Kann Google für persönlichkeitsverletzende «autocomplete»-Suchvorschläge belangt werden?


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In kürzlich ergangenen Urteilen eines französischen und eines italienischen Gerichts wurde die Verantwortlichkeit von Google für persönlichkeitsverletzende Suchvorschläge (sog. «Autocomplete»-Funktion) bejaht. In beiden Entscheiden wurde Google dazu verpflichtet, dafür zu sorgen, dass die beanstandeten Suchvorschläge bei der Eingabe der Namen der Kläger nicht mehr erscheinen. Im Verfahren in Italien wurden ferner die «Haftungsprivilegien» für Provider aus der Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr (Nr. 2000/31/EG) für nicht anwendbar erklärt. Die beiden Entscheide werfen die Frage auf, ob ein entsprechendes Vorgehen gegen Google auch nach schweizerischem Recht erfolgreich sein könnte.

Seit einiger Zeit werden den Benutzern der Suchmaschine von Google bei der Eingabe von Suchbegriffen Vorschläge unterbreitet, welche die eingegebenen Begriffe vervollständigen oder ergänzen. Die Funktion wird deshalb verschiedentlich als «Autocomplete»- oder «Suggest»-Funktion» bezeichnet. Gibt man auf Google bspw. den Vor- und Nachnamen einer Personen ein, werden zusätzliche, teilweise unvorteilhafte Vorschläge eingeblendet, die eine gedankliche Verknüpfung beim Benutzer hervorrufen können, welche vielfach nicht im Interesse der betroffenen Personen sein dürften.

In dem Sachverhalt der dem Urteil des Tribunal de Grande Instance de Paris vom 8.9.2010 zugrunde lag, wurden auf «google.fr» bei der Eingabe des Vor- und Nachnamens des Klägers, welcher in einem früheren Entscheid wegen «corruption mineur» verurteilt wurde, Suchvorschläge wie «prison», «violeur» (= Vergewaltiger) oder «sataniste» angezeigt. Im Fall, der im Urteil des Tribunale Ordinario di Milano vom 31.3.2011 behandelt wurde, erschienen bei der Eingabe des Namens eines Unternehmers die Suchvorschläge «truffa» (=Betrug) und «truffatore». Vor beiden Gerichten konnten die Kläger gegenüber Google erfolgreich die Beseitigung der Suchvorschläge im Zusammenhang mit den jeweiligen Namen verlangen, da sie als persönlichkeitsverletzend qualifiziert wurden.

Die beiden Fälle sind insbesondere im Hinblick auf die Provider-Haftung von Interesse. Die Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr (Nr. 2000/31/EG; e-commerce-Richtlinie) sieht in Art. 12-15 verschiedene «Privilegien» für Provider vor, welche deren Haftung für unerlaubte Handlungen Dritter einschränken. Dabei ist jedoch umstritten, ob bzw. inwieweit diese auch für Betreiber von Suchmaschinen gelten. Im Urteil des Tribunal de Grande Instance de Paris wird nicht explizit auf diese Privilegien eingegangen, während sie im Urteil des Tribunale Ordinario di Milano vom 31.3.2011 zwar behandelt, aber für nicht anwendbar erklärt werden.

Die Haftungsprivilegien nach der «e-commerce-Richtlinie» knüpfen daran an, dass es sich um «durch einen Nutzer eingegebene Informationen» handelt. Hierbei wird beispielsweise im deutschen Recht zwischen eigenen sowie «zu-eigen-gemachten» Informationen, für welche ein Provider nach den allgemeinen Grundsätzen haftet, und fremden Informationen unterschieden, für welche die aus der «e-commerce-Richtlinie übernommenen Privilegien gelten.

Vor diesem Hintergrund sind die von Google in beiden Verfahren geltend gemachten Argumente gegen eine Haftung zu sehen. Bei der «Autocomplete»- oder «Suggest»-Funktion» handelt es sich gemäss Google um einen rein automatischen Dienst, der ausgehend von einer Datenbank die auf Google abgefragten Suchbegriffe wiedergibt, welche von Benutzern der gleichen Sprache und des gleichen Gebiets unlängst eingegebenen wurden. Die angezeigten Suchvorschläge seien abhängig von einem Algorithmus, der auf Suchanfragen anderer Benutzer basiere, ohne jeglichen menschlichen Eingriff oder eine Umklassifizierung von Google.

Die beiden Gerichte erachteten diese Argumentation jedoch als unmassgeblich. Sie führten aus, dass die durch den Algorithmus und die Software generierten Suchvorschläge letztlich auf Entscheidungen von Google über deren Gestaltung basierten. Das Tribunal de Grande Instance de Paris hielt ferner unter Hinweis auf die Erkenntnisse aus einem anderen Verfahren fest, dass Google nicht alle Suchanfragen, insbesondere solche, die eine grosse Zahl von Usern verletzen könnte, berücksichtige. Dies belege, dass die Suchbegriffe, welche in die Datenbank Eingang finden, vorgängig gefiltert werden. Gleichermassen würden die Benutzer auf google.fr dazu angehalten, Suchvorschläge, die nicht angezeigt werden sollten, zu melden, woraus man folgern könne, dass ein menschliches Eingreifen möglich sei. Google habe schliesslich auch selber bestätigt, dass pornografische oder gewaltbezogene Suchvorschläge eingeschränkt werden. Daraus folgerte das Gericht, dass zumindest ex-post ein menschliches Eingreifen zur Verhinderung der offensichtlichsten Verletzungen, die aus den Suchvorschlägen resultieren können, möglich sei.

Beide Gerichte gingen ferner davon aus, dass die Suchvorschläge, die bei der Eingabe der jeweiligen Namen angezeigt werden, die Persönlichkeitsrechte der Kläger verletzen. Google wurde schliesslich in beiden Fällen dazu verpflichtet, die beanstandeten Suchvorschläge bei der Eingabe der Namen der Kläger zu beseitigen. Ein wesentlicher Umstand, weshalb die Gerichte die Beseitigungsbegehren gutgeheissen haben, war wohl, dass Google in beiden Fällen vorgängig zur Entfernung aufgefordert wurde und darauf nicht reagierte (vgl. auch Art. 14 Ziff. 1 lit. b der «e-commerce-Richtlinie»).

Diese Urteile werfen die Frage auf, ob ein entsprechendes Vorgehen gegen Google auch nach schweizerischem Recht erfolgreich sein könnte. Die Rechtslage zur Haftung von Internet-Providern ist in der Schweiz allerdings unklar. Eine spezielle Gesetzgebung besteht nicht und auch die Rechtsprechung des Bundesgerichts liefert hierzu nur gewisse Anhaltspunkte. Ausgangspunkt für die Beurteilung der Frage, ob ein Betroffener die Beseitigung von persönlichkeitsverletzenden Suchvorschlägen zu seinem Namen verlangen kann, ist das allgemeine Personenrecht des Schweizerischen Zivilgesetzbuches (ZGB). Nach Art. 28 Abs. 1 ZGB kann eine Person, die in seiner Persönlichkeit widerrechtlich verletzt wird, zu seinem Schutz gegen jeden, der an der Verletzung mitwirkt, Klage erheben. Bereits der Gesetzgeber ging davon aus, dass der Begriff der Mitwirkung und damit der Kreis der sog. «passivlegitimierten» (vereinfacht: einklagbaren) Personen weit gefasst ist. Auch das Bundesgericht geht von einer weiten Auslegung aus, sodass beispielsweise sogar eine Druckerei, welche persönlichkeitsverletzende Artikel einer Zeitung druckte, gestützt auf Art. 28 Abs. 1 ZGB ins Recht gefasst werden konnte (vgl. BGE 126 III 161).

Vor diesem Hintergrund ist nicht auszuschliessen, dass ein Vorgehen gegen Google auf der Grundlage von Art. 28 ZGB erfolgreich wäre. Es ist jedoch grundsätzlich anerkannt, dass das Recht den Betroffenen lediglich Pflichten auferlegen kann, deren Erfüllung möglich und zumutbar ist. Die Frage, inwieweit eine vorgängige oder auf Aufforderung erfolgende, dauerhafte Überprüfung der Suchvorschläge auf Persönlichkeitsverletzungen zumutbar ist, dürfte von den Gerichten allerdings kaum einheitlich beurteilt werden.

Weitere Informationen:

Ansprechpartner: Lukas Bühlmann


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