Gemeingut gehöre, liege kein absoluter Ausschlussgrund vor, weshalb die Nespresso-Kapsel grundsätzlich schutzfähig sei.
Verwechslungsgefahr nicht glaubhaft gemacht
Von dieser Schutzfähigkeit ausgehend hatte das Gericht anschliessend zu prüfen, ob eine Verwechslungsgefahr zwischen den beiden Kapseln glaubhaft gemacht war und Nestlé Denner aus diesem Grund den Verkauf der nachgeahmten Kapseln verbieten konnte.
Die zu beurteilenden Kapseln sehen wie folgt aus:
(Abbildungen übernommen aus dem Urteil des HGer SG, E. 13c).
Das Handelsgericht hielt dazu als erstes fest, dass der Denner-Kapsel eine gewisse Ähnlichkeit mit der Formmarke der Nespresso-Kapsel nicht abgesprochen werden könne: Beide Kapselformen wiesen eine Scheibe auf, welche die Funktion des technisch notwendigen Flansches erfülle und über der ein Kegelstumpf liege. Die Unterschiede hingegen fänden sich hauptsächlich in dem Teil, der auf dem Kegelstumpf aufbaue („Hutaufsatz“ bzw. „Vulkankegel“). In ihrer Grundform als Kegelstumpf mit Aufbau seien die Formen somit ähnlich. Die Marken seien zudem für die gleichen Waren eingetragen.
Eine Verwechslungsgefahr verneinte das Gericht trotzdem, denn ähnlich seien vorliegend nur der (technisch notwendige) Flansch sowie der Kegelstumpf, eine grundsätzlich nicht schutzfähige geometrische Form. Die Beurteilung der Verwechslungsgefahr habe sich somit auf den kennzeichnungskräftigen Teil („Hutaufsatz“ bzw. „Vulkankegel“) zu beschränken.
Die (vorsorgliche) Beurteilung dieses Teils ergab, dass die beiden Kapseln eher nicht verwechselbar seien. Die Form der Denner-Kapsel habe genügend eigene charakteristische Merkmale, sodass eine Verwechslungsgefahr nicht glaubhaft erscheine. Die Denner-Kapsel werde mit anderen Worten nicht als blosser Plastikklon der Nespreso-Kapsel wahrgenommen: Die Nespresso-Kapsel strahle mit ihrer edlen, eleganten, schlichten Form die Exklusivität eines qualitativ hochwertigen Produktes aus. Diese Botschaft gehe der mit „unästhetischen Löchern und Abstufungen“ versehenen Denner-Kapsel völlig ab.
Verkaufsverbot aufgehoben – keine Anfechtung durch Nestlé
Da eine Verwechslungsgefahr folglich nicht glaubhaft gemacht werden konnte, wies das Gericht das Begehren um Erlass eines Verkaufsverbots ab bzw. bestätigte sein erstes Urteil. Somit wäre es Denner nun weiterhin erlaubt, die Kapseln zu verkaufen. Wie einer Presse-Mitteilung des Discounters zu entnehmen ist, hat dieser jedoch mittlerweile sein Produkt weiterentwickelt und dessen Form verändert. Gemäss diversen Medienberichten verzichtet Nestlé auf die Anfechtung des Urteils beim Bundesgericht und wird auch nicht gegen die neuen Denner-Kapseln vorgehen. Das Urteil des Handelsgerichts St. Gallen wird somit (vorläufig) das letzte Urteil im „Kapselstreit“ zwischen Nestlé und Denner sein.
Weitere Informationen:
- Urteil HG.2011.199 des Handelsgerichts des Kantons St. Gallen vom 21. Mai 2013
- Pressemitteilung des Handelsgerichts des Kantons St. Gallen vom 22. Mai 2013
- Urteil HG.2011.10-HGP des Handelsgerichts des Kantons St. Gallen vom 4. März 2011
- BGE 137 III 324 / Volltext: 4A_178/2011 vom 28. Juni 2011
- Medienmitteilung des Bundesgerichts vom 28. Juni 2011
- Urteil HG.2011.10-HGP des Handelsgerichts des Kantons St. Gallen vom 10. Januar 2011
- Chronologie des Rechtsstreits, zusammengestellt durch Denner (mit weiteren Links)
- BR-News: „BGer: Kein Markenschutz für Lego-Bausteine“
- BR-News: „Bundesgericht bestätigt restriktive Praxis zum Markenschutz von Verpackungen“
- BR-News: „EuGH: Lindt-Goldhase kann nicht als Gemeinschaftsmarke eingetragen werden“
Ansprechpartner: Lukas Bühlmann