Widerhandlung Lotteriegesetz OG Zürich

Keine Widerhandlung gegen das Lotteriegesetz – Obergericht Zürich spricht Anbieterin eines Online-Gewinnspiels frei


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Das Obergericht des Kantons Zürich hat am 18. Juni 2013 ein Urteil veröffentlicht, in dem es sich mit einem im Internet angebotenen Gewinnspiel befasst. Nachdem die Vorinstanz die Spielanbieterin wegen Verstosses gegen die Lotteriegesetzgebung mit einer Busse bestraft hatte, hiess das Obergericht die Berufung gut und sprach die Gewinnspielanbieterin frei. Obwohl es sich beim beurteilten Online-Gewinnspiel um eine grundsätzlich verbotene „lotterieähnliche Veranstaltung“ handelte, war dieser Tatbestand im vorliegenden Fall unbeachtlich. Das Verbot von lotterieähnlichen Veranstaltungen findet sich in der Verordnung zum Lotteriegesetz, welche dem Gesetz untergeordnet ist. Weil das Obergericht das Gewinnspiel ebenfalls als zulässige nichtgewerbsmässige Wette qualifiziert hat und solche Wetten im Lotteriegesetz geregelt sind, war das Gewinnspiel in der Gesamtbeurteilung des Obergerichts zulässig.

Sachverhalt: Strafanzeige wegen Gewinnspiel im Internet

Im Mai 2010 wurde die interkantonale Lotterie- und Wettkommission (Comlot) auf eine Website aufmerksam, auf welcher das folgende Gewinnspiel angeboten wurde: Die Spielinteressierten konnten mit einem Mindesteinsatz von 10 Franken auf den Sieger eines Kunstwettbewerbs tippen. Sie hatten dabei die Wahl zwischen 101 teilnehmenden Künstlern. Wem es gelang, den richtigen Gewinner zu erraten, gewann sämtliche Einsätze. Bei mehreren Gewinnern sollte die Gewinnsumme ausgehend von den geleisteten Einsätzen anteilsmässig aufgeteilt werden.

Die Comlot informierte die Betreiberin der Website, beim angebotenen Gewinnspiel handle es sich um eine unzulässige lotterieähnliche Unternehmung. Die Websitebetreiberin führte das Gewinnspiel trotzdem durch. Daraufhin erstattete die Comlot Strafanzeige, worauf das Statthalteramt des Bezirkes Zürich die Website-Betreiberin wegen Verletzung des Lotteriegesetzes zu einer Busse von 500 Franken verurteilte. Nach einem Begehren um gerichtliche Beurteilung hat das Bezirksgericht Zürich die Verurteilung bestätigt, jedoch die Busse auf 200 Franken reduziert. Mit einer Berufung gegen dieses Urteil gelangte die Websitebetreiberin schliesslich an das Obergericht des Kantons Zürich.

Wette oder lotterieähnliche Veranstaltung?

Dieses hatte insbesondere zu beurteilen, ob es sich beim angebotenen Online-Gewinnspiel tatsächlich um eine unzulässige lotterieähnliche Unternehmung handelte (vgl. Art. 56 Abs. 2 LG i.V.m. Art. 43 Ziff. 2 LV) oder ob das Gewinnspiel als zulässige (nichtgewerbsmässige) Wette anzusehen war (vgl. Art. 33 f. LG).

Dazu definierte das Obergericht zuerst den Begriff „Wette“, der im Gesetz nicht näher umschrieben ist. Gemäss dem Gericht lassen sich Wetten im Sinne des Gesetzes in zwei Kategorien unterteilen: Die Buchmacherwette und die Totalisatorwette. Bei ersterer spielen die Wettkunden gegen den Wettanbieter und die Gewinnhöhe hängt davon ab, auf welches Ergebnis gewettet wurde und wie der Buchmacher die sog. Wettquote festlegt. Bei der Totalisatorwette hingegen spielen die Wettkunden in einem Pool, der nach Beendigung des Spiels auf die Gewinner aufgeteilt wird.

Die vorliegend angebotene Wette sei somit eine Totalisatorwette, die grundsätzlich immer dann unzulässig ist, wenn sie gewerbsmässig angeboten wird (vgl. Art. 33 LG). Aus den Umständen werde im vorliegenden Fall jedoch deutlich, dass die Website-Betreiberin nicht beabsichtigte, Gewinne zu erzielen. So wurden namentlich sämtliche Einsätze an die Gewinner ausbezahlt. Die Wettanbieterin verzichtete sogar auf das Zurückbehalten der Auslagen, die ihr entstanden waren. Gewerbsmässigkeit lag somit nach Ansicht des Obergerichts nicht vor, weshalb die Wette gesetzlich nicht verboten war.

Das Obergericht kam zusätzlich zum Schluss, dass das angebotene Spiel auch sämtliche Voraussetzungen einer lotterieähnlichen Unternehmung erfülle. Zum Begriff der lotterieähnlichen Unternehmung: Grundsätzlich erfüllen lotterieähnliche Unternehmungen sämtliche Elemente der Lotterien (vgl. Art. 1 Abs. 2 LG). Im Unterschied zu den Lotterien hängt der Erwerb oder die Höhe der ausgesetzten Gewinne jedoch nicht ausschliesslich, sondern lediglich wesentlich vom Zufall ab, d.h. die Teilnahme am Spiel erfordert ein gewisses Mass an Geschicklichkeit. Schliesslich muss zusätzlich das Element der Planmässigkeit gegeben sein. Das fragliche Gewinnspiel wies nach Ansicht des Obergerichts die folgenden vier Eigenschaften einer lotterieähnlichen Unternehmung auf (vgl. Art. 43 Abs. 2 LV):

  • Erstens hatte der Teilnehmer einen Einsatz zu leisten.
  • Zweitens stand für den Sieger ein Gewinn in Aussicht.
  • Drittens konnte weder der Gewinner des Wettbewerbs noch der Ausgang der Wette genau vorhergesehen werden. Der Gewinn war damit wesentlich, jedoch nicht ausschliesslich vom Zufall abhängig.
  • Viertens war auch die Planmässigkeit gegeben. Dies deshalb, weil die Wettanbieterin sich keinem Risiko unterwarf, da in jedem Fall – das heisst bei beliebigem Ausgang der Wette – stets die Gesamtheit der Wetteinsätze den Siegern ausbezahlt worden wäre.

Folglich stellte das angebotene Gewinnspiel einerseits eine gemäss Lotterieverordnung verbotene lotterieähnliche Unternehmung und andererseits auch eine gemäss Lotteriegesetz erlaubte nichtgewerbsmässige Wette dar.

Gesetzesbestimmung über Wetten hat Vorrang vor Verbot in der Verordnung

Das Gericht hatte aus diesem Grund zu untersuchen, welcher der beiden Regelwerke Vorrang zu geben war.

Anders als das Statthalteramt und das Bezirksgericht entschied das Obergericht, dass die Bestimmung des Lotteriegesetzes, die nichtgewerbsmässige Wetten erlaubt, der Verordnungsbestimmung vorgehe.

Grundsätzlich sei die Feststellung der Vorinstanzen, dass eine neuere Bestimmung Vorrang vor einer älteren habe, zwar richtig. Dieser Grundsatz könne vorliegend jedoch nicht zur Anwendung kommen, da es sich bei der „älteren Bestimmung“ um einen Artikel im Lotteriegesetz und bei der „neueren Bestimmung“ um eine Vorschrift aus der zugehörigen Vollzugsverordnung handle. Denn der Sinn einer Vollzugsverordnung bestehe darin, die gesetzlichen Bestimmungen zu konkretisieren und gegebenenfalls gesetzliche Lücken zu füllen, soweit dies zur Vollziehung des Gesetzes erforderlich ist. In einer Vollzugsverordnung dürften aber keine neuen Vorschriften aufgestellt werden, welche die Rechte der Bürger beschränken oder ihnen neue Pflichten auferlegen. Somit sei es unzulässig, dass Sachverhalte, welche gestützt auf das Lotteriegesetz erlaubt wären, durch die Verordnung verboten werden. Die Gesetzesbestimmung über die Wetten geniesse daher Vorrang vor der widersprechenden Verordnungsbestimmung.

Zusammenfassend hielt das Obergericht daraufhin fest, dass die zu beurteilende Wette sämtliche Voraussetzungen einer Wette im Sinne des Lotteriegesetzes erfüllte. Da die Wettanbieterin nicht gewerbsmässig handelte, war die Wette erlaubt und nicht bewilligungspflichtig. Aus diesem Grund wurde die Anbieterin vollumfänglich freigesprochen.

Kommentar

Online-Gewinnspiele als Marketinginstrumente erfreuen sich grosser Beliebtheit. Vielen Anbietern ist jedoch oft nicht bewusst, dass Gewinnspiele von der Lotteriegesetzgebung erfasst sein können. Auch wenn Verstösse gegen das Lotteriegesetz „nur“ mit Busse bestraft werden, stellen solche Strafverfahren ein hohes Reputationsrisiko dar. Weiter droht auch der Einzug der Einsätze resp. der Umsätze. Der vom Obergericht im vorliegenden Urteil vertretene Ansatz kann als stringent und als spieleanbieterfreundlich bezeichnet werden. Grundsätzlich folgt aus dem Urteil, dass lotterieähnliche Unternehmungen immer dann zulässig sind, wenn sie gleichzeitig die Voraussetzungen einer nichtgewerbsmässigen Wette erfüllen.

Das Urteil bestätigt die Liberalisierungstendenzen in gewissen Bereichen des Lotterierechts. So ist im Rahmen der Revision des Lotterie- und Geldspielrechts beispielsweise geplant, dass das bisher geltende Verbot von Internet-Casinospielen gelockert wird und Geldspiele somit neu auch online angeboten werden dürfen (vgl. BR-News vom 13.02.2013). Ein erster Entwurf eines neuen Geldspielgesetzes, welches das Lotteriegesetz ersetzen soll, wird voraussichtlich im Dezember in die Vernehmlassung geschickt werden.

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