Kartellrecht: Bundesgericht hebt Rekordbusse gegen Swisscom definitiv auf


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Das Schweizer Bundesgericht hat in einem Urteil vom 11. April 2011 die kartellrechtliche Sanktion gegen Swisscom in der Rekord-Höhe von 333 Millionen Franken definitiv aufgehoben. Es bestätigt damit im Wesentlichen den Entscheid des Bundesverwaltungsgerichts (BVGer), in welchem die Feststellung der WEKO, dass die Swisscom ihre marktbeherrschende Stellung bei der sog. Terminierung von Mobilfunkgesprächen missbraucht habe, als unzutreffend erklärt wurde. Gestützt wird damit insbesondere die Auslegung des BVGer, wonach ein Missbrauch im Sinne von Art. 7 Abs. 2 lit. c KG voraussetze, dass unangemessene Preise erzwungen werden und die «Erzwingung» dabei ein eigenständiges Kriterium darstelle. Auch das Bundesgericht kam sodann zum Ergebnis, dass die Swisscom aufgrund der besonderen fernmelderechtlichen Rahmenordnung ihre Preise den Konkurrenten nicht habe aufzwingen können.

Die Eidg. Wettbewerbskommission (WEKO) hatte die Swisscom in einer Verfügung vom 5. Februar 2007 zur Zahlung einer kartellrechtlichen «Busse» in der Rekordhöhe von 333 Mio. Franken verpflichtet. Die WEKO stellte fest, dass die Swisscom Mobile AG im «Wholesale-Markt» für die in ihr Mobilfunknetz eingehenden Fernmeldedienste über eine markbeherrschende Stellung verfügte und diese missbrauchte, indem sie von anderen Fernmeldedienst-Anbietern unangemessene «Terminierungsgebühren» verlangte. Als Terminierung wird dabei die Übernahme von Anrufen aus einem Mobil- oder Festnetz der Konkurrenz in das eigene Mobilfunknetz verstanden. Die Unangemessenheit der Preise, welche die Swisscom hierfür verlangte, hat die WEKO insbesondere auf den Vergleich mit den mutmasslichen Kosten und den Gebühren im Ausland abgestützt.

Das Bundesverwaltungsgericht hob diese Verfügung der WEKO jedoch mit seinem Urteil vom 24.2.2010 (B-2050/2007) im Wesentlichen auf. Es bejahte zwar das Vorliegen einer marktbeherrschenden Stellung für den relevanten Zeitraum. Allerdings erachtete es die Voraussetzungen für eine direkte Sanktion nach Art. 49a Abs. 1 KG nicht als gegeben. Da den kartellrechtlichen Sanktionen im Sinne von Art. 49a Abs. 1 KG «Strafcharakter» zukomme, müssten die Anforderung der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK), insbesondere auch das aus dem Legalitätsprinzip abgeleitete Erfordernis der genügenden Bestimmtheit einer Vorschrift, beachtet werden. Vor diesem Hintergrund ging das BVGer davon aus, dass angesichts der inhaltlichen Offenheit von Art. 7 Abs. 1 KG eine Sanktion für den Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung nur durch zusätzliche Abstützung auf Art. 7 Abs. 2 KG zulässig sei.

Dementsprechend hielt das Bundesverwaltungsgericht fest, dass im Zusammenhang mit unangemessenen Preisen eines marktbeherrschenden Unternehmens jeweils zunächst das Kriterium der Erzwingung bzw. der Zwangslage der Betroffenen geprüft werden müsse. Die WEKO hatte es in ihrer Verfügung für die «Erzwingung» als genügend erachtet, wenn das marktbeherrschende Unternehmen kraft seiner Verhandlungsposition bestimmte Klauseln durchzusetzen vermag und das Erzwingen im Wesentlichen mit Verlangen gleichgesetzt. Das BVGer gelangte jedoch zum Ergebnis, dass es aufgrund der Besonderheiten der fernmelderechtlichen Rahmenordnung, welche von der WEKO «unhaltbarerweise» ausgeblendet wurden, an einem Erzwingungspotential fehle. Die Konkurrenten der Swisscom hätten insbesondere die Möglichkeit, bei unzumutbaren Preisofferten bei der Eidg. Kommunikationskommission (ComCom) ein Gesuch zur behördlichen Festsetzung der Terminierungspreise einzureichen.

Gemäss der Pressemitteilung des Bundesgerichts zum Urteil vom 11. April 2011 (2C_343/2010 und 2C_344/2010) scheint diese Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts nun höchstrichterlich bestätigt worden zu sein. Es wird darin festgehalten, dass dem Kriterium des «Erzwingens» im Rahmen von Art. 7 Abs. 2 lit. c KG eine eigenständige Bedeutung zukomme; ein Erzwingen ergebe sich nicht bereits aus einer marktbeherrschenden Stellung. Gleichermassen wird auch betont, dass die fernmelderechtliche Gesetzesordnung zu berücksichtigen sei. Dies führe zum Schluss, dass die Swisscom ihre Preise der Konkurrenz nicht aufgezwungen haben könne. Dementsprechend wurde die Aufhebung der von der WEKO verhängten Sanktion bestätigt.

Allerdings geht das Bundesgericht davon aus, dass die marktbeherrschende Stellung lediglich ein Tatbestandsmerkmal darstellt, das zusammen mit weiteren Elementen die Voraussetzung für eine kartellrechtliche Sanktion bildet. Deshalb entschied das Bundesgericht, dass die vom Bundesverwaltungsgericht unangetastete Feststellung in der Verfügung der WEKO, wonach die Swisscom Mobile AG auf dem relevanten Markt über eine marktbeherrschende Stellung verfügt habe, unzulässig sei.

Die WEKO hat in ihrer Pressemitteilung betont, dass nun für die Preismissbrauchsbekämpfung eine höhere Eingriffsschwelle gelte. Indem beim Preismissbrauch das Element des Erzwingens selbständig nachgewiesen werden müsse, weiche die schweizerische Rechtslage von der Praxis der europäischen Wettbewerbsbehörden ab. Ihr Ziel, die Terminierungspreise im Schweizer Mobilfunkmarkt zu senken, habe sie durch ihr Vorgehen dennoch erreicht.

Weitere Informationen:

Ansprechpartner: Lukas Bühlmann


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