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Mit Beschluss vom 27. Juni 2017 verhängte die Europäische Kommission gegenüber Google Inc. und ihrer Muttergesellschaft Alphabet Inc. eine Rekordbusse in der Höhe von rund EUR 2.42 Mrd. Nach Ansicht der europäischen Wettbewerbshüter hat Google seine marktbeherrschende Stellung als Suchmaschinenbetreiber missbraucht, indem der eigene Preisvergleichsdienst „Google Shopping“ in unzulässiger Weise bevorzugt wurde. Gemäss Anordnung der Europäischen Kommission muss der Konzern sein missbräuchliches Verhalten innert 90 Tagen einstellen und künftig unterlassen. Für jeden Tag der Nichteinhaltung droht sonst eine Busse von bis zu 5% des durchschnittlichen weltweiten Tagesumsatzes von Alphabet.
Hintergrund
Die von Google Inc. betriebene Internet-Suchmaschine Google ist eine der meistbesuchten Websites der Welt und die mit Abstand am meisten verwendete Internet-Suchmaschine im Europäischen Wirtschaftsraum (EWR). Sie ist denn auch das bekannteste und wohl erfolgreichste Produkt aus dem an Erfolgen nicht armen Hause Google/Alphabet, das allein im ersten Quartal 2017 bei einem Umsatz von USD 24.75 Mrd. einen weltweiten Gewinn von USD 5.43 Mrd. erwirtschaftete.
Nebst der allgemeinen Internet-Suchmaschine betreibt Google seit 2004 in 13 EWR-Staaten den Preisvergleichsdienst „Google Shopping“ (zuerst noch unter der Bezeichnung „Froogle“ und „Google Product Search“).
Nach Beschwerden von europäischen Verbänden und Unternehmen sowie US-amerikanischen Konzernen wie Yelp, TripAdvisor und NewsCorp eröffnete die Europäische Kommission im November 2010 ein Verfahren gegen Google. Versuche, mittels sogenannter Verpflichtungszusagen (Commitments) eine einvernehmliche Lösung zu finden, schlugen in der Folge allesamt fehl.
Beinahe sieben Jahre nach Untersuchungseröffnung fällte die Europäische Kommission am 27. Juni 2017 ihren Beschluss und verhängte die Rekordbusse von rund EUR 2.42 Mrd.
Argumentation der Europäischen Kommission
Nach Ansicht der Europäischen Kommission verfügt Google im Bereich der allgemeinen Internetsuche in allen 31 EWR-Staaten über eine marktbeherrschende Stellung. In 13 dieser Staaten habe Google diese marktbeherrschende Stellung im Sinne von Art. 102 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) und Art. 54 des EWR-Abkommens missbraucht, indem nach zuerst erfolglosem Marktstart dem eigenen Preisvergleichsdienst ab 2008 ein unrechtmässiger Vorteil verschafft worden sei. Konkret seien konkurrierende Dienste wegen den von Google auf diese angewandten Algorithmen in den Suchergebnissen erst viel weiter unten angezeigt worden. Auf den eigenen Preisvergleichsdienst seien diese Suchalgorithmen hingegen nicht angewandt worden. „Google Shopping“ sei dadurch systematisch ganz oder sehr weit oben und damit am besten platziert erschienen. Für die Verbraucher sei der eigene Preisvergleichsdienst von Google in den Suchergebnissen somit bedeutend sichtbarer als andere gewesen. Da Verbraucher nachweislich wesentlich öfter auf die sichtbareren Ergebnisse geklickt hätten, das heisst auf die Ergebnisse, die nach einer Google-Suche weiter oben erscheinen, habe Google durch sein Verhalten die anderen Dienste im Wettbewerb auf den Preisvergleichsmärkten missbräuchlich behindert.
Die EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager erklärte dazu folgendes: „Google hat viele innovative Produkte und Dienstleistungen entwickelt, die unser Leben verändert haben. Das ist eine gute Sache. Aber die Strategie von Google für seinen Preisvergleichsdienst bestand nicht nur darin, Kunden zu gewinnen, indem es ein besseres Produkt anbietet als seine Wettbewerber. Google hat vielmehr seine marktbeherrschende Stellung als Suchmaschinenbetreiber missbraucht, indem es seinen eigenen Preisvergleichsdienst in seinen Suchergebnissen ganz oben platziert und Vergleichsdienste der Konkurrenz herabgestuft hat. Googles Verhalten ist nach den EU-Kartellvorschriften unzulässig. Google hat anderen Unternehmen die Möglichkeit genommen, im Wettbewerb durch Leistung zu überzeugen. Vor allem aber hat es verhindert, dass die europäischen Verbraucher wirklich zwischen verschiedenen Diensten wählen und die Vorteile der Innovation voll nutzen können.“
Nach Ansicht der europäischen Wettbewerbshüter ist Google als marktbeherrschendes Unternehmen dem Grundsatz der Gleichbehandlung verpflichtet und darf den eigenen Dienst „Google Shopping“ folglich nicht bevorzugen. Aufgrund des Marktmachtmissbrauchs habe der Preisvergleichsdienst von Google zu Lasten der anderen Dienste viele zusätzliche Nutzer gewonnen. Die Europäische Kommission hat die Alphabet-Gruppe daher auch angewiesen, das festgestellte missbräuchliche Verhalten innert 90 Tagen einzustellen und künftig zu unterlassen. Für jeden Tag der Nichteinhaltung droht sonst eine Busse von bis zu 5% des durchschnittlichen weltweiten Tagesumsatzes von Alphabet, basierend auf den aktuellen Umsatzzahlen geschätzt somit bis etwa EUR 12 Mio. pro Tag.
Weitere Verfahren gegen Google
Die Europäische Kommission ermittelt gegenwärtig in zwei weiteren Fällen gegen Google und kam in den zwar noch laufenden Verfahren vorläufig ebenfalls zum Schluss, dass Google seine marktbeherrschende Stellung missbraucht hat. Einerseits ist die Europäische Kommission in Bezug auf das Betriebssystem Android besorgt, Google habe bei Anwendungen und Diensten mobiler Geräte im Rahmen einer allgemeinen Strategie die Auswahl verringert und Innovationen verhindert, um seine marktbeherrschende Stellung im Bereich der allgemeinen Internetsuche zu schützen und auszubauen. Andererseits steht der Vorwurf im Raum, Google verknappe auf seiner Plattform AdSense ebenfalls innovationshemmend die Auswahl, indem es verhindere, dass Websites von Dritten auf Suchmaschinenwerbung seiner Konkurrenten zugreifen können.
Bemerkungen
Die Missbrauchskonstellation, wonach ein marktbeherrschendes Unternehmen eine eigene Gruppengesellschaft durch preisliche oder – wie vorliegend – nicht-tarifäre Vorteile im Vergleich zu deren Wettbewerber auf einem nachgelagerten Markt bevorzugt behandelt hat, ist mit Blick auf die Rechtsprechung der Europäischen Kommission alles andere als neu. Obgleich der dargestellte Google-Entscheid wohl nicht zuletzt aufgrund des klingenden Namens des betroffenen Unternehmens und der hohen Sanktion für einiges Aufsehen gesorgt hat, erscheint der vorliegende Fall daher aus diesem Blickwinkel im „digitalen Zeitalter“ der Internet-Suchmaschinen und Online-Preisvergleichsdienste lediglich als alter Wein in neuen Schläuchen. Herausforderungen stellen sich dem Kartellrecht im „digitalen Zeitalter“ vor allem, wenn es um Fragen etwa des Zugangs zu Datensammlungen oder von Artificial-Intelligence-basierten Geschäftsentscheiden geht. Für Google/Alphabet dürfte der vorliegende Entscheid über die Sanktion hinaus jedoch insofern Konsequenzen haben, als dessen Marktverhalten aufgrund der festgestellten Marktbeherrschung in Zukunft offensichtlich engeren kartellrechtlichen Schranken ausgesetzt ist.
Betreffend die Auswirkungen des Entscheids auf die Schweiz ist zunächst festzuhalten, dass Google mit „Google Shopping“ auch im Schweizer Markt für Preisvergleiche präsent ist und die Schweizer Wettbewerbskommission gemäss eigenen Aussagen eine Voruntersuchung eingeleitet hat. Vor dem Hintergrund des wohl vergleichbar hohen Marktanteils von Google im schweizerischen Markt für allgemeine Internetsuche und der vermutungsweise gleichen Sachlage hinsichtlich der Anwendung relevanter Suchalgorithmen erscheint wahrscheinlich, dass die Schweizer Wettbewerbsbehörden zum gleichen Schluss wie die Europäische Kommission kommen dürften. Es bleibt jedoch abzuwarten, ob und inwieweit die Schweizer Wettbewerbsbehörden selbst Massnahmen ergreifen werden.
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