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Die Schweizer Wettbewerbskommission (WEKO) verhängte im Jahr 2012 gegenüber der BMW AG die bislang höchste Sanktion in Vertriebssachverhalten. Grund für die „Busse“ in der Höhe von 156 Mio. Franken war ein Exportverbot in den BMW Händlerverträgen, mit welchem den EWR-Händlern Verkäufe in die Schweiz untersagt wurde. Im Dezember 2015 hat das Bundesverwaltungsgericht den Entscheid der WEKO nun vollumfänglich bestätigt. Das Urteil liefert allerdings keine grundlegend neuen Erkenntnisse. Vielmehr wird darin die bereits Anfang 2014 im Fall Elmex erstmals festgelegte Praxis des Gerichts bekräftigt, ohne dabei jedoch Widersprüche zu anderen Urteilen aufzulösen.
Auslöser der Untersuchung
Ausgelöst wurde die Untersuchung gegen BMW durch 16 Anzeigen von Schweizer Konsumenten, die erfolglos versucht haben, ein BMW-Fahrzeug in Deutschland zu kaufen. Sodann war auch eine Reportage der Sendung „Kassensturz“ vom 19. Oktober 2010 mitentscheidend für die Eröffnung der Untersuchung. Darin hat BMW in einer Stellungnahme insbesondere bestätigt, dass die EWR-Händlerverträge im Einklang mit den Vorgaben des EU-Kartellrechts den Verkauf von BMW und MINI-Neufahrzeugen an Kunden ausserhalb des EWR nicht vorsehen würden.
Die Untersuchung hat schliesslich eine Klausel in den Vertriebsverträgen der EWR Händler zu Tage gebracht, welche den Verkauf neuer BMW und MINI Fahrzeuge und Original Ersatzteilen an Abnehmer in Länder ausserhalb des EWR ausdrücklich verbietet.
WEKO: Unzulässiger absoluter Gebietsschutz und „Rekordbusse“
Wie bereits im Jahr 2012 ausführlich berichtet, gelangte die WEKO in ihrem Entscheid zum Schluss, dass zwischen BMW und den zugelassenen Händlern im Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) eine vertikale Abrede im Sinne von Art. 5 Abs. 4 KG bestanden hat. BMW habe durch das Exportverbot ihren EWR-Händlern als mögliches Verkaufsgebiet den EWR zugewiesen und schliesse sie u.a. vom Verkauf in die Schweiz, welche BMW damit den Händlern der BMW Schweiz zuweise, aus. Ferner würden mit der Klausel nicht nur aktive, sondern auch passive Verkäufe (= Erfüllung unaufgeforderter Bestellungen) durch die EWR-Händler an die „gebietsfremden“ Abnehmer in der Schweiz ausgeschlossen. Demnach lag nach Ansicht der WEKO ein sogenannter „absoluter Gebietsschutz“ vor, der von Art. 5 Abs. 4 KG erfasst und bei Vorliegen der weiteren Voraussetzungen mit finanziellen Sanktionen geahndet werden kann.
Die WEKO stellte in ihrem Entscheid sodann fest, dass das Exportverbot zu einer erheblichen Einschränkung des Wettbewerbs führte. Sie stützte sich dabei auf die Definition der relevanten Märkte für Personenwagen, wobei sie (mindestens) von den folgenden sechs sachlich relevanten Märkten ausging:
- Microwagen
- Kleinwagen
- Untere Mittelklasse
- Obere Mittelklasse
- Oberklasse
- Luxusklasse
Insbesondere weil BMW und MINI in all diesen Produktmärkten über eine starke bis sehr starke Marktstellung verfüge, ging die WEKO davon aus, dass die Abschottung des Schweizer Markts zu einer starken Einschränkung des markeninternen Preis und Qualitätswettbewerb zwischen den zugelassenen BMWHändlern führt. Da ferner keine Gründe der wirtschaftlichen Effizienz ersichtlich waren, welche eine solche Einschränkung des Wettbewerbs gerechtfertigt hätten (vgl. Art. 5 Abs. 1 KG), erklärte die WEKO das Exportverbot für unzulässig und sprach die Sanktion in der Höhe von 156 Mio. Franken aus.
Bundesverwaltungsgericht: Bestätigung der WEKO und der eigenen Praxis
Im aktuellen Urteil des Bundesverwaltungsgerichts (B-3332/2012) wird der Entscheid der WEKO nun vollumfänglich bestätigt. Da sich das Gericht bereits im Jahr 2014, im Zusammenhang mit dem Parallelimportverbot der Zahnpasta Elmex, erstmals mit der entsprechenden Praxis der WEKO beschäftigte, bringt das aktuelle Urteil keine grundlegend neuen Erkenntnisse. Vielmehr werden die im genannten Entscheid aufgestellten Grundsätze wiederholt und bekräftigt.
So bestätigt das Gericht insbesondere die im Elmex-Urteil eingeführte Verschärfung im Vergleich zur Praxis der WEKO. Es wird festgehalten, dass die Prüfung, ob eine Abrede den Wettbewerb erheblich beschränkt, grundsätzlich, wie von der WEKO postuliert, nach qualitativen und quantitativen Elementen zu erfolgen hat. In der Regel sind demnach (qualitativ) der Gegenstand der Abrede (z.B. Preis, Kunden, Verkaufsgebiet etc.) sowie (quantitativ) die Auswirkungen aus gesamtwirtschaftlicher Sicht (insb. die Markanteile) zu berücksichtigen.
Sofern jedoch, wie im Falle von BMW, Abreden betroffen sind, die von Art. 5 Abs. 4 KG erfasst werden, also bei bestimmten Formen von Preisabreden und Gebietsabschottungen, spielen die quantitativen Kriterien nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts – anders als gemäss WEKO-Praxis – keine Rolle. Da der Gesetzgeber diese Abreden als besonders schädlich einstufe und sogar eine Beseitigung des Wettbewerbs vermutet werde, müssten sie erst recht auch stets zu einer erheblichen Wettbewerbsbeeinträchtigung im Sinne des Gesetzes führen. Diese Auffassung hat das Bundesverwaltungsgericht im vorliegenden Urteil bekräftigt, ohne dabei jedoch die offenen Fragen zu beantworten, die durch die sog. Baubeschläge-Urteile (B-8399/2010; B-8404/2010; B-8430/2010) aufgeworfen wurden. Darin hat das Gericht festgehalten, dass die «Erheblichkeitsprüfung» in jedem Fall eine eingehende Marktanalyse erfordere.
Im Hinblick darauf, dass gegen das Grundsatzurteil im Fall „Elmex“ Beschwerden an das Bundesgericht erhoben wurden und ein Entscheid darüber noch aussteht, setzte sich das Bundesverwaltungsgericht jedoch „der Vollständigkeit halber» im Urteil auch mit den quantitativen Aspekten auseinander. Die von BMW in der Beschwerde beanstandeten Punkte betrafen zu einem wesentlichen Teil die von der WEKO hierzu vorgenommenen Untersuchungen und Würdigungen. Die Kritik von BMW blieb jedoch auch diesbezüglich ohne Erfolg.
So ging das Bundesverwaltungsgericht ebenfalls davon aus, dass das Exportverbot sowohl qualitativ als auch quantitativ zu einer erheblichen Beschränkung des Wettbewerbs geführt hat und eine Rechtfertigung aus Gründen der wirtschaftlichen Effizienz ausgeschlossen ist. Auch die Bemessung der Sanktion in der Höhe von 156 Mio. Franken wurde bestätigt, weshalb die Beschwerde der BMW vollumfänglich abgewiesen wurde.
Weitere Informationen:
- Pressemitteilung des Bundesverwaltungsgerichts
- Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 13.11.2015 (B-3332/2012)
- Schweizer Kartellgesetz (KG)
- Verfügung der WEKO vom 7.5.2012 (BMW)
Ansprechpartner: Lukas Bühlmann & Michael Schüepp